Mitten in Ahrweiler, nur ein paar Schritte vom Marktplatz, betreiben Antje und Niklas Körtgen ihr Weingut. Schon beim Betreten fühlt sich unser Reporter wie in Italien: eine mediterrane Terrasse und ein Innenhof, der sich nach Urlaub anfühlt.
SWR1: Antje, du bist 31. Dass du mal Gastronomin wirst und hier den Hof schmeißt, war so nicht geplant, oder?
Antje Körtgen: Nein, bei meiner Geburt sicherlich nicht. Aber macht Spaß!
SWR1: Aber die letzten paar Jahre hast du ja eigentlich was ganz anderes gemacht.
Antje Körtgen: Ich habe eher hinter dem Rechner gesessen und Zahlen zusammengewürfelt. Aber jetzt hat es mich wieder hierhin verschlagen und jetzt bringe ich Wein raus und empfehle Gästen, was sie hier im Ahrtal unternehmen können.
SWR1: Dass das alles in der Familie liegt – deine Eltern machen das ja und auch – dass du einmal übernehmen könntest, das war klar. Aber welche Rolle spielt die Flut?
Antje Körtgen: Die Flut war Initiator wieder zurück ins Tal zu finden, weil man hier jetzt einfach viel Kraft braucht oder Kraft brauchte. Ich glaube wir sind jetzt wieder an dem Punkt, dass man hier sehr gerne hinkommen kann und auch ein Zukunftsausblick da ist. Das hat mich auf jeden Fall motiviert, hier wieder hinzukommen.
SWR1: Niklas, du bist 28, unter anderem für den hier Sekt mit verantwortlich. Wann war dir klar, ich mach das jetzt?
Niklas Körtgen: Das war relativ schnell klar. Es war schon vor der Flut klar, dass ich das übernehmen will. Ich war auch schon mit im Betrieb drin, aber nur teilweise. Nach der Flut, zwei, drei Wochen später habe ich mich dann entschlossen, das komplett zu übernehmen. Meine Eltern haben mir da zum Glück freie Hand gelassen. So konnten wir den Übergang zeitnah machen und ich konnte meine Eltern während und nach der Flut entlasten.
SWR1: Wenn ihr hier in Ahrweiler Touristen empfangt, Menschen zu euch kommen, euren Wein, euren Sekt trinken, es sich gut gehen lassen – Antje, Was macht das mit dir?
Antje Körtgen: Mich freut das total, dass man hier jetzt wieder Gäste empfangen kann. Wenn man sich an die Zeit nach der Flut unmittelbar zurückerinnert, war nicht direkt so klar: kommt überhaupt jemand wieder. Dass man jetzt so einen Zuspruch bekommt und Leute hier sitzen und ihre Freizeit genießen können, eine Auszeit vom Alltag bekommen. Finde ich super! Das macht Spaß!
SWR1: Wir haben euch schon vor zwei Jahren besucht. Damals war diese Oase auch schon wieder da, war intakt. Ist das auch für die Psyche eine ganz wichtige Sache, dass man einfach ganz schnell wieder guckt, dass es läuft?
Antje Körtgen: Die Gäste sind hier reingekommen und haben gesagt: Oh, sie wurden verschont beim Hochwasser. Wir waren halt sehr schnell. Ein knappes Jahr haben wir gebraucht. Man braucht Leuchttürme in der Region, Orte, an die Leute wieder hinkommen können, wo man mal den ganzen Baustellenstress vergessen und davor einfach mal fliehen kann.
SWR1: Ihr geht da mit einer gewissen Gelassenheit, aber auch Coolness an die Sache ran, die wahrscheinlich hilft, im Gastrogewerbe und im Weinmachen erfolgreich zu sein. In diesem Jahr gab es schon mehrere Flutkatastrophen in Deutschland. Was macht das mit dir, Antje?
Antje Körtgen: Natürlich macht das was mit einem. Das geht nicht einfach so spurlos an einem vorbei …
SWR1: … und wenn du auf deiner Katwarn App eine Meldung bekommst: Hochwasser - möglicherweise wieder hier in Ahrweiler …
Antje Körtgen: Das macht einen auf jeden Fall nervös. Ich würde lügen, wenn das nicht so wäre. Wir hatten jetzt dieses Jahr ein Starkregenereignis, bei dem auch Wasser auf den Straßen stand. Da fühlt man sich schon ein bisschen unsicher und probiert Konzepte zu entwickeln, wie man in gewissem Maße das schützen kann, was es zu schützen gibt.
Ich glaube, vor so einer Flut wie 2021, kann man sich nicht schützen. Das war einfach so massiv. Aber vor Starkregenereignissen geht das auf jeden Fall. Man ist viel sensibler als davor.
Das Gespräch führte Veit Berthold.