Ada Lovelace und die Difference Engine
Im Jahr 1833 ist Ada Lovelace 17 Jahre alt, als sie das Geräusch der Difference Engine zum ersten Mal hört und die Maschine in Aktion sieht. Eine ihrer Lehrerinnen hat Lovelace dem Erfinder der Maschine Charles Babbage vorgestellt.
Die Difference Engine ist eine mechanische Rechenmaschine zur Auswertung sogenannter Polynomfunktionen. Mit diesen Funktionen können komplexe Dinge analysiert werden, wie der Verlauf von Kurven, die Geschwindigkeit eines Objekts oder der Fluss von Flüssigkeiten.
Lovelace ist von der Rechenmaschine fasziniert und besucht den Erfinder Babbage so oft sie kann. Später unterstützt sie Babbage dann bei der Entwicklung der Analytical Engine – die allerdings nie gebaut werden konnte.
Difference Engine und Analytical Engine
Im Gegensatz zur Difference Engine, die für einen sehr speziellen Einsatzzweck entwickelt wurde, war die Analytical Engine als allgemeine Rechenmaschine gedacht. Sie hätte die vier Grund- und weitere Rechenarten beherrscht. Jedoch schien Babbage das gesamte Potential seiner Entwicklung nicht verstanden zu haben.
Er reihte zwar bereits einige einfache Befehle aneinander, die die Maschine hätte ausführen können – in etwa so, als würden wir heute einen modernen Computer nur als Taschenrechner benutzen. Doch Ada Lovelace erkannte in der Maschine mehr. Deutlich wird das vor allem in den Anmerkungen, die sie zu einer Beschreibung der Maschine verfasste. Diese Anmerkungen waren am Ende länger als der Text selbst.
Lovelace erkennt großes Potential in der Maschine
In der letzten Anmerkung, der Note G, beschreibt sie einen Algorithmus, der eine bestimmte Zahl aus der sogenannten Bernoulli-Reihe ermitteln soll. Mit diesen Zahlen können verschiedene Berechnungen in der Mathematik und Physik durchgeführt werden. Mit Schleifen und Verzweigungen ist Ada Lovelace‘ Algorithmus mit heutigen Computerprogrammen vergleichbar – und damit das erste seiner Art. Etwa ein Jahrhundert bevor es eine Maschine gab, die ein solches Programm hätte ausführen können.
Laut der Medien- und Wissenschaftshistorikerin Antonia von Schöning würden diese Anmerkungen faszinierende Überlegungen und weitsichtige Idee beinhalten, wozu die Maschine noch in der Lage sein könnte. Außerdem hätte Lovelace in dieser Maschine das Potential als Computer erkannt, was Babbage sich ursprünglich vorgestellt habe.
Einige Fragen noch heute relevant
Nicht nur Zahlen könne so ein Computer verarbeiten, glaubte Lovelace. Auch Wörter, Bilder und Musik, sagte sie voraus – dass Computer selbstständig denken könnten, glaubte sie allerdings nicht.
Lovelace kann sich aber durchaus vorstellen, dass Computer unser Denken beeinflussen können, indem sie unterstützen, assistieren.
Antonia von Schöning interpretiert das als ein Plädoyer für einen aufgeklärten Umgang mit Technologie. Und findet, dass diese Gedanken heute auch mit Blick auf die gegenwärtige Macht großer Sprachmodelle wie GPT-3 eine ganz besondere Relevanz und auch Brisanz haben.
Lovelace: Mathematik als „poetische Wissenschaft“
Ada Lovelace sah in der Mathematik eine Poesie, sprach von poetischer Wissenschaft. Dabei versuchte ihre Mutter eigentlich eine solche romantische Ader in ihr zu unterdrücken, in dem sie Lovelace streng erzog und wissenschaftlich ausbilden ließ.
Der Grund dafür: Ada Lovelace‘ Vater, der Dichter Lord Byron, verließ die Familie als sie sechs Wochen alt war. Nichts von ihm – und ganz bestimmt nicht die kreative Seite – sollte in Ada weiterleben, befand die Mutter. Wie genau Lovelace über ihren Vater dachte, ist nicht überliefert. Dass sie sich aber mit ihm befasst hat, ist klar.
Rolle als Pionierin der Computerwissenschaft
Ada Lovelace starb am 27. November 1852 mit nur 36 Jahren an einer Gebärmutterhalskrebserkrankung – fast 90 Jahre bevor Konrad Zuse den ersten funktionsfähigen Computer vorstellte. Ihre Sonderrolle als Frau in den Computerwissenschaften hat Lovelace bis heute nicht verloren, sagt Antonia von Schöning.
Dabei bleibt ihr Beitrag zu den Computerwissenschaften bis heute relevant. Neben dem eigentlichen Potential von Computern beschäftigte sie sich auch damit, wie wir solche Maschinen nutzen sollten und sogar damit, ob eine Maschine denken kann – diese Fragen sind heute aktueller denn je, in einer Zeit, in der eine revolutionäre KI die nächste jagt.
In den Computerwissenschaften ist Lovelace Rolle als Pionierin der Computerwissenschaften eher weniger bekannt. Laut von Schöning komme sie interessanterweise in den Selbstbeschreibungen oder dem Selbstverständnis der Tech-Industrie eigentlich gar nicht vor und spiele keine Rolle. Heute würde sie eher als Namensgeberin für Mentorinnenprogramme, für weiblichen Nachwuchs in den Naturwissenschaften fungieren und eine Programmiersprache ist nach ihr benannt worden. Aber dabei ginge es eigentlich wenig um die Beschäftigung mit ihrem Denken und ihrer wissenschaftlichen Arbeit – dabei lohne sich das eigentlich sehr.