Elterliches Weingut statt Sportmarketing

Jungwinzer Lukas Sermann: "Ein gemeinsames Gefühl, das wir alle teilen"

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Veit Berthold
Veit Berthold
Andreas Müller (SWR1)
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SWR1

Lukas Sermann ist Jungwinzer. Nach der Katastrophe hat er sich entschlossen, in die Fußstapfen seiner Eltern zu treten.

Lukas Sermann hat eigentlich Sportmarketing studiert. Nachdem die Flutkatastrophe in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 das Elternhaus und den Weinbaubetrieb in Altenahr vollständig vernichtet hat, wog der Wunsch schwerer an der Ahr zu bleiben. Es folgt ein Weinbau-Studium und er tritt als Jungwinzer in vierter Generation in die Fußstapfen seiner Eltern. Der Wiederaufbau hat viel Energie gekostet, wie er auch Veit Berthold erklärt.

SWR1: Wie krass waren die letzten drei Jahre?

Lukas Sermann: Ja, startend mit Corona und dann natürlich auch der Flutkatastrophe, sehr arbeitsintensiv. Ich glaube, wir haben stark an unseren Resilienzkräften gearbeitet und insgesamt auch sehr, sehr viele Eindrücke gewonnen, die uns sicherlich auch auf dem nächsten Weg weiterhelfen.

SWR1: Was hat man denn vielleicht an positiven Dingen aus dieser Zeit mitgenommen?

Sermann: Es fing an mit dem unglaublichen Zusammenhang, dass wir aus einer Zeit kamen, wo wir uns auf weniger als einen Meter nicht nähern durften. Das konträre Gegenteil war dann eben die Hilfsbereitschaft der gesamten deutschen und auch europäischen Bevölkerung. Es ging dann weiter mit viel Freiraum, wachrütteln, Solidarität auch unter den Bewohnern und einem viel engeren Zusammenrücken in der Gesellschaft, auch vor Ort. Davon zehren wir heute noch.

SWR1: Was ist die schönste Geschichte, die hängengeblieben ist?

Sermann: Es gibt zum Beispiel sowas wie das "Kirchenbier", also an der Treppe in der Dorfmitte. Irgendwann stehen dann da zwei Strandstühle. Da steht drauf: "Heute wieder Kirchenbier" oder "Treppenbier". Initiiert ist das von aktiven Bürgern aus dem Ort.

Das ist ein ganz lockeres Zusammenkommen. Da geht es auch nicht mehr unbedingt um die Flut, sondern man trifft sich einfach auf ein Bierchen. Das gab es vorher nicht.

SWR1: Wenn Sie heute vor Ihren Weinfässern stehen, wo der Burgunder die Fässer ein bisschen färbt und es danach riecht, wo alles so aussieht wie sich das ein Winzer wünscht: Mit wie viel Stolz steht man dann in dieser Halle?

Sermann: Vor allem mit Respekt! Respekt vor den ganzen Arbeitsstunden der Menschen, die daran mitgewirkt haben, dass es heute so ist wie es ist. Und mit sehr viel Freude, wenn wir das "Tal der Arbeit" durchschritten haben. Jeder, der wieder aufgebaut hat, kann einfach sehr, sehr stolz auf sich sein. Das ist ein gemeinsames Gefühl, was wir alle teilen.

SWR1: Sie klingen ein bisschen müde oder sind Sie einfach ein ruhiger Typ?

Sermann: Ich bin ruhig. Ich bin aber auch müde, beides zusammen so ein bisschen.

SWR1: Die letzten paar Jahre waren auch nicht wenig anstrengend, oder?

Sermann: Man sagt ja immer, ein Gastrojahr sind fünf Menschenjahre, und so ein "Post-Flutjahr" sind auch fünf Menschenjahre. Es ist sehr kräftezehrend, aber man kommt auch viel zu sich. Je weniger Energie man hat, umso mehr kommt man zu sich und das beruhigt auch ein bisschen.

Das Gespräch führte Veit Berthold.

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