Autorinnen und Autoren aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz: Ihre Lesungen, Gespräche und poetischen Betrachtungen sind Thema im SWR Kultur Lesezeichen.
Literatur Zwischen Revolution und Poesie – „Regen“ von Claire Beyer
Es sind gleich zwei Ereignisse, die das Leben der tüchtigen Versicherungsangestellten Elisabeth plötzlich aus der Bahn werfen. Ihr Haus wird bei einem großen Unwetter weggespült, zugleich stolpert sie über zwei Taschen voller Geld. Mit diesem Szenario setzt die Markgröninger Autorin Claire Beyer eine dramatische Versuchsanordnung in Gang, die ihre Heldin unter Zugzwang setzt. Zum ersten Mal kann sie über ihr Leben selbst entscheiden, ihren Weg selbst gestalten. So stolpert sie Stück für Stück in eine nie gekannte Freiheit, die mit Höhenflügen und grandiosen Abstürzen gepflastert ist. „Regen“ ist eine magische Coming-of-Age-Geschichte – intensiv, dicht und voller kluger Beobachtungen.
Literatur Ungetrübter Blick aufs Alter: Sabine Peters und ihr Roman „Die dritte Hälfte“
Doc ist 67 Jahre alt, aber praktiziert immer noch. Er will seine Patienten nicht im Stich lassen. Oder vielleicht wüsste er mit sich selbst gar nicht so viel anzufangen. Der Übergang ins Alter ist gar nicht so einfach – das merkt er auch an seiner Schwester, seiner Nachbarin oder seinem alten Freund Brummer. Was bedeutet das überhaupt? Dass die ersten Zipperlein beginnen? Dass man nicht mehr gebraucht wird? Oder für andere Dinge als vorher? Sabine Peters hat einen stillen, ehrlichen und klugen Roman über das Alter geschrieben oder das, was uns alle erwartet, wenn die Vergangenheit mehr Raum beansprucht als die Zukunft.
Literatur Vom Schweigen der Generationen: „Muttersuchen“ von Eva Christina Zeller
Mit ihrer autofiktionalen Erzählung hat sich Eva Christina Zeller auf die Spuren der Frau begeben, die ihre Mutter ist. Gegenseitige Verständnislosigkeit und Schweigen kennzeichnen den Umgang der Generationen, die die Tübinger Autorin in ihrem neuen Roman in einem eindrucksvollen Zwiegespräch zusammenbindet.
Literatur Leere Floskeln statt Liebe - Nora Schramm über ihren Roman „Hohle Räume“
Wenn die Eltern sich trennen, gehört das für viele Kinder zu den tragischsten Erfahrungen, die sie machen. Wie aber geht eine erwachsene Frau damit um? Nach außen hin cool, aber innen drin rumort es ziemlich. So zumindest geht es Helene, Mitte 30 und Künstlerin in Berlin. Ihre Eltern lassen sich nach 40 Jahren Ehe scheiden und Helene reist an, um ihre Mutter dabei emotional zu unterstützen. Die verlangt der Tochter allerdings so einiges ab. „Hohle Räume“ heißt der Debütroman von der Pfälzer Autorin Nora Schramm. Ein Buch, das messerscharf die bürgerlichen Verhältnisse seziert.
Literatur Briefe aus der Neuen Welt - Udo Zindel, Heiß ersehntes Amerika
Vor gut 170 Jahren wagten zwei junge Männer aus Württemberg den Sprung in ein neues Leben. Sie machten sich hoffnungsvoll auf den Weg nach Amerika und hatten dort mit schwierigen, existentiellen Herausforderungen zu kämpfen. „Dennoch beklagten sie sich nie“, berichtet Autor Udo Zindel, der den Spuren der beiden Auswanderer bis in die USA gefolgt ist. Auslöser war ein Zufallsfund: der Vater des Autors hatte in seiner Garage einen Holzkoffer mit unbekannten Briefen von Carl und Friedrich Herzog entdeckt. „Heiß ersehntes Amerika“ ist ein auch sehr persönlich gefärbtes, spannendes Sachbuch, das nicht nur sehr lebendig und informativ von den Schwierigkeiten der Auswanderer erzählt. Es führt in eine Neue Welt, die schon damals tiefe Risse aufzeigt und die sich bis in die Gegenwart fortsetzen. „Das Land war eigentlich schon seit seiner Gründung zerrissen“, so die These des Autors.
Literatur Suche nach einem geheimnisvollen Bild - Maria Bidian über ihren Roman „Das Pfauengemälde“
Es ranken sich viele Gerüchte um „Das Pfauengemälde“. Eine armenische Prinzessin soll es Anas Familie geschenkt haben. Dann haben es die Kommunisten der Familie abgenommen. Jetzt könnte Ana das Bild zurückbekommen. Sie ist die Hauptfigur in Maria Bidians Roman „Das Pfauengemälde“.
Es ist das erste Buch der in Mainz geborenen Autorin und erzählt sehr poetisch von einer jungen Frau namens Ana, die zu ihrer Familie nach Rumänien reist, in der Hoffnung, das Geheimnis um das Bild und den Tod ihres Vaters zu lüften. Ein Roman, der die Vergangenheit und Gegenwart Rumäniens kunstvoll verwebt und eindrücklich über ein europäisches Land erzählt, über das wir viel zu wenig wissen.
Albstädter Literaturtage Lebendige Chronik eines Bodensee Gasthofs – Gaby Hauptmann erzählt von starken Frauen in schwierigen Zeiten
Eigentlich sollte es nur ein Flyer werden, doch am Ende entstanden zwei dicke Romane: Mit „Den Frauen vom See“ beschreibt Bestsellerautorin Gaby Hauptmann die bewegte Geschichte des Gasthofs „Hirschen“ in Horn am Bodensee. Die Personen sind real: Anna, aus armen, bäuerlichen Verhältnissen stammend, die als Wirtin der ersten Stunde den „Hirschen“ mit viel Mut, Fleiß und Cleverness durch schwierige Zeiten bringt. In Band 2 bestimmt die älteste Tochter Maria, jung verwitwet, die Geschicke des Gasthofs.
Literatur „Die Königin und der Kalligraph“ von Moussa Abadi mit einem Nachwort von Rafik Schami
Geschichten aus einem Damaskus, in dem die Religionen in friedlicher Koexistenz zusammenleben, die erscheinen heute fast wie ein Märchen. Doch dieses Damaskus gab es zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Davon erzählt der Autor Moussa Abadi, der damals im jüdischen Viertel von Damaskus aufwuchs. Der syrisch-deutsche Schriftsteller Rafik Schami ist auf diese Geschichte gestoßen und hat dafür gesorgt, dass diese spannende Literatur Abadis auch ins Deutsche übersetzt wurde.
Literatur Ein Öko-Thriller als Heimatroman: „Black Forest“ von Wolfgang Schorlau
Er schreibt nicht einfach nur spannende Krimis – dem Stuttgarter Autor Wolfgang Schorlau geht es immer ums große Ganze. Um Wirtschaft und Politik, den Staat und die Gesellschaft. Dabei recherchiert Schorlau seine Sujets vorher lange und penibel. Investigativ auch, wie ein guter Detektiv. „Black Forest“, sein 11. Dengler Krimi spielt im Schwarzwald. Beginnt beschaulich wie ein Heimatroman und wird allmählich zum Öko-Thriller. Bis zum Showdown auf dem Feldberg.
Literatur Andreas Moster: „Der Silberriese“
Patrik ist Spitzensportler, Diskuswerfer. Sein größter Triumph: Die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen. Der Leistungssport, täglich strenges Training und permanente Disziplin haben sein Leben bestimmt, bis Ada auf die Welt kommt, seine Tochter. Deren Mutter verlässt die Familie plötzlich, ohne Vorwarnung. Patrik ist allein mit einem Baby, das er zunächst gar nicht wollte. Wie soll er damit umgehen? Alles, was er kennt, ist die Strategie eines Leistungssportlers, und der folgt er. Er widmet sein ganzes Leben jetzt seiner Tochter und entwickelt daraus eine totale Abhängigkeit. Andreas Moster erzählt eine Geschichte, in der er die klassische Erzählung von Kindern, die von ihren Eltern abhängig sind und beginnen, ihre eigenen Wege zu gehen, umkehrt. Er erzählt von einem Vater, der selbst immer abhängiger wird, bis er erkennt, dass er sich irgendwann daraus lösen muss, wenn er will, dass die Beziehung zu seiner Tochter erhalten bleibt.
Literatur „Windstärke 17“ von Caroline Wahl
Die Geschichte von Ida und Tilda hat Autorin Caroline Wahl nicht losgelassen. In ihrem Debütroman „22 Bahnen“, der im vergangenen Jahr auf der Spiegel-Bestsellerliste stand, erzählt sie von den beiden Schwestern, ihrer Liebe zum Meer und dem Leben mit ihrer alkoholkranken Mutter.
Literatur Gnadenlos und sehr berührend: „Staffellauf“ von Joachim Zelter
Was passiert, wenn man seine Träume und Ansprüche zugunsten eines vermeintlich sicheren Hafens über Bord wirft? Der Tübinger Autor Joachim Zelter beschreibt in seinem neuen Roman den Lebensweg einer jungen, begabten Künstlerin, die sich aufgrund gesellschaftlicher Konventionen unfreiwillig auf eine Ehe einlässt und letztlich scheitert. Anlass für den Sohn, sich ganz bewusst für eine Schriftstellerkarriere und damit für ein konträres Lebensmodell zu entscheiden.
Literatur Astronomischer Roadtrip durch die Nacht - Stefan Sommer: „Trabant“
Eine SMS seines Vaters lässt Georg Himmel Hals über Kopf aufbrechen: Die SMS ist nicht an ihn gerichtet, sondern an eine Lisa, von der Georg noch nie etwas gehört hat. Was hat der Vater vor? Brennt er mit Lisa durch? So klingt diese Nachricht und Stefan muss intervenieren. Eine ganze Nacht lang fährt er von der kroatischen Küste bis nach München – dort will sich laut der SMS der Vater mit dieser Frau treffen. Ein Roadtrip durch die Dunkelheit und mit vielen Flashbacks in Georgs Vergangenheit, das ist Stefan Sommers Debütroman „Trabant“. Georgs einzige Begleitung sind die Sterne. Das sind sie schon sein Leben lang. „Trabant“ ist ein Buch für Liebhaber der Astronomie – aber auch ohne kosmische Vorkenntnisse reißt es einen mit. Denn sehr gelungen verwebt Stefan Sommer irdische Sorgen mit astronomischen Fluchtpunkten.
Literatur Die Poesie des Alltags - Hanns-Josef Ortheil: Von nahen Dingen und Menschen
Hanns-Josef Ortheil schreibt täglich. Natürlich, könnte man meinen, das ist das, was Schriftsteller tun. Aber hierbei entstehen nicht nur Erzählungen und Romane, sondern auch kurze Prosatexte, die Begegnungen und Ereignisse des Alltags aufgreifen und fortführen. Die gesammelten Texte der vergangenen fünf Jahre erzählen von Dingen, in denen wir uns wiederfinden können und bieten einen anregenden Einblick in die Schreibwerkstatt des Autors.
Literatur Psychogramm einer ungleichen Freundschaft – „Pink Elephant“ von Luca Kieser
Mit Vincent, Ali und Tarek stehen drei sehr unterschiedliche Freunde im Mittelpunkt dieser Geschichte, die sich einerseits um ganz normale Pubertätsprobleme dreht, zugleich aber Mechanismen von Diskriminierung und Rassismus entlarvt. Dabei geht der Autor das Risiko ein, selbst wieder bestimmte Klischees und Stereotype zu bedienen. Er habe daher lange überlegt, ob er als weißer Schriftsteller diese Geschichte überhaupt schreiben dürfe, sagt Luca Kieser. Die Antwort ist: er hat einen klugen Roman verfasst, der lange nachhallt.
Literatur Eine kühne Intrige – „Die Leiden der jungen Weiber“ von Ulrich Land
Goethe war ein Frauenheld. Bei einigen seiner Zeitgenossinnen hat er jedenfalls keinen guten Stand, findet der Freiburger Autor Ulrich Land. In seinem neuen Roman schickt er daher sieben Frauen auf einen verwegenen Rachefeldzug. Sie erfinden sich ihren eigenen Goethe, auch um einem männerdominierten Literaturbetrieb ein Schnippchen zu schlagen. Mit großer Fabulierlaune erzählt Ulrich Land eine flirrende Komödie, in der reale und fiktive Figuren nicht nur munter miteinander streiten.
Literatur Zwischen Rheinromantik und Industrialisierung: „Loreley – Die Frau am Fluss“ von Susanne Popp
Susanne Popp haucht historischen Ereignissen wie der Rheinbegradigung und der Entwicklung der Dampfschifffahrt neues Leben ein. Zwischen romantischen Sagen und der Industrialisierung geht es um das Leben der Menschen am Rhein im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts.
Literatur „Zwischen Wein und Liebe - eine deutsch-polnische Liebesbeziehung“ von Renata A. Thiele
Bisher hat die Schriftstellerin Renata A. Thiele Kriminalromane, Erzählungen und Reiseberichte auf Deutsch und Polnisch geschrieben. Nun hat sie die Besichtigung eines Weingutes an der Mosel zu einem Liebesroman im Winzer-Milieu inspiriert.
Im Kern geht es dabei um viel Herz-Schmerz, allerdings mit einem bitteren Beigeschmack. Denn von der Liebesbeziehung zwischen dem Winzersohn Thomas und der polnischen Weinlesehelferin Mira ist man in dem kleinen Moseldorf alles andere als begeistert. Zu groß sind die Vorbehalte gegenüber den Fremden - obwohl die polnischen Arbeitskräfte immer wieder dringend für die Ernte gebraucht werden.
Literatur Daniel Gräfe - „Wir waren Kometen“
In seinem sehr gelungenen Debütroman schickt der Stuttgarter Autor Daniel Gräfe zwei junge Menschen auf eine Art Erkundungstrip durch halb Europa. Die Roadstory, die von Berlin über Stuttgart bis nach Rumänien führt, gerät zu einem Offenbarungseid. Denn die Lebenskünstlerin Luba und der Werbetexter Lukas müssen sich unbequemen Wahrheiten stellen und entscheiden, was sie überhaupt wollen und ob sie eine gemeinsame Zukunft haben. Dabei führt die Suche durch die Ödnis unwirtlicher Landschaften, die Daniel Gräfe mit bestechend scharfem Blick beschreibt. „Wir waren Kometen“ – ein kleiner Roman, der ganz subtil und unaufdringlich große Fragen verhandelt.
Literarische Wiederentdeckung Anna Seghers Roman „Der Weg durch den Februar“ von 1935
Anna Seghers wurde 1900 in Mainz geboren und floh 1933 nach Paris. Im Exil erschienen zahlreiche Werke von ihr, unter anderem „Der Weg durch den Februar“ und „Transit“. Ihr Roman „Das Siebte Kreuz“ machte sie international bekannt. Seghers kehrte 1947 nach Deutschland zurück und lebte bis zu ihrem Tod 1983 in der DDR.
„Der Weg durch den Februar“ erschien 1935 im Pariser Verlag Editions du Carrefour. In dem Roman beschreibt Seghers die wenigen Tage und Wochen des österreichischen Arbeiter-Aufstands gegen die Dollfuß-Diktatur. Der Roman, der die Wirren jener Zeit darstellt und dabei ganz nah an seine fiktiven Charaktere herantritt, ist jetzt vom Marsyas Verlag neu verlegt worden. 2025 erscheint eine kommentierte Fassung im Aufbau-Verlag.
Literatur „Anna - was die Zeit nicht heilt“ - eine Graphic Novel von Christina Laube und Mehrdad Zaeri
Mehrdad Zaeri und Christina Laube haben als Künstler-Duo SOURATI in den letzten Jahren gemeinsam mehrere haushohe Wandgemälde im öffentlichen Raum erarbeitet. Aber sie gestalten als Illustrator*innen auch immer wieder Bücher für Kinder und Erwachsene. Jetzt haben sie eine Graphic Novel über das traumatische Kriegserlebnis eines jungen Mädchens realisiert, das auf einer wahren Geschichte basiert. Mehrdad Zaeri und Christina Laube haben eine sehr reduzierte, gleichzeitig aber direkte und einfühlsame Bildsprache gefunden, die nah an dem Mädchen und seinen Gefühlen ist.