Mit „Die sieben Monde des Maali Almeida“ hat Shehan Karunatilaka einen gewitzten und hochpolitischen Roman geschrieben. 2022 erhielt er dafür den Booker Prize.
Als der Kriegsfotograf Maali Almeida im Jenseits aufwacht, kommt er zu zwei Erkenntnissen: Er stellt verwundert fest, dass es tatsächlich ein Leben nach dem Tod gibt. Dann bemerkt er, dass dieses Leben dem irdischen Dasein recht ähnlich ist – nur deutlich schlimmer.
Denn zunächst landet Almeida in einer Zwischenwelt. In dieser Welt herrschen Bürokraten, die darüber entscheiden, wer weiterkommt und zum Licht aufsteigen darf. Was genau es damit auf sich hat, bleibt zunächst unklar. Fest steht aber, dass man in dieser Zwischenwelt nicht zu lange bleiben möchte.
Denn in ihr treiben finstere Dämonen ihr Unwesen, die versuchen, die Geister der Verstorbenen auf ihre Seite zu ziehen. Almeida hat sieben Monde – sprich eine Woche – Zeit, um zum Licht zu gelangen und um herausfinden, wer ihn umgebracht hat. Daher der Titel von Shehan Karunatilakas Roman, für den er 2022 den Booker Prize bekam.
Genial grotesk: eine Zwischenwelt voller Bürokraten
Mögliche Täter gibt es eine Menge. Denn als Fotograf hat Almeida Gräueltaten festgehalten, die die Regierung Sri Lankas in Bedrängnis bringen könnten. Der Roman „Die sieben Monde des Maali Almeida“ liest sich auf den ersten Blick wie eine klassische Kriminalgeschichte. Diese aber hat einen originellen Dreh: Denn der Geist von Maali Almeida kann nur an die Orte reisen, an denen sein Name gesagt wird.
Was er zunächst nicht kann, ist mit den Lebenden sprechen. Um diese und andere Fähigkeiten zu erlernen, muss er sich mit eben jenen finsteren Dämonen der Zwischenwelt einlassen.
Karunatilakas Roman besticht nicht nur durch seine packende Handlung, sondern auch durch seinen unverfrorenen Humor. So findet Maali, dass es keinen Unterschied mache, ob man Geist oder Kriegsfotograf ist. Denn auch beim Umherstreifen als Geist herrscht oft Langeweile.
Unterbrochen wird diese von plötzlich aufblitzenden Schreckensmomenten, wie es sie in einem grauenvollen Bürgerkrieg zur Genüge gibt. Maali spricht außerdem mit Tieren, die als Geister ebenfalls im Jenseits umherstreifen. Dabei stellt er fest, dass Menschen aus gutem Grunde nicht zu Lebzeiten mit Tieren sprechen können.
Die Tiere würden sich ewig beschweren. Und dann fiele es schwerer, sie abzuschlachten, sagt er, um dann fortzufahren: Dasselbe ließe sich wohl auch von Dissidenten, Ausständigen, Separatisten und Kriegsfotografen sagen.
Ein blitzgescheiter Singhalese mit liebenswerten Schwächen
Maali Almeida, das wird früh im Roman klar, ist nicht nur blitzgescheit, sondern auch grundsympathisch. Er ist Singalese und glaubt auch mitten im blutigen Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen noch, dass schlussendlich alle Sri Lanker seien.
Außerdem glaubt er daran, mit seinen Fotos etwas bewegen, vielleicht sogar den Krieg beenden zu können. Almeidas Schwächen machen ihn dabei nicht weniger liebenswert – und das obwohl er als geübter Spieler öfters Schulden anhäuft, seinen Freund mehrmals betrogen und diese Affären auch noch mit der Kamera festgehalten hat.
Zudem ist die Grundannahme des Romans, dass nicht Gott oder irgendein Karma über unsere Geschicke bestimmen, sondern rachsüchtige Geister aus dem Jenseits. Das ist mitreißend erzählt. Der magische Realismus des Romans erinnert dabei an die Werke von Salman Rushdie oder George Saunders.
Dabei nutzt Shehan Karunatilaka die magischen Plot-Elemente immer auch, um gesellschaftliche Zusammenhänge und Abhängigkeiten aufzuzeigen. So gibt es auch im Jenseits eine Währung, die Macht und Einfluss sichert.
Und diese bemisst sich daran, wie viele Menschen zu jemandem beten, eine Kerze anzünden oder ein Räucherstäbchen abbrennen. Hinzu kommt, dass die Geister im Jenseits den Kampf für ihre Ziele fortsetzen – nur eben mit den Mitteln, die ihnen nun zur Verfügung stehen.
Machtgier und Korruption befeuern den Konflikt in Sri Lanka
Die Lektüre des Romans ist somit nicht nur hochspannend, sondern auch hochpolitisch. Die sieben Monde des Maali Almeida erzählt davon, wie Machtgier und Korruption einen Konflikt immer wieder aufflammen lassen.
So heißt es früh im Roman: Nicht das Böse sollten wir fürchten. Sondern Geschöpfe mit Macht, die im eigenen Interesse handeln. Und das ist auch weit über den Bürgerkrieg in Sri Lanka hinaus wahr.