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Olga Martynova – Gespräch über die Trauer

Stand
Autor/in
Eva Karnofsky

Als der deutsch-russische Lyriker und Dramatiker Oleg Jurjew im Juli 2018 starb, versuchte seine Frau, die Schriftstellerin Olga Martynova, ihren Kummer mit einem Trauertagebuch zu bewältigen. Dabei entstand das „Gespräch über die Trauer", eine anspruchsvolle literarische Reise auf den Spuren von Tod und Verlust.

Trauer ist sehr persönlich. Jeder Mensch erlebt sie anders, jeder Mensch geht auf seine Weise damit um. Außerdem trauert derselbe Mensch anders um das Kind als um die Mutter, den Partner oder die Freundin. Und es verbietet sich grundsätzlich, über Trauer und den Umgang damit zu urteilen. Alles, was hilft, mit ihr zurechtzukommen, ist richtig.

Die Schriftstellerin Olga Martynova hat vier Wochen nach dem Tod ihres Mannes Oleg Jurjew 2018 damit begonnen, eine Art Trauer-Tagebuch zu schreiben, als ihre Art des Umgangs mit ihrem Kummer. Mehr als zwei Jahre lang setzte sie sich auf diese Art und Weise mit dem Verlust ihres Mannes auseinander.

Sie reflektierte dabei – nicht ganz unanstrengend – etliche Werke der Weltliteratur zum Thema Sterben. Bis zu dem Tag, an dem sie so alt war wie Oleg Jurjew am Tag seines Todes.

Trauer widerspricht dem Ideal der Selbstoptimierung

Sie versucht darin, sich dem Gefühl der Trauer zu nähern, es zu beschreiben und zu definieren. Außerdem berichtet sie von ihrer völlig veränderten Wahrnehmung des Lebens und der Menschen um sie herum. Sie bekennt auch, dass es für andere, die gerade nicht selbst trauern, gar nicht so einfach ist, gegenüber Trauernden die richtigen Worte zu finden.

So nennt sie ihr Buch auch „Gespräch mit der Trauer“, denn mit anderen über diese zu sprechen, erscheint ihr schwer. Und sie hat das Gefühl, dass von vielen Menschen Trauer als überflüssig und taktlos empfunden werde, weil sie dem Ideal der Selbstoptimierung widerspreche.

Ein Einwand, über den es sich nachzudenken lohnt, denn letztlich heißt das, dass fast schon ein gesellschaftsökonomischer Zwang entstanden ist, Tod und Trauer aus dem Alltag auszugrenzen. Obwohl immer wieder behauptet wird, der Tod gehöre zum Leben.

Auch anderen gängigen Floskeln wie „Das hätte dein Mann nicht gewollt“ spürt sie nach und erklärt sie für nicht sonderlich schlüssig, weil der oder die Tote ja inzwischen anderer Meinung sein könnte.

Ihr Mann Oleg Jurjew bleibt bei ihr

Oleg Jurjew litt bereits einige Jahre vor seinem Tod an einer schweren Krankheit, trotzdem kam sein Ableben für seine Frau völlig unerwartet, und wahrscheinlich ist niemand wirklich auf den Tod eines nahen Angehörigen vorbereitet. Martynova, die übrigens auf Deutsch schreibt, ist eine Meisterin darin, Dinge genau auf den Punkt zu bringen.

Wie fast alle Menschen, die Angehörige verlieren, stellt sie sich die Frage, was der Tod bedeutet: Gibt es ein Leben nach dem Tod? Und damit auch Unsterblichkeit? Leben Tote in ihren Angehörigen weiter? Ihr Mann jedenfalls sei in der Welt, in der sie lebe, schreibt sie. Und auch sein Werk bleibt erhalten. Einige seiner Gedichte hat sie in ihr Tagebuch eingestreut. Außerdem setzt sie sich mit der These auseinander, dass zwar alle Trauernden die Hoffnung äußerten, ihr Verstorbener käme zurück, doch dies in letzter Konsequenz nicht wollten, weil sie durch seinen Tod mit ihm abgeschlossen haben.

Etwas zu viel bildungsbürgerliche Beflissenheit

Das alles ist berührend, prägnant und nachvollziehbar. Manches aber bleibt auch nebulös, so der Satz, dass die wirkliche Tragik der Welt manchmal nur mit Vulgarität erfassbar sei. Streckenweise ist „Gespräch mit der Trauer“ ein nützliches Buch für Menschen, die sich selbst bereits mit Tod und Trauer auseinandersetzen mussten, weil sie ihre eigene Verzweiflung und ihre eigenen Ungewissheiten darin wiederfinden.

Doch über viele Seiten kann man Martynovas Überlegungen nur schwer folgen. Sie beleuchtet die verschiedensten Versionen der Geschichte von Orpheus und Eurydike, geht auf die Auseinandersetzung von Roland Barthes mit dem Tod seiner Mutter ein, spürt dem Umgang der Romantiker wie Novalis mit dem Tod nach und Julian Barnes` Empfindungen zum Tod seiner Frau.

Und wenn sie fragt, ob Nikolai Fjodorows futuristische Utopien einen altägyptischen Kern haben, ist das schon eine Herausforderung selbst für das beflissene Bildungsbürgertum. Deshalb ist Olga Martynovas „Gespräch mit der Trauer“ nur Menschen zu empfehlen, die sich im weiten Spektrum der internationalen Literatur sattelfest fühlen.

SWR2 lesenswert Kritik Sabine Gruber – Die Dauer der Liebe

Wie schreibt man über ein großes Unglück, über den Tod des geliebten Mannes? Wie kommt man darüber hinweg? Die Südtiroler Autorin Sabine Gruber hat mit „Die Dauer der Liebe“ ein Trauerbuch und einen postumen Liebesroman geschrieben.

C.H. Beck Verlag, 252 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3-406-80696-4

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SWR2 lesenswert Kritik Volha Hapeyeva – Trapezherz

„Trapezherz" heißt der gerade erschienene Gedichtband der belarusischen Lyrikerin und Essayistin Volha Hapeyeva. Seit 2022 lebt sie im deutschen Exil. Der Band versammelt eine Auswahl von Gedichten aus zwei Jahrzehnten in der deutschen Übersetzung von Matthias Göritz.

Aus dem Belarusischen von Matthias Göritz
Droschl Verlag, 112 Seiten, 20 Euro
ISBN 978-3-99059-131-4

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Eva Karnofsky