32 Klaviersonaten hat Ludwig van Beethoven komponiert – eine Art klingendes Tagebuch. Dem gegenüber stehen lediglich fünf Klavierkonzerte. Doch auch die decken eine große Bandbreite von Beethovens kompositorischem Schaffen ab. Jetzt hat der Pianist Alexander Lonquich mit dem Münchener Kammerorchester eine Gesamtaufnahme dieser fünf Konzerte vorgelegt.
Das zweite Konzert steht am Beginn
Diese neue Edition der fünf Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven hält sich an die Reihenfolge ihrer Entstehung. Daher steht das zuerst komponierte zweite Konzert am Beginn. Und schnell wird klar: Das Münchner Kammerorchester wird seinem Namen gerecht. Abwechselnd treten einzelne Solostimmen hervor – im besten Sinne kammermusikalisch.
Dann schaltet sich erstmals der Solist ein, Alexander Lonquich. Sein Ansatz verrät, dass für ihn der junge Beethoven in der unmittelbaren Nachfolge Mozarts steht: Lonquichs Spiel klingt in erster Linie leicht und gesanglich. Munter geperlt folgt ein erster Triller.
Hörprobe aus dem fünften Konzert
Sehr transparente Interpretation
Schon dieser erste Satz aus dem B-Dur-Konzert macht klar: In dieser Aufnahme wird viel Wert auf Transparenz gelegt, auf ein wachsames Aufeinander-Hören und Aufeinander-Einwirken. So auch im Finale: Das einleitende Kuckucks-Motiv gehört erst dem Klavier, dann antwortet das Orchester, das diesem Kuckuck-Klang ein markant-signalhaftes Bohren beimischt, vor allem in der Hornstimme.
Man kann diese Aufnahme als „ausgeglichen“ bezeichnen – doch sollte man diesen Begriff nicht verstehen im Sinne von „berechenbar“ oder „eintönig“. An vielen Ecken lauern Überraschungen oder Details, etwa weil Alexander Lonquich etliche Phrasen, und seien sie noch so kurz, schön ausklingen lässt. Belcanto am Klavier.
Aufnahmetechnisch nicht optimal
Allerdings scheint mir das Klavier aufnahmetechnisch nicht auf ganz optimale Weise eingefangen. Ein Bild im Beiheft verrät: Der Flügel steht zwar vor dem Orchester, aber schräg nach vorn gewinkelt und mit zwei Dritteln der Orchestermusikerinnen und -musiker im Rücken des Solisten.
Ob das der Grund für einen minimal distanziert wirkenden Klavierklang ist? Schade, zumal Alexander Lonquich uns einige poetisch-leise Geheimnisse mitzuteilen hat.
Originelle Momente
Spätestens mit dem dritten Klavierkonzert emanzipiert sich Beethoven von allen möglichen musikalischen Vorbildern. Mit einer scheinbar simplen Tonleiter hebt das Klavier an – nach einem ungewöhnlich langen Orchestervorspiel. Diese dreifache Tonleiter darf aber nicht wie eine Etüde klingen, sondern muss wachrüttelnd wirken. Lonquich arbeitet diesen Gestus heraus, möchte uns aber auch nicht überrumpeln.
Die Originalität dieser Aufnahme zeigt sich besonders zu Beginn des vierten Konzerts, bei dem das Klavier solo mit einem Akkord beginnt. Doch Lonquich fächert diesen Akkord auf zu einem Arpeggio. Das macht insofern Sinn, als die erste Einheit dieses Akkord-lastigen Beginns mit einem Lauf endet: Als solle sich mit diesem Arpeggio hier und dem Lauf dort, auf engstem Raum ein Kreis schließen.
Auf diesen lyrischen ersten Satz folgt ein schroffer Dialog zwischen Orchester und Klavier: „Andante con moto“ – mit Bewegung eben: Gemeint ist eine innere Bewegtheit, die in dieser Aufnahme eindringlich zur Geltung kommt.
Keine Revolution, aber viele spannende Stellen
Man wird in dieser neuen Aufnahme der fünf Beethoven-Konzerte mit dem Münchner Kammerorchester und Alexander Lonquich keine revolutionär neue Sichtweise erkennen. Das muss auch nicht sein.
Dafür liefert sie an vielen Stellen spannende Beobachtungen, die nicht zuletzt vom konstant intensiven Miteinander zwischen Orchester und Solist geprägt sind. Eine in sich geschlossene, auf jeden Fall lohnende Bereicherung des nicht gerade schmalen Katalog-Angebots bei diesen Werken.
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