Bier und Wein sind in unserer Gesellschaft fest verankert – und zwar schon seit der Steinzeit. Die Entstehung des Weinanbaus in Europa geht auf die Kaukasusregion im heutigen Georgien zurück. Wilde Weinreben haben sich dort während der letzten Eiszeit nachweisbar ausgebreitet. An Keramikscherben konnte bei Ausgrabungen Weinstein nachgewiesen werden. Der Beweis, dass sich in den Gefäßen einst Wein befunden haben muss – vor etwa 8.000 Jahren.
Auch wenn vergorene Früchte mutmaßlich von den Menschen bereits vorher gegessen wurden: Für den kultivierten Weinanbau brauchte es wasserdichte Gefäße, in denen der Fruchtsaft der Trauben fermentieren kann. Und es brauchte Zeit. Deswegen begann der Mensch wahrscheinlich erst mit der Sesshaftwerdung, wirklich bewusst Fruchtsäfte vergären zu lassen und auch Früchte, speziell Weintrauben, anzubauen.
Mit der Zeit wurde Wein an vielen verschiedenen Orten in Europa angebaut und konsumiert. Es entwickelten sich eigene Trinkkulturen, beispielsweise bei den alten Griechen. Dort gab es das griechische Symposium, ein abendliches Treffen, bei denen sich die Menschen über tagesaktuelle Ereignisse austauschten, gemeinsam diskutierten und philosophierten – und auch Wein tranken. So gab es sogar richtige Trinkspiele, wie das Kottabos-Spiel. Dabei mussten die Symposiasten, vom Sofa aus liegend, die Neige – also den letzten Schluck Wein – durch Schleudern der Trinkschale in ein Ziel treffen.
Das Römische Reich hatte ebenfalls eine florierende Weinwirtschaft. Die römischen Legionäre konnten und wollten nicht auf ihren geliebten Wein verzichten, als sie sich gen Norden aufmachten, um ihr Reich zu vergrößern. So pflanzten sie vor rund 2.000 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands die ersten Weinreben. Über die Jahrhunderte entstanden die Kulturlandschaften wie wir sie etwa aus Rheinhessen, an der Ahr, in Württemberg, in Franken, Sachsen oder Baden kennen.
Hat uns das Bier sesshaft gemacht?
Das Bier ist in Deutschland sogar noch weiter verbreitet – schließlich benötigt es hierfür keine klimatischen Bedingungen wie beim Wein, die weite Teile des Landes (noch) nicht bieten können. Nach Angaben des Deutschen Brauer-Bunds werden in etwa 1.500 Brauereien bundesweit mehr als 7.500 verschiedenen Biere gebraut.
Anders als beim Wein entsteht Bier nicht einfach durch die Gärung eines Obsts. Bier muss gebraut werden. Und dennoch reicht auch hier die Geschichte des Getränks bis in die Steinzeit zurück. In der heutigen Osttürkei gibt es den Fundplatz Göbekli Tepe, wo Forscherinnen und Forscher große Steintröge gefunden haben. In diesen Steintrögen konnte Oxalat nachgewiesen werden – umgangssprachlich auch Bierstein genannt. Ein Indiz, dass die Menschen damals womöglich bereits Bier gebraut haben.
Möglicherweise ist das Bier sogar der Grund für eine der wichtigsten Veränderungen in der Menschheitsgeschichte: die neolithische Revolution. Das behauptet zumindest der britische Wissenschaftsjournalist Mark Forsyth. Denn mit der Sesshaftwerdung der Menschen konnte eine der Hauptzutaten des Bieres angebaut und verarbeitet werden: das Getreide. Die Menschen seien sesshaft geworden und hätten Siedlungen gebaut – icht um Brot backen zu können, sondern um Bier zu brauen, schreibt Forsyth. So absurd wie auf den ersten Blick ist die These nicht. Der ursprüngliche Bier-Brei war ähnlich nahrhaft wie Brot, aber deutlich einfacher herzustellen.
Das Bier ist in der Geschichte der Menschen allgegenwärtig. Ägypter, Römer, Griechen – sie alle brauten und tranken es. Nicht unbedingt, weil sich die Menschen daran berauschten, sondern weil es durch den Alkohol länger haltbar war als Wasser.
Das Reinheitsgebot in Deutschland
Erste Hinweise auf Bier im heutigen Deutschland sind einige Tausend Jahre älter als unsere Zeitrechnung. In einer jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlung in Hornstaad am Bodensee wurde ein kleiner Brocken gefunden, bei dem sich gemälzte Gerste nachweisen ließ. Diese gemälzte Gerste ist ein Hinweis dafür, dass es das älteste Bier Baden-Württembergs gewesen sein könnte – um 4.000 vor Christus.
Seitdem hat Bier eine lange Geschichte in Deutschland. Im Mittelalter wurde es vor allem in Klöstern gebraut, davon zeugen heute noch einige Brauereien, vor allem in Bayern, mit Namen wie Augustiner, Benediktiner oder Paulaner. Und zur langen Geschichte des Bieres in Deutschland gehört natürlich auch das Reinheitsgebot.
Der bayerische Herzog Wilhelm IV. war ein großer Freund des reinen Bieres. Der Regent wollte sich und seine Untertanen vor Panschereien und gefährlichen Zutaten schützen und für alle Bürger die Bierversorgung sichern. Denn bevor das Reinheitsgebot eingeführt wurde, war der Genuss eines Bieres nicht immer ganz ungefährlich. Obwohl es im Mittelalter als Grundnahrungsmittel galt, gab es keine einheitliche Rezeptur. So kam es, dass zum Beispiel auch Tollkirsche oder Fliegenpilz ins Bier gemischt wurden. Schwere, manchmal sogar lebensgefährliche Vergiftungen waren die Folge.
Deshalb sollte für kein Bier mehr als nur Gerste, Hopfen und Wasser verwendet werden. Dieses Rezept hat sich nach und nach in ganz Deutschland durchgesetzt und ist heute weltbekannt. Hefe kam erst später dazu, da zu Zeiten Wilhelms IV. noch wilde Hefen auf den Hopfendolden für die nötige Gärung sorgten, den Brauern aber unbekannt waren. Als man ihre Bedeutung erkannte, wurde die Hefe vierte Zutat im deutschen Reinheitsgebot. Seit mehr als 500 Jahren gilt es mittlerweile in Deutschland und ist sogar gesetzlich verankert.
Das Reinheitsgebot ist heutzutage aber auch ein großes Marketinginstrument. Denn ganz so streng, wie es auf den ersten Blick klingt, ist es gar nicht. Während des Brauprozesses dürfen mehr als 50 Hilfsstoffe wie Gelatine oder Kunststoffgranulat zugegeben werden – einzige Bedingung: Am Ende müssen diese wieder vollständig herausgefiltert und entfernt werden können. Auch Pestizidrückstände bei den Brauzutaten werden nicht näher beanstandet.
Für obergäriges Bier, also etwa Kölsch, Alt oder Weizen, ist die Regelung zudem etwas entspannter. Brauer dürfen hier zum Beispiel auch Weizenmalz verwenden. Strenggenommen entspricht das nicht mehr dem Reinheitsgebot. Gleiches gilt für Zuckerkulör zum Färben des Bieres.
Ein weiterer Kritikpunkt lautet, dass das Reinheitsgebot seinem Namen nicht gerecht werde, da es keinen Maßstab für die Reinheit festlegt, etwa was Pestizidrückstände angeht.
Keine Deklarierungspflicht beim Wein
In der Weinbranche schauen viele Hersteller trotzdem etwas neidisch auf die Brauereien. Denn Wein ist laut EU kein Lebens-, sondern ein Genussmittel. Deshalb müssen zum Beispiel Zusatzstoffe oder technische Hilfsmittel gar nicht deklariert werden. Das Einzige, was deklarierungspflichtig ist, sind Alkohol und Sulfite, also Schwefel. Jede Flasche, die einmal hygienisch sauber gemacht wird, enthält ein bisschen Schwefel. Daher ist in jedem Wein auch Schwefel. Was der Winzer jedoch sonst noch dazu gibt, also zum Beispiel welche Hefe oder wie viel Säure im Wein ist, erfährt der Konsument nicht. Auch nicht, dass viele Weine mithilfe von tierischen Produkten geklärt werden, etwa mit Gelatine, Milcheiweiß oder Schwimmblasen von Fischen. Immer mehr Weine werden allerdings als vegan deklariert, dann dürfen natürlich keine tierischen Produkte eingesetzt werden.
Die Begeisterung der Deutschen für Bier und Wein dämpft das alles kaum. Doch eins sollten die Konsumentinnen und Konsumenten beim Genuss eines oder mehrerer Gläser nicht vergessen: Ethanol, der Trinkalkohol, ist ein Gift. Langzeitschäden betreffen vor allem die Leber und das Nervensystem. Eine gesunde Menge, wie es häufig von Medien berichtet wird, gibt es nicht.