„Typische Partyfotos zu machen, das war nicht mein Ding.“
Die Idee, DJs zu porträtieren, stamme vom Mitbegründer des Time-Warp-Festivals und heutigen Mit-Organisator Steffen Charles, erinnert sich Luigi Toscano. Er habe mehrmals bei ihm angefragt, ob er sich das vorstellen könne, so der Fotograf im Gespräch mit SWR Kultur.
Toscano war anfangs zögerlich: „Anfang der 2000er-Jahre war ich gerade dabei, mich als Fotograf zu etablieren. Ich hatte damals noch viele verschiedene Jobs, unter anderem habe ich als Türsteher in Mannheim gearbeitet (im „Soho“). Typische Partyfotos zu machen, das war nicht mein Ding.“
Dann entwickelte Toscano aber sein eigenes künstlerisches Konzept : Er wollte von den DJs jeweils drei Fotos machen und diese in der Form von Triptychen, dreiflügeligen Altarbildern, anordnen: Ein großes Foto mit einem Porträt, ein kleines mit den Händen und ein weiteres kleines mit einer Großaufnahme der Hände.
Schwarz-weiß und hautnah: Die DJ-Porträts von Luigi Toscano
WTF?! Berliner Techno hat's auf DIESE Liste geschafft
Privat kein Techno-Fan
Als Fotograf bekannt geworden ist Luigi Toscano besonders mit seinem Projekt „Gegen das Vergessen“, für das er mehr als 400 Holocaustüberlebende porträtierte. Dafür wurde er 2021 als erster Fotograf zum UNESCO Artist for Peace berufen. Obwohl Toscano privat nicht auf Techno-Partys geht, kennt der Mannheimer Fotograf die Time Warp und ihre internationale Bedeutung.
Seine Aufnahmen für die Jubiläumsausstellung, sind zum Teil während der Time Warp 2006 und 2007 entstanden, außerdem beim Love Family Park, einem bekannten Technofestival, das damals noch in Hanau stattfand, und während einiger Einzeltermine. Da Toscano sich selbst nicht in der Techno-Szene auskannte, hatte er vor Ort einen Freund an der Seite, der ihn mit dem nötigen Hintergrundwissen versorgte.
SWR2 Zeitgenossen Dominik Eulberg: „Für mich ist die Natur der größte Künstler von allen“
„Eintagsfliege“, „Siebenschläfer“ und „Neuntöter“ – so heißen Titel auf dem neuen Album von Dominik Eulberg. Und sie machen die beiden Leidenschaften des Westerwälder Künstlers deutlich: die Natur und die Techno-Musik.
„Niemand hatte Star-Allüren“
In den Katakomben unter dem Mannheimer Maimarktgelände, dort wo sich während der Time Warp der Backstage-Bereich für die Künstlerinnen und Künstler befindet, bekam Luigi Toscano einen eigenen Raum zur Verfügung gestellt. Ganz spartanisch, mit einem Tisch und zwei Stühlen.
Die DJs kamen vor dem Auflegen zu ihm. Sonst wären sie zu verschwitzt gewesen, erklärt der Fotograf. Alle waren unprätentiös und hatten Lust, bei dem Kunstprojekt mitzumachen. „Niemand hatte Star-Allüren“, erinnert sich Toscano. Bisher waren sie es gewöhnt, während des Auflegens fotografiert zu werden, aber nicht außerhalb des Party-Settings.
Toscanos Informant versorgte ihn mit relevanten Informationen über seine Protagonisten, etwa den Detroiter Techno-Produzenten und DJ Carl Craig oder über die verschiedenen Stilrichtungen, etwa den Unterschied zwischen Progressive und Non-Progressive Techno.
Sven Väth war dem Projekt gegenüber aufgeschlossen
Der Name Sven Väth war Luigi Toscano zwar bereits vor dem Projekt ein Begriff, doch persönlich begegnet war der in Mainz geborene Fotograf dem Offenbacher DJ noch nie. Väth ist einer der bekanntesten deutschen Techno-DJs. Bereits mit 17 legte er im legendären Frankfurter Dorian Gray Club auf. Noch heute, mit 59, spielt er seine 15-Stunden-Sets bei Elektro-Festivals weltweit.
Dabei geht Väth immer wieder auf Tuchfühlung mit der Kunst: Im April 2022 war er etwa der Hauptact bei der Eröffnungsfeier des Momem, des Museum of Modern Electronic Music. Dessen erste Sonderausstellung widmete sich dann auch dem Lebenswerk von Sven Väth.
Ein paar Monate später reagierte Sven Väth musikalisch auf die Fassadeninstallation von Tobias Rehberger auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Den DJ und den Künstler verbindet eine langjährige Freundschaft und die gemeinsame Leidenschaft für elektronische Musik – einer Stilrichtung, in der das Zusammenspiel von Licht und Sound seit jeher eine wichtige Rolle spielt. Toscanos Projekt gegenüber habe sich Sven Väth sehr aufgeschlossen gezeigt, erinnert sich der Fotograf.
Sven Väth bei der Time Warp 2023
„Ich hätte große Lust, daran weiterzuarbeiten.“
Zwischen 30 und 40 DJs hat Luigi Toscano im Rahmen seines Kunstprojekts porträtiert, fast ausnahmslos sind die Poträtierten männlich. Erstmals wurden die Triptychen 2008 in Mannheim ausgestellt. „Details – Individuals of Electronic Lifestyle” war damals in einer Lagerhalle gegenüber der Pop-Akademie zu sehen.
Die ursprüngliche Idee, aus dem Foto-Projekt einen Bildband zu realisieren, konnte Toscano bis heute nicht verwirklichen. „Eigentlich braucht es eine Fortsetzung“, findet der Künstler selbst, „ich hätte große Lust, daran weiterzuarbeiten.“. Vielleicht bringt die Ausstellung im Reiss-Engelhorn-Museum zum Time-Warp-Jubiläum ja neuen Schwung in das Vorhaben.