Wissenschaftlerinnen veröffentlichen während der Corona-Krise weniger als ihre männlichen Kollegen. Das Fachmagazin Nature berichtet über mehrere Studien, die zu diesem Schluss kommen.
Megan Frederickson von der University of Toronto, zum Beispiel, überprüfte wissenschaftliche Veröffentlichungen auf sogenannten Preprint-Servern auf die Geschlechterverteilung der Autoren. Auf solchen Servern können Wissenschaftler ihre Ergebnisse veröffentlichen, bevor sie von einer Fachzeitschrift publiziert werden. Auf einem dieser Server fand Frederickson heraus, dass zwar Veröffentlichungen von Männern und Frauen im Gegensatz zum Vorjahr zunahmen, bei Männern allerdings um fast 6,5 Prozent während es bei Frauen nur knapp 3 Prozent waren.
Eine internationale Studie untersuchte die Geschlechterverteilung der Autoren von Veröffentlichungen, die sich speziell mit Covid-19 befassen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass der Anteil der Autorinnen um 16 Prozent niedriger ist als der Durchschnitt der letzten Jahre.
Weiblicher Nachwuchs bleibt auf der Strecke
Dieser Effekt betrifft hauptsächlich Erstautorinnen, das heißt Wissenschaftlerinnen, deren Name in der Veröffentlichung als erster genannt wird. In der Regel stehen Erstautoren eher noch am Anfang ihrer wissenschaftlichen Karriere. So könnte dieser Covid-19-Effekt nachhaltige Auswirkungen auf den Frauenanteil in der Wissenschaft haben, denn gerade jetzt können junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Veröffentlichungen über Covid-19 auf sich aufmerksam machen. Langfristig kann das bedeuten, dass der Anteil der männlichen Wissenschaftler in Führungspositionen an Universitäten und Forschungsinstituten wieder steigt.
Die Gründe für diese Effekte sind leider nur zu erwartbar: Gerade in schwierigen Situationen sind es häufiger Frauen, die Kinderbetreuung und Hausarbeit übernehmen und dabei ihre Karriere hinten anstellen. Außerdem haben männliche Wissenschaftler häufiger einen Partner, der nicht arbeitet und sich um den Haushalt kümmert, während Wissenschaftlerinnen oft einen Partner haben, der ebenfalls Akademiker ist. Und auch schon in Zeiten vor Corona haben Frauen in solchen Doppel-Akademiker-Haushalten mehr Hausarbeit und Kinderbetreuung übernommen.
Unterschiedlicher Arbeitsalltag beeinflusst Publikationen
Aber auch der Arbeitsalltag von Akademikerinnen ist oft stärker von der Krise betroffen. Frauen in der Wissenschaft sind in der Regel stärker mit der Lehre beschäftigt als ihre männlichen Kollegen. Während der Krise nimmt die Arbeit von Lehrkräften eher zu, da Online-Kurse organsiert und Lehrpläne angepasst werden müssen. Auch die Kommunikation mit Kursteilnehmern nimmt mehr Zeit in Anspruch.
Männer hingegen sind in Führungspositionen stärker vertreten als Frauen und treffen so mehr organisatorische Entscheidungen, zum Beispiel über Budgets und die Besetzung freier Stellen. Und gerade diese Arbeit nimmt eher ab, solange Institutionen geschlossen bleiben. So haben Männer im Schnitt mehr Zeit, um an ihren Veröffentlichungen zu arbeiten.
Noch ist unklar wie stark sich diese Effekte auch auf die Zeit nach der Pandemie auswirken werden, aber sicher ist: Auch die Gleichstellung der Geschlechter leidet unter der Krise.