Eine „Explosion“auf der Bühne
Mit einer deutschen Version von Bob Dylans „Blowin' in the Wind“ entfesselte Fasia Jansen 1964 das Publikum des ersten Liedermacher-Festivals auf Burg Waldeck im Hunsrück. Lothar „Black“ Lechleiter, Teil des damaligen Gesangsduos „Schobert und Black“, erinnert sich bis heute gut an ihren ersten Auftritt:
„Ich glaube, dass sie bei ihrem ersten Besuch auf der Waldeck ganz schön viele Leute mit ihren harten politischen Aussagen und Songs geschockt hat“, sagt die Autorin Ulli Langenbrinck. Sie setzt sich mit der „Fasia Jansen Stiftung“ für den geistigen Nachlass der Künstlerin ein.
Wer war Fasia Jansen?
Fasia Jansen wird 1929 in Hamburg als nichteheliche Tochter einer Hausangestellten und deren Dienstherr, dem damaligen liberianischen Generalkonsul Momulo Massaquoi geboren. Der Vater kehrt schon 1929 nach Liberia zurück. Fasia bleibt mit ihrer deutschen Mutter in einem Hamburger Arbeiterviertel zurück.
„Meine Kindheit lag in der Nazi-Zeit. Man muss wohl nicht kommentieren, was es bedeutet hat, nicht ‚arisch‘ zu sein, denn auch die Schwarzen fielen unter die Rassengesetze“, berichtet Fasia später in einem Interview. Eine prägende Zeit – auch was ihre politische Orientierung betrifft: „Meine Mutter heiratet 1936 einen Arbeiter. Der war Sozialist, ein politisch bewusster Mensch und hat mich sehr geprägt und unterstützt.“
Diskriminierung, Rassismus und ein medizinisches Experiment
Der Traum von einer Karriere als Tänzerin platzt, als die 13-Jährige wegen ihrer Herkunft aus der Tanzschule geworfen wird. Als „Nicht-Arierin“ wird sie von den Nazis einem medizinischen Experiment unterworfen: Sie bekommt mysteriöse Spritzen, unter deren Folgen sie ihr Leben lang gesundheitlich leidet. 1944 wird Fasia Jansen zum Arbeitsdienst in der Barackenküche einer Außenstelle des KZ Neuengamme gezwungen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Fasia Jansen Sängerin. Wegen ihrer Hautfarbe wird sie auch in der Nachkriegszeit ständig rassistisch beleidigt.
Politisches Engagement aus eigener Betroffenheit
Es sind bewegte Jahre in der jungen Bundesrepublik: Vor der Studentenrevolution und der Abkehr von der Nazi-Elterngeneration. Fasia Jansen besitzt im Gegensatz zu vielen anderen Liedermacherinnen und Liedermachern der Zeit, wie man heute salopp sagen würde, als Einzige die nötige „Street Credibility“ – sie hatte die Nazi-Gräuel schließlich am eigenen Leib erfahren.
„Diese extreme Diskriminierung, diese Körperverletzung, das war die Seele ihres politischen Engagements. Dafür ist sie morgens aufgestanden", erklärt Ulli Langenbrinck von der Fasia Jansen Stiftung.
Aus dem Ruhrgebiet in den Hunsrück
Aus dem urbanen Ruhrgebiet mit seinen Fabrikschloten, wo seit den 1950er-Jahren lebt, kommt Jansen 1964 mit ihrem Polit-Blues zur Burg Waldeck in den beschaulichen Hunsrück. Und ist überrascht vom idyllischen Festival-Ort und davon, wie wenig politisch die anderen Musiker- und Musikerinnen damals noch waren.
Doch das sollte sich ändern – auch dank Fasia Jansens Musik: Rückblickend war ihr charismatischer Auftritt auf dem Waldeck-Festival für viele Liedermacher eine Initialzündung. Ihr Bewunderer Hannes Wader sagt beispielsweise, dass seine musikalische Karriere ohne Fasia Jansen ganz anders verlaufen wäre.
Menschenrechte statt Mainstream
Einer Karriere im Musikbusiness hat sich Fasia Jansen laut Zeitgenossen immer verweigert. „Sie hätte eine Roberta Blanco werden können“, so Ulli Langenbrinck. „Aber das wollte sie nie. Sie hätte sich sonst dem Mainstream und einem rassistischen Frauenbild anpassen müssen.“
Stattdessen versteht sich Fasia Jansen bis zu ihrem Tod 1997 in Oberhausen als Friedensaktivistin und Vorkämpferin für Menschenrechte. Jahrelang kämpft sie besonders für die Rechte von Frauen und Kindern, gegen Rassismus und die Stationierung von Atomwaffen – immer mit ihrer mitreißenden Stimme. Für ihr soziales und politisches Engagement bekommt sie 1991 das Bundesverdienstkreuz und wird Ehrenbürgerin der Stadt Oberhausen.
Zeitgeschichte Die afrodeutsche Bewegung – Schwarz, weiblich, selbstbewusst
In ihrem Manifest "Farbe bekennen" von 1986 machten die Autorinnen Rassismus öffentlich und verwiesen auf die lange, afrodeutsche Geschichte.
Nach dem Tod vergessen, dann wiederentdeckt
Auch wenn Fasia Jansens Beitrag zur deutschen Kulturgeschichte nach ihrem Tod zunächst weitestgehend in Vergessenheit geriet: Nicht erst seit der „Black Lives Matter“-Bewegung rücke die Ausnahmeerscheinung Fasia Jansen bei der jungen Generation mehr und mehr in den Fokus, so die Beobachtung von Ulli Langenbrinck von der Fasia-Jansen-Stiftung.
Inzwischen sind zahlreiche Filme, Bücher und wissenschaftliche Arbeiten über die Musikerin und Aktivistin entstanden. In Oberhausen gibt es heute die Fasia-Jansen-Gesamtschule, in Hamburg seit 2022 die Fasiathek, ein Lernzentrum mit Präsenzbibliothek, in dem Schüler und Erwachsene die Geschichte aus einer afrikanischen Perspektive kennenlernen und sich mit ihr auseinandersetzen können.
Fasia Jansens Kampf für den Frieden und gegen Rassismus, Diskriminierung und soziale Ungerechtigkeit ist immer noch hoch aktuell.