Der Hamburger arbeitet jetzt an der Ahr und im Gespräch mit Veit Berthold erklärt er, was die Region für ihn ausmacht.
SWR1: Was hat Sie dazu bewogen, gerade ins Ahrtal zu gehen?
Paul Biermann: Der Hamburger an sich ist ja von Natur aus ein bisschen kühler. Hier merkt man schon, dass es eher mediterran ist vom Klima und von der Mentalität her. Hier gibt es sehr offenherzige Menschen. Man knüpft schnell Bekanntschaften.
Auch der Genuss steht hier im Vordergrund, das merkt man schon. Ich denke, dass hier dadurch, dass man in einer Region ist, wo Spitzenklasse-Spätburgunder gemacht werden, auch das Verständnis für das Thema Wein und für gutes Essen bei den Menschen überall vorhanden ist. Das hat mich von Anfang an "gecatcht".
SWR1: Wenn man Menschen in Hamburg sagt, ich gehe ins Ahrtal, dann könnte man als Antwort bekommen: "Bist Du bescheuert, da war doch die Flut", oder?
Biermann: Ich hatte dieses Gespräch lustigerweise mit meinem besten Freund Aljoscha. Er ist Sous Chef im Jellyfish in Hamburg…
SWR1: … das ist die gleiche Kategorie wie McDonald's, oder?
Biermann: Eher best Seafood Bar in Hamburg in der Schanze. Ich sage: "Lieber Aljoscha, wenn Du Geschmack kennenlernen willst, dann kommst Du zu uns.." Er hat das ein bisschen abgetan: "Was soll ich im Ahrtal?".
Jetzt, auf der Reise zurück aus seinem Sommerurlaub am Bodensee, kam er vorbei und hat es sehr genossen. Er war von der Region begeistert. Wir haben einige Weingüter besucht und wir sind durch die Weinberge gelaufen. Er war bei uns zu Gast im Restaurant, hat ein tolles Menü gehabt, tolle Weine probiert und er schwärmt immer noch davon, sagt er mir. Und er freut sich auf den nächsten Besuch.
Ich glaube dieses Feeling, das man hier gerade im Sommer im Ahrtal hat, ist für einen Gast, für einen Touristen unheimlich spannend. Denn wir haben Top-Gastronomie, wir haben wirklich Top-Läden, und das macht einfach Spaß.
Buch von Vivien Neufeld SWR1 Ahrtalwoche: "Der Tag, an dem der Sommer zu Ende ging"
"Der Tag, an dem der Sommer zu Ende ging" heißt das Buch, dass Vivien Neufeld, die bei der Flutkatastrophe im Ahrtal drei Familienmitglieder verloren hat, geschrieben hat.
SWR1: Hier ist eine Katastrophe passiert, die es in Deutschland so noch nie gegeben hat. Spielt das bei der Überlegung, wo ich in meinem Leben hingehe, gar keine Rolle? Dass man nicht doch die Angst hat, die Ahr könnte eines Tages vielleicht wieder so etwas verursachen?
Biermann: Ich glaube, im Gegenteil. Wir haben vor Wochen wieder ein Hochwasser gehabt. Wir hatten starke Regenfälle und der Rebschnitt hat uns ein bisschen Sorgen bereitet. Die Gullys waren verstopft, die Straßen sind übergelaufen. Bei uns trat durch die Kellerwände wieder das Wasser und wir haben echt gedacht, jetzt könnte es wieder passieren. Aber wir sind dem noch mal "von der Schippe gesprungen".
Aber die Sorge ist allgegenwärtig und man hat das im Hinterkopf. Deswegen kann ich viele Leute verstehen, die sagen: "Die Immobilien in Tallage oder in Flussnähe, davon lasse ich jetzt mal die Finger!" Aber die Region ist einfach zu schön, als dass man sie der Bedeutungslosigkeit hingeben könnte.
Das Gespräch führte Veit Berthold.