Die Klassik in den Feuilletons
Im Sommer finden auf der ganzen Welt verteilt Festivals statt, die deutsche Kulturszene blickt gespannt auf Bayreuth, konnte die Premiere die Feuilletons überzeugen? Vor allem die Bühnenbilder wecken neben den gesanglichen Talenten oft Aufmerksamkeit, ein Bild geht um die Welt oder zumindest durch die Welt der Feuilletons.
Man sieht Kostüme oder Kulissen, die einen nicht unbeachtlichen Teil einer erfolgreichen oder von Kritik geplagten Produktion ausmachen. Doch wie fotografiert man jene Klassik-Welt, die dem Zuschauer keine Bühnenbilder bietet?
Marco Borggreve: Der gefragteste Klassik-Fotograf Europas
Sei es für Pressefotos für die eigene Website oder für das Coverbild des neuesten Albums: Gute Fotografen sind auch in der Klassikwelt gefragt. Für Nachwuchskünstler*innen kann es wie ein Ritterschlag wirken, bei einem der bekanntesten Musikerfotografen vor die Linse zu dürfen. Der Name Marco Borggreve verbirgt sich hinter etlichen Fotos der Stars.
Borggreves Herangehensweise wirkt zunächst unkonventionell. Nicht vorbereitet sein, ist seine Vorbereitung. Damit öffnet er sich und sein Gegenüber, die unmittelbare Begegnung zwischen Fotograf und Künstler wird später auf dem Foto erfasst.
Doch nicht nur die Stars sollen bei Borggreve abgelichtet werden, sondern auch der Nachwuchs. Dabei nimmt der Fotograf nicht nur die Rolle eines Dienstleisters ein, sondern auch die Rolle eines Ratgebers, der die Hintergründe der Musikerinnen und Musiker ergründen möchte.
Zur Person Der Musikerfotograf Marco Borggreve
Ob Nikolaus Harnoncourt oder Tabea Zimmermann, György Kurtág oder Patricia Kopatchinskaja, Jörg Widmann oder Fazil Say: Er hat sie alle fotografiert. Seit Jahrzehnten ist Marco Borggreve der führende Musikerfotograf, dessen musikalischer Instinkt in der Klassik-Szene legendär ist.
Liebe auf den zweiten Blick
Während Marco Borggreve vor allem Aufträge annimmt, geht der Österreichische Fotograf Sven-Kristian Wolf aktiv auf die Suche nach Motiven – meist Künstlerinnen und Künstler bei den Proben. Im Fokus ist dabei jedoch kein perfektes Foto, sondern ein Foto, das die Betrachtenden an das Bild fesselt.
Die Unschärfe und das Bildrauschen ist gewollt, Sven-Kristian Wolf erzeugt das Rauschen durch besonders hohe ISO-Werte. Während bei den typischen Bildern das Subjektv meist in der Bildmitte zu sehen ist, findet man bei Wolf oft einen unscharfen Kopf, ein Mikrofon oder ein Instrument in der Bildmitte, die Musikerinnen und Musiker sind verteilt in den Ecken.
Wolf nennt dieses Projekt „Orchestrapunk“, vereint damit also zwei Musikstile, die man sonst kaum in einem Raum verbinden würde.
Sven-Kristian Wolf war schon bei etlichen Proben der Stars, darunter der Tenor Jonas Kaufmann, die Sopranistin Anna Netrebko oder Dirigent Sir Simon Rattle. Doch nicht immer sind die Musikerinnen und Musiker zufrieden mit seinen Werken und erteilen der Veröffentlichung eine Absage. Laut Wolf gehört das zum Geschäft, nach Gründen fragt er nicht, doch das Bildrauschen oder die natürlichen Posen finden anscheinend nicht immer Gefallen.
Die Fotografie der Klassik ist ein wenig wie ein umgekehrtes Radio: Man sieht zwar, doch hört nichts. Aber manche Bilder sprechen für sich. Wie zum Beispiel Gustavo Dudamel beim Dirigieren. Der venezuelanische Dirigent ist ganz oben auf der Liste derer, die Sven-Kristian Wolf gerne einmal fotografieren würde.
Ein Sprung in die Vergangenheit
Das erste beständige Bild entstand 1826, jedoch von einem Gebäude, denn nur Statisches war zu dieser Zeit – und für viele Jahrzehnte danach – möglich abzulichten.
Ein Gemälde eines anonymen Malers erlaubt uns aber einen Einblick in das Konzertgeschehen des Spätbarocks. Zu sehen ist ein Konzert mit Streichern und zwei Cembali im Zunfthaus zu Zürich, entstanden um 1740–1750. Musik und Bildsprache gehen nicht erst seit der Erfindung der Fotografie Hand in Hand.