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Udio, MusicLM & Co

Künstliche Intelligenz in der Musik: Wie klingt KI 2024?

Stand
Autor/in
Sebastian Kiefl

Mit ChatGPT rückte Künstliche Intelligenz 2023 in den Fokus der breiten Gesellschaft. Die Gefühle waren gemischt, während einige KI als den nächsten Teil der industriellen Revolution anpries, reagierten die anderen (zurecht?) verängstigt. Wie wirkt sich die KI auf die Musiklandschaft aus?

Überall KI

Im Januar 2023 ist „ChatGPT“ in allerlei Munde. Eine einzige Frage genügt, um mehrere Absätze an Informationen zu bekommen, die man sich sonst müßig aus verschiedenen Onlineartikeln zusammen suchen müsste. Ein Satz genügt und man bekommt ein Gedicht vorgesetzt. Panik bei Lehrerinnen und Lehrern, denn die Aufsätze, die nächste Woche als Hausaufgabe anstehen, schreiben sich buchstäblich von selbst.

Im Jahr zuvor machen Bildgeneratoren Schlagzeilen, Empörung in der Kunstszene über ein KI-Gemälde, das einen Preis gewinnt. Dass die Künstliche Intelligenz keinen Halt vor der Schönsten der Künste macht, überrascht kaum, im Mai 2023 stellt Google „MusicLM“ vor.

Komponisten bald auf der Liste der bedrohten Berufe?

Was bedeutet das für Komponistinnen und Komponisten? Gehört der Beruf bald wie der des Laternenanzünders zu den ausgestorbenen Berufen? Vor allem die rasante Geschwindigkeit, mit der die Tools besser werden, sorgt bei manchen für Unbehagen.

Habe ich vor kurzer Zeit noch über die jämmerlichen Ergebnisse von KI-basierter Musik gelacht, kann man nun schon mindestens irritiert sein, wenn man mal eine halbe Nacht mit Anwendungen wie „Suno“ oder „Udio“ verbracht hat.

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KI an und in den Instrumenten

Die bereits erwähnte Google-KI „MusicLM“ zählt zu den ersten Musik-KIs, die in deutschen Blogs erwähnt wurden. Doch während die ersten Höreindrucke zwar interessant waren, boten sie keinen Anlass zur Sorge bei Musikschaffenden, zumindest nicht für Opernkomponisten, denn die KI beherrschte keine Sprach- bzw. Gesangsgenerierung.

Bereits 2020 stellte der Komponist Ali Nikrang das Projekt „Ricercar“ vor, das ebenfalls auf KI basiert. Ein praxisnahes Beispiel, denn hier ist die KI in einen Flügel integriert, die generierte Musik wird somit auf dem Flügel abgespielt.

Hier ist eine direkte Interaktion zwischen KI und Musiker möglich, indem die KI eine Melodie vorgibt, der Musiker sie am Flügel erweitert und die KI im nächsten Schritt auf das gespielte erneut eingeht.

Große Fortschritte nach nur einem Jahr

Anders gestaltet sich die Situation etwa ein Jahr später, als im März die KI „Udio“ – entwickelt von Ex-Google-Mitarbeitern – als Beta, also unfertiges Produkt, veröffentlicht wird. Es bedarf lediglich einer Anmeldung, eines grob formulierten „prompts“ (deutsch: Aufforderung, das englische Wort wird im KI-Jargon auch in Deutschland verwendet) und nach einigen Sekunden generiert die KI ein Lied, inklusive Text und Instrumentierung.

Beim ersten Hören klingen die Kompositionen – wenn man sie so nennen möchte – täuschend „echt“. Des Begriff „echt“ ist insofern fraglich, dass Udio prinzipiell keine echten Komponisten als Quelle für die generierte Musik nutzt, so zumindest die Behauptung auf der Website. Komponisten wie Wagner oder Puccini werden durch die jeweilige Epoche in den „prompts“ ersetzt.

Kann KI berühren?

MusicLM und Udio sind bei weitem nicht die einzigen Anbieter für KI-generierte Musik, doch ein Großteil arbeitet nicht mit prompts, also freier Texteingabe, sondern mit der Auswahl von Genre, Stimmung und Tempo durch die Benutzer.

Doch wie real sind die Gefahren für Komponisten wie Gordon Kampe? Ist der Beruf tatsächlich vor dem Aussterben bedroht?

Für Komponistinnen und Komponisten der klassischen Musik ist diese Gefahr bisher begrenzt, komplexe Kompositionen sind kaum möglich, oft versteht die KI nicht so recht, was der Benutzer eigentlich von ihr verlangt, und – der wohl wichtigste Punkt – die KI hat keine Emotionen, sondern schöpft lediglich aus vorhandenem Material.

Musik ist nicht deshalb so berührend, weil die Reihenfolge der Töne genau richtig ist, sondern weil sie Gefühle zum Ausdruck bringt. Hier kann keine KI – und wahrscheinlich auch nicht in Zukunft – mit den Menschen mithalten.

Mehr zu Musik und KI

Musikgespräch Musik komponieren mit KI, was ist möglich und was nicht?

Bei der KI „Udio“ bedarf es lediglich ein paar Wörter – in Verbindung zu KI auch „prompts“ genannt – und sie generiert ein komplettes Lied. Doch wer ist Komponist? KI oder „Prompter“? Malte Giesen, Komponist und Leiter des Studios für Elektroakustische Musik an der Akademie der Künste Berlin ordnet diese Frage ein und erzählt, wie seine Studierenden auf eine Zukunft mit KI vorbereitet werden.

Treffpunkt Klassik SWR Kultur

Musikthema Software kann bald alte Musikhandschriften transkribieren

Wer schon einmal rätselnd vor Omas Sütterlin-Brief saß, weiß, wie schwer manche alten Handschriften zu lesen sind. In der Forschung verwendet man zur Entschlüsselung von handgeschriebenen Dokumenten daher schon seit knapp zehn Jahren die österreichische Plattform Transkribus. Diese soll bald noch mehr können: mittelalterliche Noten transkribieren. Die KI soll bei Choralbüchern des Grazer Franziskanerklosters zum Einsatz kommen.

SWR2 Treffpunkt Klassik SWR2

Was geht - was bleibt? Zeitgest. Debatten. Kultur. So viele Drake-Fakes: Wie verändert KI die Musik?

Na, erkannt? Das Bild zu dieser Folge ist fake. Eine Künstliche Intelligenz sollte für uns hier den Rapper Drake darstellen. Der kann von solchen Spielereien ein Liedchen singen. Mit seiner Stimme wird gerade besonders viel experimentiert. Etwa im Song “Heart on my sleeve” des Produzenten Ghostwriter997 rappt nicht Drake, sondern eine täuschend echt klingende KI-generierte Stimme.

Der KI-begeisterte Musiker und Produzent Stefan Harth glaubt, Drakes roboterartige Stimme biete sich für ein KI-Imitat geradezu an: “Eine KI kann mit solch einer glatt gebügelten Stimme gut arbeiten.” Die KI-Songs gehören für ihn in die Kategorie “Fanfiction”: Hartgesottene Fans bringen die guten alten Zeiten ihrer Idole wieder zurück.

Ein ernstes Problem ist und bleibt der Schutz der Urheberrechte. Das kennt Dr. Tobias Holzmüller nur zu gut als Leiter der Rechtsabteilung bei der GEMA: “Normalerweise schafft eine KI immer etwas Neues. Wenn aber ganze Harmonie-Sequenzen übernommen werden, handelt es sich um ein Plagiat.” Die Stimme hingegen sei vom Persönlichkeitsrecht geschützt. Ganz ausgeliefert ist man dem Stimmenklau also nicht.

Und dann haben wir extra für diese Folge einen eigenen Rap-Song mithilfe von KI produziert! Der ist (fast) hitverdächtig!

Wenn ihr weitere Themen oder Feedback habt, mailt uns an kulturpodcast@swr.de.

Hosts: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
Showrunner: Christian Batzlen

Hörtipps:
Ghostwriter997 - “Heart on my sleeve” https://youtu.be/_iYU9h7FEw0
AllttA - “Savages” https://youtu.be/y7r6PAkFRfU
Anleitung für alle, die selbst einen KI-Song produzieren wollen: https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/ki-und-musik-wie-man-mithilfe-von-ki-einen-rap-song-schreibt-100.html

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Weltweit größte Suchmaschine 25 Jahre Google: Wie die Datenkrake auf KI reagiert

Google wurde vom ChatGPT-Start im Herbst 2022 „offenkundig überrumpelt“, sagt Daniel Leisegang von netzpolitik.org. Dennoch seien KI-Chatbots keine ernsthafte Bedrohung für Google, denn die größte Suchmaschine der Welt forsche selber schon lange an Künstlicher Intelligenz.

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Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Kreativität und KI: Ist Maschinenkunst auch Kunst?

Programme wie Dall-E oder Midjourney revolutionieren die Art und Weise wie Kunst hergestellt wird. Es braucht nur noch eine Eingabe, einen Prompt, der das gewünschte Bild präzise beschreibt und in Windeseile spuckt der Algorithmus passende Darstellungen aus.
Gerade hat Google ImaGen vorgestellt, das bewegte Bilder herstellt, Videos zu bauen ist also auch kein Problem mehr. Schon lange gibt es automatische Textgeneratoren wie GPT-3. Die Zukunft ganzer Berufszweige der Kreativbranche scheint bedroht zu sein.
Der Künstler Mario Klingemann arbeitet schon lange mit KI. Jetzt, wo jede*r mithilfe von Programmen wie Dall-E Kunst erzeugen kann, wird es für ihn als Künstler immer schwerer wirklich Neues zu schaffen: „Das reine Erzeugen hübscher Bilder ist mir zu einfach. Ich versuche herauszufinden, was Kunst ausmacht“, sagt er uns.
Die Literaturwissenschaftlerin Stephanie Catani von der Uni Würzburg forscht unter anderem zu Literatur und Kunst, die auf Algorithmen basiert. Sie ist der Meinung, dass eine KI erst mal noch nicht den großen Roman schreiben wird.
Einen ganzen fiktionalen Text zu schreiben, das könnten Maschinen noch nicht besonders gut. Was Catani hingegen mehr interessiere, ist die Frage: „Welches kreative Potenzial steckt in der Maschine als Tool für Künstler*innen der Gegenwart? Denn das eigentlich Kreative ist, mit diesem Programm so umzugehen, dass etwas entsteht, was weiterdenkt.“

Unsere Kollegen vom NDR haben in ihrem Podcast „Die Idee“ auch eine Folge zum Thema Künstliche Intelligenz gemacht! Norbert Grundei spricht darin mit dem KI-Experten Prof. Peter Kabel darüber, ob Künstliche Intelligenz die Bestseller von morgen schreibt oder die Charthits, die wir hören. Er sagt: Ja! Denn für bestimmte Texte ist heute schon KI verantwortlich. Hört doch mal rein bei „Die Idee“:
https://www.ardaudiothek.de/episode/die-idee-mit-norbert-grundei/36-was-kann-die-kuenstliche-intelligenz-prof-peter-kabel/n-joy/12007465/

Weblinks zum Thema:
Dall-E 2: https://openai.com/dall-e-2/
Midjourney: https://www.midjourney.com/home/
Google KI-Video Genarator: https://imagen.research.google/video/
Mario Klingemann: https://quasimondo.com/
KI-Podcast Steve Jobs im Joe Rogan-Interview: https://share.transistor.fm/s/22f16c7f
SWR Wissenschaftspodcast "Fakt ab": https://www.ardaudiothek.de/episode/fakt-ab-eine-woche-wissenschaft/sie-hat-jetzt-einen-anwalt-eine-google-ki-macht-ernst/swr2/10625093/
Was geht - was bleibt? Die Debatte um LaMDA: https://www.ardaudiothek.de/episode/was-geht-was-bleibt-zeitgeist-debatten-kultur/debatte-um-lamda-haben-algorithmen-gefuehle/swr2/10588035/

Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de

Host: Max Knieriemen
Redaktion: Max Knieriemen und Kristine Harthauer

Die künstlich intelligente Gesellschaft (9/10) Kunst, die sich selbst erschafft

Computerprogramme komponieren, malen, erschaffen virtuelle Traumwelten. Und selbst die Programmierer wissen oft nicht, warum das funktioniert – oder scheitert.

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Wir schreiben unserem Lieblingsstar eine Direktnachricht bei Instagram. Die Antwort kommt schnell und liest sich wie eine persönliche Nachricht. Das Problem: Der Star hat die gar nicht geschrieben – sondern ein KI-Chatbot. Genau das testet Instagram gerade in den USA.

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Homebot „Sunny“ spielt in der gleichnamigen japanischen Serie auf Apple TV+ die Hauptrolle. In einem faszinierenden Genre-Mix gelingt den Machern ein frischer, düster komischer Zugang zum Thema KI – die hier bemerkenswert human erscheint.

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Sebastian Kiefl