Bücher, die zum Träumen, Schmunzeln und Nachdenken einladen
Die kleine Hexe, Winnetou und Jim Knopf haben inzwischen ihre Unschuld verloren: Passagen aus den Kinderbuch-Klassikern werden teilweise heftig kritisiert. Rassistische Stereotype, veraltete Rollenbilder und ein kolonialistisches Weltbild würden durch die Lektüre verbreitet, so der Vorwurf.
Trotzdem begeistern die Bücher nach wie vor Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Wir haben in unseren Bücherschränken gestöbert und weitere empfehlenswerte Kinderbücher gefunden.
Erich Kästner: „Das doppelte Lottchen“
Zugegeben, Kästners „Das Doppelte Lottchen“ ist mehr als kitschig und teils ziemlich aus der Zeit gefallen. Eltern, die sich nach der Trennung die Kinder aufteilen und das jeweils andere einfach im Stich lassen? Und beim ersten Wiedersehen das vergangene Kleinfamilienglück wieder aufnehmen, als wäre nichts gewesen?
Geschenkt. Die Verwechslungsgeschichte um Lotte und Luise ist einfach zu gut. Ein Vergnügen zu lesen, wie die mutigen Mädchen ihrer Vergangenheit auf die Spur kommen und die Eltern raffiniert hinters Licht führen.
„Das Doppelte Lottchen“ ist eine Ausnahme in Kästners Werk, weil er die Geschichte hauptsächlich mit weiblichen Hauptfiguren besetzt hat. Und mit was für welchen! Die Mutter ist Journalistin, tritt als unabhängige, berufstätige Alleinerziehende auf. Bemerkenswert für die Zeit – das Buch erschien 1947. Bemerkenswert auch das Thema Scheidung. Das war ein gesellschaftliches Tabu.
Altersempfehlung: ab 6 Jahren
Astrid Lindgren: „Ferien auf Saltkrokan“
Ein verwitweter Schriftsteller und seine vier Kinder verbringen die Ferien auf einer abgelegenen Schäreninsel. In einem alten Schreinerhaus findet die Stockholmer Familie zwar keinen Komfort, dafür aber jede Menge aufregende Abenteuer und eindrückliche Einblicke in das einfache Leben abseits der Stadt.
Das hat für die Kinder auch viel Selbstständigkeit vorgesehen, immer wieder machen sie Bootsausflüge mit den Nachbarskindern, retten Tiere oder verhindern Ungerechtigkeiten, wie etwa den Verkauf des Schreinerhauses. Die Geschichte ist nicht nur ein spannender Abenteuerroman, sondern auch ein Plädoyer für kindliche Freiräume und ein Aufruf dazu, Dinge selbst in die Hand zu nehmen, wenn Erwachsene es nicht tun – typisch für Astrid Lindgrens Bücher.
Altersempfehlung: ab 10 Jahren
Michael Ende: „Die unendliche Geschichte“
Sie ist ein wahrhaft zeitloser Klassiker und magischer Bildungsroman: Michael Endes „Unendliche Geschichte“. Bastian Balthasar Bux verfolgt gebannt, wie der grünhäutige Held Atréju im Auftrag der Kindlichen Kaiserin versucht, das Nichts aufzuhalten und Phantásien vor dem Verschwinden zu retten. Der pummelige Außenseiter wird schließlich selbst in fantastische Welt gezogen und zum Helden seiner eigenen Geschichte.
Das Buch im Buch ist eine Liebeserklärung an das Lesen und die künstlerische Schaffenskraft. Wer nicht selbst an einem grauen Herbsttag, in eine Decke gewickelt, in der „Unendlichen Geschichte“ geschmökert, den beschriebenen Geruch von Staub und Kreide in der Nase gespürt, und sich dabei mit großen Augen in den Geschichten von Phantásien verloren hat, der hat sich um eines der schönsten Leseerlebnisse überhaupt gebracht.
2019 hat der Thienemann-Verlag eine neue Ausgabe des Klassikers von 1979 mit märchenhaft-schönen Illustrationen von Sebastian Meschenmoser herausgegeben. Ein Fest für die Augen, doch ob sie die eigene Fantasie beflügeln oder behindern, müssen die jungen Leserinnen und Leser für sich selbst entscheiden.
Altersempfehlung: ab 12 Jahren
Marc-Uwe Kling und Astrid Henn: „Das NEINhorn“
Im Land der Träume, genauer gesagt im Herzwald, ist alles plüschig und rosarot. Inmitten dieser Idylle leben die Einhörner. Nur eines unter ihnen hat keine Lust auf Frieden und Harmonie. Das NEINhorn sagt zu allem „Nein“ – zum Waschen, zum Essen, zur Schule, zum Sport.
Weil es zu Hause niemand versteht, macht sich das NEINhorn auf die Suche nach neuen Abenteuern, suhlt sich im Matsch und trifft den schwerhörigen WASbär, den lethargischen NAhUND und die streitbare KönigsDOCHter.
Marc-Uwe Kling, der Erfinder der legendären „Känguru-Chroniken“, ist der Autor dieses schnodderig-frechen Kinderbuchs. Das schnippische Fabeltier und die Prinzessin spielen im Schlamm und zeigen so, wie man „Mädchenkram“ richtig macht. Dank witzigen Wortspielen an der Fremdschamgrenze und kongenial markigen Illustrationen von Astrid Henn macht das Buch den Eltern beim Vorlesen vielleicht sogar noch mehr Spaß als den Kindern selbst.
Den zweiten Teil, „Das NEINhorn und die SchLANGEWEILE“ von 2021, sollte man sich zum Weiterlesen gleich mitbesorgen!
Altersempfehlung: ab 3 Jahren
Janosch: „Komm, wir finden einen Schatz“
Janoschs Geschichten um die Freundschaft von Tiger und Bär sind inzwischen Kult. Immer geht es darum, sich zu helfen und auch in den kleinen Dingen des Lebens das große Glück zu finden. Die wunderbaren Illustrationen aus der Feder des Autors machen die Geschichten außerdem zu einem Lese-Erlebnis für Klein und Groß.
In „Komm, wir finden einen Schatz“ träumen der kleine Bär und der kleine Tiger davon, reich zu sein. Nachdem sie sich auf den Weg gemacht haben und nach langer Suche endlich dem Reichtum ganz nah sind, werden sie von einem fiesen Bankangestellten hinters Licht geführt. Ein Beauftragter des Königs zieht ihnen schließlich auch noch das letzte Geld aus der Tasche.
Macht aber nichts, denn am Ende bemerken Tiger und Bär, dass sie eigentlich bereits alles haben, um glücklich zu sein: gute Freunde, etwas warmes zu essen und jede Menge Gemütlichkeit. Nicht nur die beiden Freunde, sondern auch alle Leserinnen und Leser lernen: Geld kann eine Freundschaft niemals ersetzen und Rückenschmerzen wegen zu viel goldener Äpfel lohnen sich nicht.
Altersempfehlung: ab 5 Jahren
Hannes Hüttner und Gerhard Lahr: „Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt“
„Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt“ von Hannes Hüttner und Gerhard Lahr ist schon ein halbes Jahrhundert alt, begeistert Kinder und Erwachsene aber immer noch. Die witzigen Illustrationen und nostalgischen Geräte bieten Anlass für viele Fragen: Papa, was ist ein Ofen? Wie schmeckt eine Stulle? Wozu braucht man eine Telefonzelle?
Endlich Kaffeepause bei der Feuerwehr: Eins, zwei, drei vier fünf, sechs, sieben – Die Feuerwehrleute zählen Becher und Stullen durch. Doch gerade als sie reinbeißen wollen, schrillt schon wieder der Feueralarm: „brimmm brimmm brimmm“. Und schon müssen sie wieder „sssst„sssst sssst“ die Rutschstange runter und mit „Tatütata!“ zum nächsten Einsatz. Ein Brand wird gelöscht, ein Keller ausgepumpt, ein Tier gerettet und dann schnell zurück zur Kaffeetafel in der Feuerwache.
Und so geht es den Feuerwehrleuten um den kernigen Löschmeister Wasserhose und dem immer hungrigen Wachtmeister Meier den ganzen Tag … einfach herrlich!
Altersempfehlung: ab 5 Jahren