Philipp Oswalts Buch hinterfragt die geschichtspolitische Programmatik hinter originalgetreuen Nachbauten wie des Berliner Schlosses oder der Potsdamer Garnisonkirche und zeigt am Wiederaufbau der Paulskirche und des Meisterhauses von Gropius in Dessau Alternativen geschichtsbewusster Rekonstruktion auf.
Das Potsdamer Schloss, das Berliner Stadtschloss, der Turm der Garnisonkirche im Zentrum von Potsdam, alle wurden im Krieg zerstört, zu DDR-Zeiten restlos beseitigt und nach der „Wende“ originalgetreu nachgebaut. Jetzt stehen sie wieder als Landtag, Humboldtforum, „Turm des Friedens und der Versöhnung“ in barockem Gewande.
Außen der „schöne“ Schein aus feudalen Zeiten und innen etwas ganz Anderes. Repräsentative Kulissenarchitektur. Sind das die Leitbauten der Berliner Republik? Soll gestern wieder heute und morgen sein?
Bauen am „nationalen Haus“ als sei nichts gewesen
Was unschuldig daherkommt als Ausdruck des Wunsches nach Heilung von Kriegswunden, Stadtverfall und Plattenbau in DDR-Zeiten, verfolge in Wirklichkeit ein geschichtspolitisches Programm. Rekonstruktion sei „steinerne Identitätspolitik“, eben „bauen am nationalen Haus“, als sei nichts gewesen – das ist die Hauptthese des Architekten und Architekturtheoretikers Philipp Oswalt.
Aus dem rechten Lager vorangetriebene Rekonstruktionsprojekte
In diesen drei Kapiteln weist Oswalt nach, dass und wie alle drei Rekonstruktionsprojekte von Menschen und Lobbygruppen aus dem rechten, nationalkonservativen bis rechtsextremen Lager initiiert, vorangetrieben, geprägt und teils finanziert wurden.
Sie folgen dem, was Oswalt so nennt: „eine Orthodoxie, die ein Zeugnis der Vergangenheit als Fassade ohne Brüche restauriert“. Dabei wird von den Befürwortern der „historischen Rekonstruktion“ immer wieder behauptet, die Bevölkerungsmehrheit wolle es so. Dem hält Oswalt entgegen:
Alle diese Rekonstruktionsprojekte erweisen sich, so Philipp Oswalt, als Projekte von Eliten mit einer konservativen bis rechtsextremen Agenda.
Eine geschichtsbewusste Rekonstruktion ist möglich
Philipp Oswalts Buch hinterfragt die geschichtspolitische Programmatik hinter originalgetreuen Nachbauten und zeigt Alternativen geschichtsbewusster Rekonstruktion. Seine Betrachtungen gehen weit über die fachliche Debatte um Rekonstruktion, Architektur und Städtebau hinaus. Sie sind wichtig und anregend für den politischen Diskurs über Baukultur in diesen Zeiten der Krise der Repräsentation.