Wie schön wäre es, wenn man einfach eine Liste hätte: Diese Corona-Maßnahme hat etwas gebracht, diese nicht und folgende Schritte sind sinnvoll im kommenden Herbst. Vor allem die FDP hatte darauf gedrängt, den jetzt veröffentlichten Bericht des Sachverständigenausschusses abzuwarten, bevor Maßnahmen für den Herbst beschlossen werden könnten. Doch wer mit solchen Erwartungen auf den Bericht gewartet hat, dürfte nun enttäuscht worden sein.
Der Bericht enttäuscht auf ganzer Linie
Die Experten des Sachverständigenausschusses kommen zu dem Schluss: Lockdowns waren schon sinnvoll, aber vor allem am Anfang der Pandemie. Die Zugangsbeschränkungen hatten je nach Impfstatus einen Effekt, aber mit den neuen Virusvarianten haben sich die Karten neu gemischt. Masken in Innenräumen bringen was, aber nur wenn man sie richtig trägt. Ob Schulschließungen sinnvoll waren, kann man nicht sagen. Insgesamt war wohl nicht alles, was die Regierung gemacht hat, schlecht, aber es ist eben kompliziert.
Insgesamt zeigt der Bericht aber vor allem, was man noch nicht so genau weiß. Eine klare Aussage über die getroffenen Maßnahmen und ihren Sinn gibt es nicht– wie auch, wenn Daten fehlen und die Dynamik der Pandemie schwer vorherzusagen ist.
Geringe Aussagekraft des Berichts war absehbar
Das Ergebnis ist zwar ernüchternd, aber nicht überraschend: Die Mitglieder des Gremiums hatten sich schon in den letzten Wochen und Monaten darum bemüht, die Erwartungen herunterzuschrauben. Christian Drosten hatte den Ausschuss im April bereits verlassen – unter anderem, weil offensichtlich war, dass sie es niemals schaffen würden eine qualitativ hochwertige, wissenschaftlich stichhaltige Analyse zu erarbeiten.
Fragwürdige Zusammensetzung: Nur ein Epidemiologe hat mitgewirkt
Die Probleme beginnen bereits bei der Zusammensetzung des Gremiums. Von den 17 Mitgliedern sind sechs Juristen. Das sind mit Sicherheit alles hochkarätige, qualifizierte Menschen. Da es in dem Gremium auch um die Frage ging, wie das Infektionsschutzgesetz reformiert werden könnte, konnten sie sicher viel beitragen.
Aber bei der naturwissenschaftlichen Bewertung der Pandemie-Maßnahmen läge die wirkliche Expertise im Fachbereich der Epidemiologie. Epidemiologen gibt es im Sachverständigenausschuss genau einen. Hygieniker gibt es keine. Hilfreich sind wahrscheinlich noch die beiden Virologen, aber diese Zusammensetzung ist geradezu niedlich, wenn man sich die massive Aufgabenstellung des Gremiums vor Augen führt.
Die Einstufung der Maßnahmen gleicht einer Sisyphosarbeit
Die Mitglieder des Gremiums müssen aus der Flut an Studien die Wichtigsten aussuchen und bewerten. Damit wäre in der Kürze der Zeit wahrscheinlich sogar ein Gremium überfordert gewesen, das nur aus absoluten Fachleuten besteht. Denn oft gibt es die benötigten Daten schlicht nicht oder nur aus anderen Ländern, mit denen man Deutschland kaum vergleichen kann.
Darüber hinaus ist es sehr kompliziert, den Effekt von einzelnen Maßnahmen auseinander zu rechnen: Was hat mehr gebracht – Schulschließungen oder Homeoffice? Bei berufstätigen Eltern gehört beides oft zusammen.
Waren die Experten parteiisch?
Doch die Kritik an diesem von der Politik besetzten Gremium geht noch weiter: Wieso suchen die Parteien die Experten und Expertinnen aus, wenn es doch ihre Arbeit ist, die hier begutachtet wird? Und wie unabhängig können Fachleute sein, die sich in den letzten Jahren oft und auch kontrovers in der Öffentlichkeit geäußert haben?
Ein gutes Beispiel im Ausschuss ist der Virologe Hendrik Streeck. Der Vorsitzende des Sachverständigenausschusses Stefan Huster sagte vor einiger Zeit gegenüber der Süddeutschen Zeitung selbst: Viele seiner Ausschuss-Kollegen wollten nachträglich die von ihnen vertretene Position bestätigt sehen.