Seit 35 Jahren finanziert Erasmus Auslandsaufenthalte
Ein Erasmus-Semester in den Niederlanden, ein Jahr Uni in den USA oder sogar in Japan – für viele junge Menschen ist ein Auslandsaufenthalt sehr reizvoll: Mal in eine andere Kultur schnuppern, fremde Sprachen lernen, weltweit Kontakte knüpfen. Oft gehen sie mit Erasmus, um an einer ausländischen Hochschule zu studieren oder ein Praktikum zu absolvieren. Erasmus ist zwar nicht die einzige Auslandsförderung, aber eine der bekanntesten Möglichkeiten.
1987 hat die Europäische Union das Erasmus-Programm ins Leben gerufen. Neben Auslandsstudium und -praktika soll es auch Lehraufenthalte und Fortbildungen für Hochschulpersonal unterstützen. 450 Millionen Euro stellt der EU-Haushalt jedes Jahr dafür zur Verfügung. In Deutschland ist der Deutsche Akademische Austauschdienst, kurz DAAD, für das Programm zuständig.
Die Vorteile von Erasmus: keine Studiengebühren in anderen EU-Ländern und bis zu 500 Euro monatliche Förderung für ein Studium oder bis zu 700 Euro für ein Praktikum. Obendrein lässt sich ein Erasmus-Stipendium mit Auslands-BAföG kombinieren. Das reicht jedoch nicht immer aus, da die Lebenshaltungskosten im Ausland oft teurer sind. Deshalb sind viele trotz Förderung auf weitere Stipendien oder die finanzielle Hilfe der Eltern angewiesen. Das gilt besonders für Skandinavien oder Großbritannien.
Brexit: Internationale Studiengebühren höher – weniger Aufenthalte
Bis zum Brexit gehörte Großbritannien zu den beliebtesten Auslandszielen. Inzwischen ist das anders. Bisher zahlten EU-Studierende in Großbritannien die gleichen Studiengebühren wie Einheimische. Jetzt müssen sie internationale Gebühren entrichten. Die sind etwa dreimal so hoch und für viele Studierende nicht bezahlbar. Obendrein muss die britische Krankenversicherung selbst finanziert werden. Auch die Zahl der Praktika dort ist eingebrochen. Das hat vor allem mit aufenthaltsrechtlichen und Visagründen zu tun, erklärt Stefan Geifes, Direktor der Nationalen Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im DAAD.
Seit 2021 fördert Erasmus auch Auslandsaufenthalte weltweit, darunter fällt nun auch Großbritannien. Allerdings fließen aus dem Erasmus-Topf nur dann Gelder, wenn die Partnerhochschulen auf die Studiengebühren verzichten. Darüber verhandeln die deutschen Unis aktuell mit den britischen.
Deutsche Hochschulen sind beliebt bei "Internationals"
Teure Studiengebühren, wie in Großbritannien, gibt es in Deutschland nicht. Ein großer Pluspunkt für viele. Dazu renommierte Hochschulen, auch wenn die wenigsten die Top 200 der internationalen Rankings erreichen. Deutschland gehört zu den beliebtesten Studienorten für internationale Studierende; 14,1 Prozent der Studierenden an deutschen Hochschulen sind Internationals. Und: die Zahl ist in den letzten zehn Jahren beständig gestiegen, sogar in der Corona-Zeit. Viele deutsche Universitäten haben darauf reagiert und ihre Internationalisierung ausgebaut. Es werden zum Beispiel mehr Kurse auf Englisch angeboten, um gezielt ausländische Studierende anzuwerben.
Vorteil: Erasmus-Alumni haben höhere Jobchancen
Was aber bringt ein Auslandsstudium fürs spätere Berufsleben? Ein Aufenthalt im Ausland kann zur persönlichen Weiterentwicklung beitragen. Soziale Kompetenzen, Kommunikationsfähigkeit, Selbständigkeit, Problemlösefähigkeit, Offenheit für Neues – alles gefragte Softskills, die man während eines Auslandsaufenthaltes erwirbt. So sieht es Axel Plünnecke vom Institut der Deutschen Wirtschaft.
Das bestätigt auch eine Untersuchung des CHE Consult im Auftrag der EU-Kommission aus dem Jahr 2014: Erasmus-Alumni sind fünf Jahre nach dem Studienabschluss seltener arbeitslos.
Online-Auslandssemester fördert digitale Kompetenzen: Pluspunkt am Arbeitsmarkt
Corona hat viele Auslandsaufenthalte verkompliziert. Teilweise fanden Kurse komplett online statt – vom heimischen Schreibtisch aus. Aber auch ein gemeistertes Online-Semester zahlt sich bei der Jobsuche aus. Die dadurch erworbenen digitalen Fähigkeiten haben in der Arbeitswelt einen immer höheren Stellenwert – mehr noch als Fremdsprachenkenntnis und interkulturelles Wissen, betont auch Stefan Geifes:
Soziale Ungleichheit und Auslandsmobilität
Doch profitieren längst nicht alle gleichermaßen: Immer noch trauen sich eher Akademikerkinder einen Auslandsaufenthalt zu. Das liegt vor allem daran, dass Förderprogramme wie Erasmus meist nicht ausreichen, um das Studium zu finanzieren. So zeigt es auch die Studie Social Inclusion and Engagement in Mobility, die das Studierendennetzwerk Erasmus Student Network (ESN) 2020/2021 durchführen ließ: 43 Prozent der Studierenden aus einkommensschwachen Familien sorgen sich im Zusammenhang mit einem Auslandsaufenthalt um die Finanzen. Bei Studierenden aus besser verdienenden Familien waren das nur 34 Prozent.
London oder Ljubljana – gleiches Stipendium trotz unterschiedlicher Lebenshaltungskosten
Ungleichheit bei der Auslandsmobilität betrifft auch die unterschiedlichen Länder und Regionen, die bei Erasmus mitmachen. Die Zuschüsse im Erasmus-Programm werden aber kaum an die Lebenshaltungskosten angepasst. Höhere Auszahlungen fordert auch das European Social Networt, ESN. Nur so ließen sich alle Kosten wirklich decken und nur dann sei gewährleistet, dass Erasmus nicht nur für eine Elite Nutzen habe.