Dass Georg Philipp Telemann als Vielschreiber unter den barocken Komponisten bezeichnet wird, hat ihm Ruhm und Skepsis eingebracht. Dass seine Werke obwohl so zahlreich auch von besonderer Bedeutung sind, ist heute unumstritten. Komponiert für die Musiker und Musikinstrumente seiner Zeit hat Telemann mit dem Concerto für Chalumeaux ein fast vergessenes Blasinstrument in den Mittelpunkt gestellt, das ein Vorläufer der heutigen Klarinetten ist.
Klasse plus Masse
Im Umgang mit Georg Philipp Telemann zeigt sich durch die Jahrhunderte hinweg immer noch eine gewisse Ratlosigkeit. Einerseits besaß er bei seinen Zeitgenossen einen überragenden Rang und war hoch geachtet, andererseits war er von solch einer unbegreiflichen Produktivität, dass eine Übersicht über sein Werk und eine Einordnung seiner Kompositionen schier unmöglich erscheint. Nicht umsonst ist er ungerechterweise als „Vielschreiber“ deklassiert worden.
Dass er eines der größten Marketing-Genies im Musikbereich der Zeit war, der sein Kompositionsvolumen geschickt und schnell auf die jeweilige Nachfrage abstimmen konnte, ist dagegen unbestritten. So hat er auch die Gattung Konzert zwar nicht weiterentwickelt, doch mangelte es ihm bei seinen angebotenen „Concerti“ wahrhaftig nicht an Originalität.
Telemanns Vorliebe für das Chalumeau
Originell ist unter anderem die Verwendung des Chalumeaus als Soloinstrument, das als Vorläufer der Klarinette mit ganz eigenen Klangcharakteristiken aufwarten kann. Auch wenn die Lexika des 18. Jahrhunderts den Klang des Instruments als wenig günstig („als wenn ein Mensch durch die Zähne singet“), ja eher als unangenehm und wild beschreiben, so hat gerade dieses Eigentümliche zumal aus heutiger Sicht seinen ganz eigenen Reiz.
So wurde das Instrument im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts u. a. im Hamburger Opernorchester, dessen Leitung Telemann als Hamburger Director musices ab 1722 übernahm, kultiviert. Höchstwahrscheinlich stammt das Konzert aber noch aus seiner Frankfurter Zeit. Dort ist Telemann wohl durch die Nähe zum Darmstädter Hof und dessen Hofkapellmeister Christoph Graupner, der seine zahlreichen geistlichen Kantaten und Instrumentalwerken mit Chalumeaux instrumentierte, inspiriert worden.
So sieht das Chalumeau aus
Italienische Gattung mit französischen Zutaten
Die in Italien kultivierte Gattung Concerto trat zunehmend mit den Werken Antonio Vivaldis ihren Siegeszug in ganz Europa an. Telemann mischt, vor allem im d-Moll-Konzert, die „Zutaten“ der genuin französische Ouvertürensuite in diesen Concerto-Stil mit ein.
So fallen beispielsweise die punktierten Rhythmen des langsamen ersten Satzes auf, die einer französischen Opern-Ouvertüre entnommen sein könnten. Die gleichberechtigt und paarweise erscheinenden zwei Chalumeaux (ein Alt- und ein Tenor-Chalumeau) grenzt Telemann stets vom Streichertutti ab. Dadurch wird die sensible, kantable Stimmführung der Soloinstrumente besonders in den langsamen Sätzen deutlich.
Die schnellen Sätze zeichnen sich durch sehr individuelle, zum Teil von der Tanz- und Volksmusik beeinflusste Machart aus: Echte musikalische Schmuckstücke für alle Musikfreunde, die sich auf neue Hörerfahrungen einlassen wollen.
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