Auch das ist Europa

Liebe im Austausch-Semester: Zu Besuch bei zwei "Erasmus-Babys"

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Autor/in
Judith Hüwelmeier
Judith Hüwelmeier ist Reporterin für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.

Mit dem Erasmus-Programm kommen schon seit Jahrzehnten viele Studierende ins Ausland. Und verlieben sich dort. Auch in Tübingen lebt eine Erasmus-Familie.

Eigentlich wollte Anna Markovic, die Spanisch und Englisch an der Uni Tübingen studierte, Anfang der 2000er-Jahre ein Auslandsjahr in Argentinien machen. Wegen der Wirtschaftskrise entschied sie sich dagegen und landete stattdessen in Sevilla. Ein gutes Los, wie sich herausstellte, denn dort lernte sie ihren Partner Alejandro kennen.

Schwäbisch und Spanisch gemischt

In einer großen Pfanne braten Kartoffeln. Familie Cardosa Markovic wohnt in einer Tübinger Altstadtwohnung. Es gibt Tortilla, ein spanisches Kartoffelomelette. Alejandro und der siebenjährige Leo kochen, Tochter Dora deckt den Tisch, und Anna fühlt sich eher fürs Vesper zuständig. Schwäbische und spanische Traditionen gehen hier Hand in Hand. "Wir mischen das Beste aus beiden Kulturen", sagt Alejandro. Beide sprechen ihre Muttersprachen mit den Kindern. Familiensprache ist Spanisch.

Raus aus der Erasmus-Blase, rein ins spanische Leben

Kurz nachdem Anna 2002 in Sevilla ankommt, nimmt sich eine Nachbarin der jungen Studentin an. "Ihr war das nicht ganz geheuer, dass ich da alleine gewohnt habe", erinnert sich Anna. Die ältere Frau lädt sie zum Essen ein, und irgendwann ist auch Enkel Alejandro zu Besuch. Ein Kunststudent, der aus seiner WG ausziehen musste und jetzt bei der Oma wohnt. "Wir waren eigentlich sofort zusammen".

Anna ist schnell aus der Erasmus-Blase raus und mittendrin im sevillianischen Leben - mit Alejandro, dessen Freunden und der Familie. "Das war schon toll", sagt sie. Als sie im Oktober 2003 nach Tübingen zurückkehren muss, kommt Alejandro wenige Monate später mit nur einer Tasche hinterher. "Die Frage war: Wie groß ist deine Studentenwohnung?" sagt Anna und lacht. "Ich dachte: Na gut, dann probieren wir's mal".

Eigentlich habe ich meiner Mutter gesagt, dass ich höchstens drei Monate in Deutschland bleibe. Jetzt bin ich schon 21 Jahre hier.

Die Oma der Familie Cardosa Zea  Markovic auf dem Bildschirm eines Handys.
Fast täglich telefoniert Familie Cardosa Markovic über Facetime mit der Oma in Sevilla.

Zwei "Erasmus-Babys" in Tübingen

Der Anfang in Deutschland ist nicht ganz leicht, Alejandro spricht kein Deutsch. Eigentlich wollen sie nach Spanien zurück, aber dort ist mittlerweile Wirtschaftskrise. Alle, die sie dort kennen, seien arbeitslos gewesen, erzählt Anna. Also bleiben sie erstmal in Tübingen. Alejandro macht ein Fotostudio auf und sie bekommen zwei Kinder. Die EU schätzte die Zahl der sogenannten "Erasmus-Babys" 2014 auf rund eine Million. Die Zahl bezieht sich auf die Babys, die seit dem Programmstart 1987 geboren sind.

EU-Studie: Liebe im Ausland finden - Chancen stehen gut

Wer einen Auslandsaufenthalt macht, steigert einer Studie der Europäischen Union zufolge deutlich die Chance, einen Partner oder eine Partnerin aus einem anderen Land zu finden. Ein Drittel der befragten Studierenden gaben an, ihr Lebenspartner komme aus dem Ausland. 27 Prozent lernten ihren langfristigen Partner oder Partnerin im Rahmen des Erasmus-Aufenthalts kennen.

Alejandro Cardosa Zea und Anna Markovic, beide mittte 20 Jahre alt, auf einem Foto aus einem Fotoautomaten. Das Bild hängt an einer Kühlschranktür.
Fast ein Drittel der Erasmus-Studis verliebt sich im Erasmus-Austausch.

Erasmus: Hochschulen im Südwesten sind beliebt

Erasmus+ ist ein Förderprogramm, das Studierende ins europäische Ausland bringt. Baden-Württemberg ist laut dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) besonders beliebt bei Erasmus-Studenten. Rund 4.800 Studierende verbrachten 2022 ihren Aufenthalt an einer Hochschule im Südwesten, so viele wie in keinem anderen Bundesland. Vor allem unter Studierenden aus Spanien, Frankreich und Italien ist Baden-Württemberg laut DAAD beliebt.

Auch Anna und Alejandro wünschen sich, dass ihre Kinder später einmal Erasmus machen. Die 13-jährige Dora könnte sich ein Erasmus-Semester später mal vorstellen. Aber vielleicht nicht in Spanien, das Land kennt sie ja schon.

Im Film erzählen einige von über hundert derzeitigen Erasmus-Studenten aus Tübingen, wie sie ihren Aufenthalt erleben und was ihnen Europa bedeutet:

Ob Spanien oder Castrop-Rauxel - Hauptsache Europa

Der EU haben sie zu verdanken, dass ihr Familienleben so unkompliziert verläuft, sagen die Cardosa Markovics. Mindestens zweimal im Jahr fahren sie nach Spanien, um die Familie zu besuchen. "Wir besuchen die Familie in Spanien, aber es könnte auch Castrop-Rauxel sein, völlig egal, denn wir sind Europäer und brauchen daher keine Papiere", sagt Anna.

Auch Alejandro findet es gut, dass er sich nie definitiv entscheiden musste, in dem einen oder anderen Land zu leben. "Ich habe immer gewusst, wenn es mir hier nicht mehr gefällt, kann ich wieder zurück nach Spanien. Das ist Europa".

Die Familie Cardosa Zea  Markovic sitzt an einem Tisch auf dem Balkon und schaut Erinnerungsfotos an. Die Eltern haben sich bei einem Erasmus Semester kennengelernt
Fotos anschauen aus dem Erasmus Semester. Anna kam in Wintersemester 2002 nach Sevilla.

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