Zwei weibliche Phantome sollen auf dem Weg zum Mond kosmische Strahlung messen
Im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln werden zurzeit zwei weibliche Phantome vorbereitet, die 2020 mit dem NASA-Raumschiff Orion zum Mond fliegen sollen und die kosmische Strahlung auf verschiedene Körperteile messen werden.
Dieses Wissen ist nicht nur wichtig, um die Gefährdung von Astronautinnen und Astronauten einzuschätzen. Es hilft auch bei der Behandlung von Krebserkrankungen. Bei manchen Tumortherapien wird das betroffene Gewebe bestrahlt. Das passiert bisweilen mithilfe von Teilchenbeschleunigern. Ziel dieser Behandlung ist es, diesen Moment, wenn die Teilchen beinahe stoppen und all ihre verbliebene Energie abgeben, mitten im Krebsgewebe geschehen zu lassen, um die Tumorzellen zu zerstören und das benachbarte gesunde Gewebe zu schonen.
Die kosmische Strahlung gehört zu den unsichtbaren Größen im All
Sie besteht vor allem aus einzelnen Protonen und aus Atomkernen von Helium und von schwereren Elementen wie Kohlenstoff und Eisen. An sich sind das Teilchen, die auch auf der Erde vorkommen, nur dass die kosmischen Exemplare eine weitaus höhere Energie haben. Aber auf diese Energie müssen sie erst einmal kommen.
Aus allen Richtungen des Weltalls prasseln Teilchen der kosmischen Strahlung auf die Erde ein
Ihre Energie ist unvorstellbar hoch. Doch wir bemerken sie nicht. Warum das so ist, erklärt der Heidelberger Physiker Werner Hofmann:
Unser Körper besteht aus Atomen, und um diese Atome fliegen Elektronen rum. Und die Bahnen, auf denen die Elektronen rumfliegen, die sind tausendmal größer als der Durchmesser des Atomkerns. Da kann ein weiterer Atomkern durchfliegen, ohne dass etwas passiert. Möglicherweise bringt er ein paar Elektronen durcheinander. Aber unser Körper ist darauf eingerichtet, das zu reparieren. Und die Strahlendosen, die Sie hier auf der Erde abkriegen, eben durch die kosmische Strahlung, die sind so harmlos, das merken Sie nicht.
Jede Sekunde wird unser Körper von mehreren Teilchen der kosmischen Strahlung getroffen
Dennoch ist die Strahlendosis am Erdboden sehr gering. Menschen und Tiere können sie gut aushalten und haben sich in den Jahrmillionen der Evolution auf sie eingestellt.
Weiter oben in der Atmosphäre jedoch wird die kosmische Strahlung immer stärker und somit zum Gesundheitsrisiko. Darum sind die Flugzeiten von Piloten und Bordpersonal beschränkt, und darum wird von Flugreisen während der Schwangerschaft abgeraten. Am meisten sind Astronauten der kosmischen Strahlung ausgesetzt, denn sie fliegen außerhalb der schützenden Atmosphäre.
Christine Hellweg ist Leiterin der Abteilung für Strahlenbiologie am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln und untersucht, wie sich die kosmische Strahlung auf Lebewesen im All auswirkt.
Im All ist die kosmische Strahlung deutlich gefährlicher
Raumanzüge, die Verkleidung der Raumstation, spezielle Strahlenschutzräume, das alles soll die Astronauten vor der gefährlichen Strahlung im All schützen.
Doch das ist gar nicht so einfach, denn gerade die Teilchen der kosmischen Strahlung verhalten sich recht seltsam, wenn es um das Abgeben von Energie geht:
Hinter der Abschirmung haben wir oft eine höhere Dosis als davor, weil diese Teilchen, wenn sie durch Materie durchgehen, am Anfang immer relativ kontinuierlich Energie abgeben. Und das steigert sich immer mehr, und dann stoppen sie, und kurz bevor sie stoppen, geben sie alles, was sie an Restenergie haben, noch ab. So entstehen dann die typischen Strahlenschäden. Ionisierte Teilchen, die auf Körperzellen treffen, können dann die komplette Zelle zerstören, aber auch bestimmte Ausschnitte der DNA schädigen. Die Folge können Mutationen sein. Auch Augenlinsentrübungen sind möglich. Untersucht wird zudem, ob die Schwerionen aus der kosmischen Strahlung das Gehirn schädigen. Experimente mit Nagetieren an Teilchenbeschleunigern haben gezeigt, dass ihr Gedächtnis nachlässt und sie depressiv werden können, wenn man sie einer für den Weltraum typischen Dosis Schwerionen aussetzt.
Die Gefahr durch Teilchen im All hält Strahlenbiologin Hellweg aber grundsätzlich für vertretbar – selbst für Reisende, die lange im All bleiben.
Die Reise zum Mars ist, denke ich, grundsätzlich möglich, und die Strahlungsrisiken für den Mars sind, was Krebsrisiko ist, sicherlich für die Astronauten akzeptabel, also das könnte bis zehn Prozent sein.
Den Ursachen der kosmischen Strahlung auf der Spur
In Heidelberg, am Max-Planck-Institut für Kernphysik, wollen Werner Hofmann und sein Team der Abteilung "Teilchenphysik und Hochenergie-Astrophysik" den Ursachen der kosmischen Strahlung auf die Schliche kommen.
Schließlich müssen diese Teilchen ja irgendwie beschleunigt werden. Als Ursache kommen nur wenige Objekte infrage: Supernovae beispielsweise, also explodierende Sterne. Und schwarze Löcher, sprich die vergleichsweise kleinen, aber extrem massereichen Überbleibsel eines explodierten Sterns.
Die sind dann hochionisiert und wandern mit vielen Tausend Kilometern pro Sekunde durch den interstellaren Raum. Und wenn diese Stoßwelle über irgendein geladenes Teilchen drüberläuft, dann kriegt das einen kleinen Schubs, gewinnt ein bisschen Energie, ist dann vielleicht wieder vor der Stoßwelle, wird noch ein zweites Mal angeschubst und gewinnt jedes Mal ein kleines bisschen Energie. Und bei ganz wenigen Teilchen klappt das halt, dass sie zum Schluss eine sehr hohe Energie erreichen. Die sind dann relativ schnell auf nahezu Lichtgeschwindigkeit. Irgendwann entkommen sie natürlich auch aus diesem Beschleunigungsbereich und mäandern dann durchs Weltall und kommen dann vielleicht hier bei der Erde an.
Im Februar 1987 war von der Südhalbkugel aus ein extrem seltenes Spektakel zu beobachten: eine Supernova, die sich vor etwa 160.000 Jahren in der Großen Magellanschen Wolke ereignet hatte.
Mit bloßem Auge konnte man sehen, dass sogar ein riesiges Gebilde wie ein Stern vergänglich war. Wenn man den Modellrechnungen glaubt, dann ist diese Supernova 1987A in der Magellanschen Wolke jetzt eigentlich gerade so weit, dass sie richtig gut Teilchen beschleunigt. Das heißt, allmählich, also über 30 Jahre später, sollte als Nachwirkung dieser Supernova kosmische Strahlung entstehen.
Woher die kosmischen Teilchen stammen, ist schwer nachzuweisen
Allerdings werden wir nie wissen, ob ein kosmisches Teilchen, das bei uns auf der Erde ankommt, genau aus dieser Supernova stammt. Denn diese Teilchen sind elektrisch geladen. Im Weltall wiederum gibt es unzählige Magnetfelder, und die lenken die geladenen Teilchen ab und schicken sie auf Irrwege durch die Galaxie oder sogar über deren Grenzen hinaus. Die Teilchen der kosmischen Strahlung könnten hundert Jahre unterwegs gewesen sein oder auch Millionen von Jahren, wenn sie auf der Erde ankommen – und von überall herkommen.
Gammastrahlung hilft, die Hotspots der kosmischen Strahlung zu bestimmen
An diesem ungewissen Punkt kommt die Gammastrahlung ins Spiel, die Werner Hofmann und seine Kollegen erforschen. Gammastrahlung entsteht, wenn ein Teilchen der kosmischen Strahlung im Weltall auf ein Atom stößt. Von denen gibt es in den vermeintlich leeren Weiten des Weltalls durchaus einige.
Wenn ein solches beschleunigtes Teilchen so alle hunderttausend Jahre mal auf irgendein Gasatom trifft, dann entsteht dabei auch hochenergetische Gammastrahlung. Das Teilchen wird zum Gammaquant. Gammastrahlung ist wie sichtbares Licht, nur sehr viel höhere Energie eben pro Lichtquant. Und das bedeutet, die Gammaquanten verhalten sich auch wie Licht. Im All bewegen sie sich also geradeaus und lassen sich nicht von Magnetfeldern ablenken.
Wenn ein solcher Gammaquant in die Atmosphäre eintritt, kollidiert er mit den dortigen Atomen. Aus der Energie, die er dabei abgibt, entstehen neue Teilchen, die weiter mit den Teilchen der Luft kollidieren und regelrecht einen Teilchenschauer bilden.
Außerdem entsteht ein blaues Licht, das Tscherenkow-Licht, das den Forschern die Ankunft des Gammaquanten verrät. Mit bloßem Auge ist es nicht zu sehen. Doch spezielle Teleskope suchen mithilfe dieses blauen Lichts nach den Quellen kosmischer Strahlung. Astro-Physiker berechnen dann anhand der Lichtspur die Flugbahn und somit auch die Ursprungsregion des Gammaquanten: den Ort, wo ein Teilchen der kosmischen Strahlung im All mit einem anderen Teilchen kollidierte. Dann gibt es einen Punkt auf der Sternenkarte. Und da, wo sich die Punkte häufen, da sitzt ein kosmischer Teilchenbeschleuniger.
Kosmische Teilchenbeschleuniger häufen sich im Sternbild Schütze
Viele solcher Punkte sind im Laufe der Zeit im Sternbild Schütze entstanden. In dieser Richtung liegt von der Erde aus gesehen das Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße. Dort befindet sich ein schwarzes Loch, eines, das sich laut Werner Hofmann im Vergleich zu anderen schwarzen Löchern im Zentrum einer Galaxie sehr ruhig verhält und darum relativ wenig kosmische Strahlung erzeugt. Auch in der Großen Magellanschen Wolke gibt es einige Hotspots für kosmische Strahlung.
Allerdings noch nicht dort, wo einst die Supernova 1987A explodierte. Dort warten die Physiker noch auf das Entstehen der kosmischen Strahlung. Sie warten auf Gammaquanten in der Erdatmosphäre, deren blauer Lichtschweif in Richtung dieser Supernova weist.
Produktion 2019