Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik: Nur ein Drittel der Erstsemester in den sogenannten MINT-Fächern sind Frauen. Und auch hier unterscheidet sich die Verteilung je nach Fach stark. Der höchste Frauenanteil lag 2021 im Fach Innenarchitektur mit 88,2 Prozent, der niedrigste in Stahlbau mit lediglich 2,2 Prozent.
Wie fühlt man sich als Forscherin in einem von Männern dominierten Feld? Wie können Frauen in der Wissenschaft besser gefördert werden? Die Erfahrung, als Frau in der Unterzahl zu sein, hat auch die Tropfenforscherin Anne Geppert gemacht.
Besonders wenige Frauen in MINT-Fächern
Dies hat sie allerdings nicht nur als Nachteil erfahren. Die Studentinnen seien den Lehrenden eher im Gedächtnis geblieben, seien mehr aufgefallen.
An ihrem Institut habe sich die Situation in den letzten Jahren verbessert. Der Frauenanteil sei für ein Ingenierusstudium relativ hoch und es konnten zuletzt zwei neue Professorinnen gewonnen werden. Der Anteil an Professorinnen liege in ihrer Fakultät nun bei 14 Prozent. Damit sind Frauen zwar weiterhin unterrepräsentiert, doch es gebe erstklassige, weibliche Vorbilder für alle Studierenden, Promovierenden und auch Postdoktorandinnen, erklärt die Tropfenforscherin.
Geeignete Vorbilder seien laut Geppert sehr wichtig:
2021 mehr Studienanfängerinnen als -anfänger
Mittlerweile haben Frauen in vielen Fächern aufgeholt. 2021 lag der Frauenanteil unter allen Studierenden im ersten Hochschulsemester bei 52,4 Prozent – also höher als der Anteil männlicher Studienanfänger. Doch dieses Verhältnis gerät stark ins Wanken, je nachdem welche Fächergruppen betrachtet werden.
Ein Beispiel sind die fünf beliebtesten Bachelor-Studiengänge nach Geschlecht: Während BWL und Jura bei Frauen und Männern ähnlich beliebt sind, unterscheiden sich die restlichen Plätze stark. Frauen wählen ein Studium der Medizin, der Germanistik oder der Pädagogik, Männer hingegen belegen die Fächer Maschinenbau, Informatik oder Elektrotechnik.
Frauen besser ermutigen und fördern
Geppert selbst sei bereits in der Schule von den Lehrkräften ermutigt wurden, ihrem Interesse an Mathematik und Physik nachzugehen. Das müsse es laut der Forscherin viel öfter geben. Eine Methode ist der Girls'Day. So könne man den Mädchen schon frühzeitig aufzeigen, was es für Berufe in den MINT-Fächern gibt. Sie können hautnah erleben, was Forschen bedeutet und Fragen stellen. Eine Erfahrung, die Geppert selbst gemacht hat.
Auch beim SWR gibt es die Möglichkeit, am Girls'Day 2023 teilzunehmen:
Förderprogramme an Unis ausbauen
Auch Universitäten bieten Fördermöglichkeiten, um Frauen im Studium zu unterstützen. Anne Geppert sieht darin viele Vorteile, auch an ihrer Uni in Stuttgart gibt es solche Programme. „Sie unterstützen einen bei der eigenen Karriere-Planung“, sagt die Forscherin.
Ein weiteres Beispiel ist das „Ada-Lovelace-Projekt“ in Trier. Es soll bei jungen Mädchen und Frauen Begeisterung für Naturwissenschaften und Technik wecken. Die Namensgeberin des Projekts gilt als Pionierin der Informatik, da sie das weltweit erste Computerprogramm geschrieben hat – und das bereits ein ganzes Jahrhundert vor der Entwicklung des ersten funktionsfähigen Computers.
Mehr Sichtbarkeit schaffen
Die Sichtbarkeit und Anerkennung der wissenschaftlichen Leistungen von Frauen spielt im Zuge der Gleichstellung eine große Rolle. In einer Empfehlung der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina heißt es unter anderem, dass angesehene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gezielt qualifizierte Frauen für Preise und Akademien vorschlagen, sie häufiger zitieren und rezensieren und sie in jeder anderen Weise aktiv unterstützen sollten. Denn: Beispielsweise der Frauenanteil beim Nobelpreis für Physik liegt nur bei 1,8 Prozent, beim Chemie-Nobelpreis bei 4,2 Prozent und in Medizin bei 5,3 Prozent.
Die Nationale Akademie der Wissenschaften betont wie Geppert auch die Bedeutung von nationalen wie internationalen Netzwerken, die Frauen stärken. Und schreibt zum Beispiel, dass Partnerschaften, in denen beide die familiäre Care-Arbeit übernehmen und Karrieren wechselseitig fördern, in ihrem Vorbildcharakter sichtbar werden sollten. Obwohl inzwischen viele Frauen berufstätig sind und Mütter meist in Teilzeit zur Arbeit zurückkehren, wenden sie mehr als doppelt so viel Zeit für unbezahlte Care-Arbeit auf wie Männer – also für all die Tätigkeiten rund um Haushalt, Kinder, Pflege und Logistik:
Die Hausfrau – Was Care-Arbeit mit Kapitalismus zu tun hat
Und auch an einer anderen Stellschraube in der Forschung muss gedreht werden: Frauen sind in Forschungsstudien oft unterrepräsentiert. Das heißt, dass weniger Frauen in Studien berücksichtigt werden als Männer. Dann fehlen beispielsweise wichtige Daten über Krankheitsverläufe bei Frauen. Es entsteht ein sogenanntes Gender Data Gap.
Bedarf in MINT-Fächern hoch
Die Zahl an Studienanfängerinnen und -anfänger ist insgesamt seit 2019 rückläufig und auch in den MINT-Fächern deutlich gesunken. Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge fehlen bereits jetzt rund 140.000 Expertinnen oder Experten in akademischen MINT-Berufen, wie die Tagesschau berichtete. Es besteht also in jedem Fall Bedarf, Frauen wie Männer für diese Fächer zu begeistern.