Musikstück der Woche vom 22.05.2017 mit Martin Helmchen

Felix Mendelssohn Bartholdy: Variations sérieuses op. 54

Stand
Autor/in
Lotte Thaler
Kerstin Unseld

Als "Philosoph am Klavier, mit seiner kleinen Liebe zur Pointe" sieht ihn die Musikkritikerin Eleonore Büning: Martin Helmchen. Bei den Schwetzinger SWR Festspielen belegte er während seiner diesjährigen Residenz beim Festival, wie passend dieses Urteil auf ihn zutrifft. In seinem Recital im 4. Mai 2017 im Mozartsaal des Schwetzinger Schlosses spielte er unter anderem eines der Hauptwerke für Klavier von Felix Mendelssohn Bartholdy, die Variations sérieuses op. 54.

Mit "wahrer Passion"

Die Variations sérieuses d-Moll op. 54 sind – so ließe sich etwas salopp formulieren – Mendelssohns "Diabelli-Variationen". Mit der ebenfalls krummen Zahl 17 markieren sie in etwa die Hälfte der 33 "Diabelli-Variationen". Doch der Reichtum an Modifikationen, den Mendelssohn hier ausbreitet, entspricht dem Beethovenschen Fundus zu 100 Prozent.

In kürzester Zeit unterzieht Mendelssohn das ebenfalls 16-taktige, harmonisch und rhythmisch vertrackte Thema einer dramaturgisch zwingenden Variationenreihe und schöpft die dem Thema immanenten Anlagen mit allen satztechnischen, stilistischen und  pianistischen Mitteln aus. Das Tempo wird dabei zum formbildenden  Parameter, der den Zyklus in vier Teile gliedert. Ausgehend vom  Andante sostenuto des Themas führen die fünf ersten Variationen ins Agitato.

Der zweite Abschnitt mit Variation sechs bis neun bildet eine Variante dieser Temposteigerung, während im dritten Abschnitt über Moderato, Cantabile und einem Adagio (Nr.14, in D-Dur ) das Tempo kontinuierlich reduziert wird. Von hier aus steigert Mendelssohn die Geschwindigkeit erneut auf noch schnellerer Basis über Allegro vivace in das abschließende furiose Presto.

Den dynamischen Charakter dieses Zyklus‘  verstärkt zudem ein weiteres Kennzeichen von Mendelssohns Kompositionsweise: viele Variationen werden mit kurzen Figurationen verbunden, um den Verlauf noch drängender erscheinen zu lassen. An den Varitations sérieuses habe er - so Mendelssohn kurz vor Drucklegung 1841 an einen Freund - mit "wahrer Passion" gearbeitet. Sie sollten eines seiner wichtigsten Klavierwerke werden.

Martin Helmchen (Klavier)

Die Berliner Zeitung nannte ihn einen »sympathischen Sonderling unter den Tastenlöwen der jüngeren Generation«. Und tatsächlich: Martin Helmchen, 1982 in Berlin geboren, ist ein Pianist, der sich ohne Eitelkeiten dem Solistenhandwerk verschrieben hat. Seine Karriere verlief kometenhaft. Nach Auszeichnungen beim Concours International de Piano Clara Haskil oder beim Credit Suisse Young Artist Award avancierte er schnell zu einem weltweit gefragten Künstler. Sein Können qualifizierte ihn, kurzfristig als Ersatz für Maria João Pires beim Royal Concertgebouw Orchestra in Amsterdam unter Herbert Blomstedt einzuspringen.

Zu seinen engen Kammermusikpartnern gehören Juliane Banse, Matthias Goerne, Veronika Eberle, Julia Fischer, Sharon Kam, Christian Tetzlaff sowie seine Ehefrau Marie-Elisabeth Hecker. Seit 2010 ist Martin Helmchen Associate Professor für Kammermusik an der Kronberg Academy. 2017 ist er in Residenz bei den Schwetzinger SWR Festspielen.

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Lotte Thaler
Kerstin Unseld