Überall KI
Im Januar 2023 ist „ChatGPT“ in allerlei Munde. Eine einzige Frage genügt, um mehrere Absätze an Informationen zu bekommen, die man sich sonst müßig aus verschiedenen Onlineartikeln zusammen suchen müsste. Ein Satz genügt und man bekommt ein Gedicht vorgesetzt. Panik bei Lehrerinnen und Lehrern, denn die Aufsätze, die nächste Woche als Hausaufgabe anstehen, schreiben sich buchstäblich von selbst.
Im Jahr zuvor machen Bildgeneratoren Schlagzeilen, Empörung in der Kunstszene über ein KI-Gemälde, das einen Preis gewinnt. Dass die Künstliche Intelligenz selbst keinen Halt vor der Schönsten der Künste macht, überrascht kaum: Im Mai 2023 stellt Google „MusicLM“ vor.
Komponisten bald auf der Liste der bedrohten Berufe?
Was bedeutet das für Komponistinnen und Komponisten? Gehört der Beruf bald wie der des Laternenanzünders zu den ausgestorbenen Berufen? Vor allem die rasante Geschwindigkeit, mit der die Tools besser werden, sorgt bei manchen für Unbehagen.
KI an und in den Instrumenten
Die bereits erwähnte Google-KI „MusicLM“ zählt zu den ersten Musik-KIs, die in deutschen Blogs erwähnt wurden. Doch während die ersten Höreindrucke zwar interessant waren, boten sie keinen Anlass zur Sorge bei Musikschaffenden, zumindest nicht für Opernkomponisten, denn die KI beherrschte keine Sprach- bzw. Gesangsgenerierung.
Bereits 2020 stellte der Komponist Ali Nikrang das Projekt „Ricercar“ vor, das ebenfalls auf KI basiert. Ein praxisnahes Beispiel, denn hier ist die KI in einen Flügel integriert, die generierte Musik wird somit auf dem Flügel abgespielt.
Hier ist eine direkte Interaktion zwischen KI und Musiker möglich, indem die KI eine Melodie vorgibt, der Musiker sie am Flügel erweitert und die KI im nächsten Schritt auf das Gespielte erneut eingeht.
Große Fortschritte nach nur einem Jahr
Anders gestaltet sich die Situation etwa ein Jahr später, als im März die KI „Udio“ – entwickelt von Ex-Google-Mitarbeitern – als Beta, also unfertiges Produkt, veröffentlicht wird. Es bedarf lediglich einer Anmeldung, eines grob formulierten „prompts“ (deutsch: Aufforderung, das englische Wort wird im KI-Jargon auch in Deutschland verwendet) und nach einigen Sekunden generiert die KI ein Lied, inklusive Text und Instrumentierung.
Beim ersten Hören klingen die Kompositionen – wenn man sie so nennen möchte – täuschend „echt“. Des Begriff „echt“ ist insofern fraglich, dass Udio prinzipiell keine echten Komponisten als Quelle für die generierte Musik nutzt, so zumindest die Behauptung auf der Website. Komponisten wie Wagner oder Puccini werden durch die jeweilige Epoche in den „prompts“ ersetzt.
Kann KI berühren?
MusicLM und Udio sind bei weitem nicht die einzigen Anbieter für KI-generierte Musik, doch ein Großteil arbeitet nicht mit prompts, also freier Texteingabe, sondern mit der Auswahl von Genre, Stimmung und Tempo durch die Benutzer.
Doch wie real sind die Gefahren für Komponisten wie Gordon Kampe? Ist der Beruf tatsächlich vor dem Aussterben bedroht?
Für Komponistinnen und Komponisten der klassischen Musik ist diese Gefahr bisher begrenzt, komplexe Kompositionen sind kaum möglich. Oft versteht die KI nicht so recht, was der Benutzer eigentlich von ihr verlangt, und – der wohl wichtigste Punkt – die KI hat keine Emotionen, sondern schöpft lediglich aus vorhandenem Material.
Musik ist nicht deshalb so berührend, weil die Reihenfolge der Töne genau richtig ist, sondern weil sie Gefühle zum Ausdruck bringt. Hier kann keine KI – und wahrscheinlich auch nicht in Zukunft – mit den Menschen mithalten.