Frühwarnsystem für Infektionsgeschehen

So lässt sich Corona im Abwasser nachweisen

Stand
Autor/in
Ulrike TIll
Onlinefassung
Ralf Kölbel

Schon früh in der Pandemie hat sich gezeigt, dass sich Corona auch im Abwasser nachweisen lässt – ein ideales Frühwarnsystem. In Rheinland-Pfalz soll das Abwasser-Monitoring ab Oktober zum Einsatz kommen.

In vielen Ländern Europas ist ein solches Abwasser-Monitoring auf Coronaviren längst Standard, Deutschland hinkt hinterher. Das sollte sich endlich ändern, forderte bereits Anfang Juli der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdiensts. Die Amtsärzte kritisierten, dass bisher nur wenige deutsche Städte ihr Abwasser auf Coronaviren untersuchen.

In Rheinland-Pfalz sollen nun von Oktober vierzehn Kläranlagen in das Abwasser-Monitoring eingebunden werden. Dafür investiert das Land rund eine halbe Millionen Euro. Zweimal pro Woche sollen die entnommenen Proben dann auf Coronaviren untersucht werden. Doch was bringt die Methode überhaupt?

Coronaviren werden auch über den Darm ausgeschieden

SARS CoV2 sitzt zwar erstmal im Rachen und in der Nase und wandert später Richtung Lunge. Kleine Stückchen des Virus finden sich aber auch im Darm. Von dort gelangen sie ins Abwasser. Ansteckend sind diese Viruspartikel dann zum Glück nicht mehr. Aber sie lassen sich mit speziellen PCR-Tests nachweisen. Und zwar so früh, dass die infizierten Personen oft noch nicht mal wissen, dass sie sich angesteckt haben.

Über den Mund- und Rachenraum gelangen Coronaviren auch in den Darm. Ausgeschiedene Virenbestandteile lassen sich schließlich im Abwasser nachweisen.
Über den Mund- und Rachenraum gelangen Coronaviren auch in den Darm. Ausgeschiedene Virenbestandteile lassen sich schließlich im Abwasser nachweisen.

Abwasser-Monitoring ist oft schneller und aussagekräftiger als die Inzidenz

Das ist ein entscheidender Vorteil: Mit Abwassermonitoring lassen sich Corona-Wellen erkennen, bevor die offiziellen Meldezahlen steigen. Außerdem sind die Werte sehr viel realistischer als die Inzidenz. Viele Infizierte machen gar keinen PCR Test mehr und tauchen dadurch in der Statistik auch nicht auf.

Diese erhebliche Dunkelziffer können Analysen im Klärwerk aufdecken. In Köln zum Beispiel lag die offizielle Inzidenz Anfang Juli 2022 bei 800, laut Abwasser war sie aber fast doppelt so hoch. Im Prinzip kann man sogar erkennen, in welchem Stadtbezirk sich die nächste Welle aufbaut. So konnte ein großer Ausbruch im Berchtesgadener Land vor einer Weile auf ein illegales Straßenfest zurückgeführt werden.

Das aktuelle Infektionsgeschehen lässt sich auch recht gut an der Konzentration von Coronaviren im Abwasser beurteilen.
Das aktuelle Infektionsgeschehen lässt sich auch recht gut an der Konzentration von Coronaviren im Abwasser beurteilen.

Auch neue Varianten können zuverlässig entdeckt werden

Ein weiterer Pluspunkt der Kloakentests: Sie können auch neue Varianten frühzeitig entdecken. Ein rasanter Anstieg fällt viel schneller auf als bei gelegentlichen Stichproben in den Laboren. Bei Abwassertests in Hessen etwa dominierten die Varianten BA4 und BA5 schon Anfang Juni – die Variantentests des Robert Koch-Instituts zeigten die Vorherrschaft erst vier Wochen später an.

Pilotprojekt für Abwassermonitoring

Zu den Vorreitern des Abwassermonitorings gehört die Stadt Karlsruhe, hier laufen die Analysen schon seit rund einheinhalb Jahren. 20 weitere deutsche Städte beteiligen sich an einem Pilotprojekt der EU, unter anderem Stuttgart, Tübingen und Neustadt an der Weinstraße.

Die Testreihen sollen bis zum kommenden Frühjahr laufen, dann wird entschieden, ob Deutschland flächendeckend das Abwasser untersuchen lässt. Viele unserer Nachbarländer sind da längst weiter: In der Schweiz, Belgien, Österreich und den Niederlanden sind Coronachecks des Abwassers längst Standard.

In anderen Ländern ist Abwassermonitoring zur Beurteilung des Infektionsgeschehens bereits etabliert.
In anderen Ländern ist Abwassermonitoring zur Beurteilung des Infektionsgeschehens bereits etabliert.

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