Systemische Familientherapeutin zu Kynophobie

Birgit Rusche-Hecker – so überwindet ihr die Angst vor Hunden

Stand
Das Interview führte
Frank Jenschar
Interview mit
Birgit Rusche-Hecker
Onlinefassung
SWR1

Birgit Rusche-Hecker ist Systemische Familientherapeutin und Fachfrau beim Thema "Kynophobie" – das ist der Fachbegriff für die Angst vor Hunden.

Für viele Menschen ist der Hund ein festes und geliebtes Familienmitglied, bei anderen hingegen lösen Hunde einfach nur Angst aus. Birgit Rusche-Hecker ist Systemische Familientherapeutin und kennt sich mit der Angst vor Hunden aus und weiß, wie man diese überwinden kann.

Sätze, die bei Angst vor Hunden nicht helfen

SWR1: "Der will doch nur spielen" oder "Der tut doch nichts". Das sind Sätze, die Menschen mit Angst vor Hunden gerne von den Haltern gesagt bekommen. Das hilft nicht wirklich, oder? 

Birgit Rusche-Hecker: Nein, auf gar keinen Fall. Ich möchte mich hier wirklich mal schützend und mit viel Mitgefühl hinter die Hundephobiker stellen. Sie werden nicht verstanden. Viele von ihnen fühlen sich mutterseelenallein mit diesem Thema.

SWR1: Wie hoch ist denn der Leidensdruck bei Menschen, die Angst vor Hunden haben?

Rusche-Hecker: Das variiert. Es gibt welche, die sortieren sich – wenn man mal eine Skala von null bis zehn nimmt – bei fünf ein. Dann ist das vielleicht jemand, der sagt, "Ich bin mir nicht so sicher, wie ich Hunde finden soll. Aber ich ertrage es noch in einem Raum mit ihnen".

Während jemand, der wirklich eine Hundephobie hat, einen Hund sieht und dem der Schweiß ausbricht und das Herz rast. Eigentlich hat er nur noch den Wunsch, irgendwo zu verschwinden, in der Hoffnung, der Hund sieht ihn nicht.

Was sind die Ursachen für die Angst vor Hunden?

SWR1: Wo kommt diese Angst her? Hat derjenige zum Beispiel schlechte Erfahrung gemacht in der Kindheit?

Rusche-Hecker: Das kann ein Fall sein. Interessant ist es, dass in den meisten Fällen, mit denen ich gearbeitet habe, die Ursache nicht wirklich durch einen Hund entstanden ist. Oder die Betroffenen konnten sich gar nicht erinnern, dass es einen Beißvorfall gegeben hat.

Daher ist es wahrscheinlicher, dass es durch Prägung entstanden ist. Also, dass zum Beispiel Mutter, Vater oder irgendeine Bezugsperson vielleicht Angst vor Hunden hatte. Oder gesagt hat, "Fass den nicht an. Der ist dreckig oder könnte beißen". Oder die Bezugsperson hat das Kind immer hochgerissen und auf den Arm genommen.

Bei der Phobie ist es aber auch so, dass Ängste sich verschieben können. Also, dass der Betroffene eigentlich vor etwas anderem Angst hat und es sich auf den Hund verschoben hat. Deswegen ist es so wichtig zu gucken, was ist hier wirklich der Fall? Ansonsten verschieben wir nur das Symptom, aber die Ursache bleibt.

Hunde wollen bei Angst helfen und beruhigen

SWR1: Spüren die Hunde die Angst der Menschen?

Rusche-Hecker: Ich bin als Hundeliebhaber geboren. Deswegen verstehe ich beide Seiten und kann so schön vermitteln. Tiere besitzen einfach diese Kraft, die es ihnen ermöglicht, auf ganz besondere Weise unsere Seele zu berühren. Und das machen sie, indem sie uns helfen.

Was ein Hundephobiker, der sich gerade zu einer Feier getraut hat, überhaupt nicht witzig findet ist, wenn der Hund sich an seinen Stuhl, neben oder unter ihn legt. Was der Hund aber macht ist, er spürt die Angst und kommt dazu, um zu beruhigen. Präsenz beruhigt.

SWR1: Wann kommen Ihre Hunde bei der Therapie zum Einsatz?

Rusche-Hecker: Meine Hunde kommen angeleint, wenn der Hundephobiker bereit dazu ist – ganz wichtig, das machen wir nicht direkt in der ersten Stunde – nacheinander zum Einsatz. Erst der Kleine und später der Große.

Therapie von Birgit Rusche-Hecker bei Angst vor Hunden

SWR1: Hundephobiker haben regelrecht Panik. Hilft da nur eine Therapie oder kann man auch anders helfen?

Rusche-Hecker: Ich habe auch schon mit Kunden gearbeitet, die nicht hierherkommen konnten. Da haben wir über Zoom gearbeitet. Ich hab angeleitet, wie zum Beispiel die Freundin mit ihrem Hund unterstützend hilfreich sein kann. Das geht auch.

Was ich ganz wichtig finde, ist, dass die Sprache gelernt wird. Meistens ist da ein Missverständnis. Diese betroffenen Menschen können die Hunde nicht einschätzen. Die können sie nicht lesen. Die Angst ist schneller. Wenn sie die Hundesprache lernen wollen, können sie sich Wolfs-Videos angucken oder Hunde-Videos, wo Trainer mit Hunden arbeiten.

SWR1: Haben Sie schon mal erlebt, dass jemand vom Hundephobiker zum Hundeliebhaber wurde?

Rusche-Hecker: Ja, mehrfach. Und wirklich so, dass die Klienten das selbst nicht fassen konnten. Meine allererste Klientin wollte sich direkt im Anschluss einen Schäferhund holen. Da hab ich sie noch stoppen können. Ich habe gesagt, mach das bitte nicht. Bei ihr war das so schlimm, dass sie sich überhaupt nicht irgendwo in der Natur hinsetzen konnte, weil sie so Angst hatte, dass ein Hund kommen könnte.

SWR1: Haben Sie es auch schon erlebt, dass sie jemandem nicht helfen konnten?

Rusche-Hecker: Nein, habe ich noch nicht erlebt.

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