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In einem der Kinderbücher des britischen Autors Roald Dahl statt fett heißt es nun kräftig, James Bond soll in der Neuauflage der Romane nicht mehr so sexistisch sein: Ist das Zensur oder zeitgemäß? Und was macht diese Debatte mit unserem Verständnis von Literatur und Autorschaft?
“Es gibt Editionswissenschaften, wenn ich die Texte wirklich so lesen will, wie sie ursprünglich erschienen sind, kann ich das machen”, sagt Aşkın-Hayat Doğan. Er ist professioneller Sensitivity Reader, jemand der Bücher mit Blick auf Stereotype und realistische Darstellungen lektoriert - immer nur als Vorschlag, nie als Vorschrift. “Literatur darf immer noch alles.” Aber er betont auch: “Literarische Originalität ist nicht wichtiger als die Verletzung, die der Text bei anderen anrichtet.”
Wenn es um Änderungen an bereits publizierten Texten geht, ist Jens Jessen, ehemaliger Literaturchef der ZEIT, kritischer: “Natürlich dürfen scheußliche Gestalten in Romanen oder Theaterstücken auftauchen. Auf die Spitze getrieben hieße das sonst, wir landen wieder bei einer strengen Zensur wie im 17. Jahrhundert.” Die Autor*innen hätten vor 100 oder 200 Jahren eben nicht so geklungen wie wir heute.
Also alles eine aufgeblasene Debatte oder doch ein Problem für die Kunstfreiheit? Hört rein und bildet euch selbst eine Meinung!
Habt ihr weitere Themen oder Feedback?
Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de.
Hosts: Christian Batzlen und Pia Masurczak
Showrunner: Giordana Marsilio
Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Die Deutschen und ihre Märchen: Wann schütteln wir die Schwarze Pädagogik ab?
Unter dem Weihnachtsbaum liegt vermutlich auch dieses Jahr wieder bei vielen Familien Bruno Bettelheims Klassiker „Kinder brauchen Märchen“. Aber stimmt das? Märchen sind oft grausam, zeigen problematische Geschlechterbilder und gehen – anders als das Leben – immer gut aus. Trotzdem können sie für die Erziehung von Kindern Impulse liefern, sagt der Märchenpädagoge Oliver Geister.
Längst nicht alle Kinder ‚brauchen‘ Märchen, sagt dagegen die Journalistin und Ratgeberautorin Nora Imlau. Allein schon deshalb nicht, weil Kinder heute ihre Gefühle zulassen dürfen – und dafür in den Märchen kein Ventil mehr brauchen, wie noch Bruno Bettelheim behauptet hatte. Dafür sorgen laut Imlau moderne Erziehungsideale, die bei Kindern Mündigkeit und Bindung fördern sollen.
Aber warum scheinen die Deutschen ihre Märchen dennoch so zu lieben? Denn die Klassiker-Sammlung der Gebrüder Grimm ist immer noch erfolgreich – wenn auch oft in entschärften Varianten. Steckt in uns doch mehr Schwarze Pädagogik, als wir uns vorstellen können?
Habt ihr Fragen, Kritik oder Anregungen? Dann schreibt uns gern unter kulturpodcast@swr.de
Host und Redaktion: Philine Sauvageot
Oliver Geisters Aufsatz „Achtung böse! Die zehn grausamsten Märchen der Brüder Grimm“ von 2014 findet ihr unter diesem Link: http://maerchenpaedagogik.de/geister_achtung_boese.pdf
Kommt alle zum SWR Podcast-Festival! Von 12.-14.01.2023 in Mannheim. Tickets gibts hier: https://www.swr.de/home/podcastfestival-100.html
Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Literaturnobelpreis an Annie Ernaux: Erfinderin der modernen Autofiktion
Das Nobelpreiskomitee lobt ihren Mut und die „klinische Schärfe“ mit der Annie Ernaux „Wurzeln, Entfremdungen und kollektiven Beschränkungen der persönlichen Erinnerung aufdeckt“. Sie selbst sagt, sie habe angefangen zu schreiben, um ihre Klasse zu rächen. In ihren Büchern hat die frisch gebackene Nobelpreisträgerin persönliche Erinnerungen aufgezeichnet, und dabei immer ihre eigene Position als Frau innerhalb der französischen Gesellschaft genau verortet.
Ein Ansatz, der Schule gemacht hat. „Annie Ernaux hat unglaublich viele Frauen beeinflusst und ermutigt zu schreiben und sich durchzusetzen im Literaturbetrieb - und das im patriarchal geprägten Frankreich“, erklärt der Kulturjournalist und Frankreich-Kenner Nils Minkmar in „Was geht - was bleibt“.
Die Super 8 Tagebücher von Annie Ernaux in der ARTE-Mediathek: https://www.arte.tv/de/videos/101402-000-A/annie-ernaux-super-8-tagebuecher/
In einer früheren Folge von "Was geht - was bleibt?" haben wir schon mal über Annie Ernaux gesprochen: https://www.ardaudiothek.de/episode/was-geht-was-bleibt-zeitgeist-debatten-kultur/annie-ernaux-neues-buch-warum-boomt-autobiografische-literatur/swr2/10554393/
Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Host: Max Knieriemen
Redaktion: Max Knieriemen und Kristine Harthauer
Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Annie Ernaux' neues Buch: Warum boomt autobiografische Literatur?
Als „faktisch, unsentimental und präzise“ beschreibt Literaturkritikerin Iris Radisch den Schreibstil von Annie Ernaux. Sie hat schonungslos über ihr eigenes Erleben geschrieben. Eine Herangehensweise die viele zeitgenössische Schriftsteller beeinflusst. In „Was geht, was bleibt“ erklärt Literaturwissenschaftlerin Lea Sauer, warum autobiografische den Nerv der Zeit treffen und Schriftsteller Yannic Han Biao Federer erläutert, warum diese Texte helfen können mit den Zumutungen der Gegenwart besser umzugehen.
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Host: Max Knieriemen
Redaktion: Pia Masurczak und Max Knieriemen
Sensible Sprache Literatur und diskriminierende Sprache – Wie Klassiker modernisiert werden
Sexismus bei James Bond, Rassismus bei Pippi Langstrumpf, kulturelle Aneignung bei Winnetou. Viele Klassiker lesen wir heute mit anderen Augen. Wie gehen Lektorinnen, Übersetzer und Wissenschaftlerinnen damit um? Und welche Rolle spielen "Sensitivity Reader"?
Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Die documenta fifteen endet: Was bleibt von der deutschen Erinnerungspolitik?
Die documenta fifteen geht zu Ende – und nicht wenige Menschen würden jetzt hinzufügen: endlich. Was geht, wenn die größte deutsche Kunstausstellung für viele ein Fiasko ist? Die eine Seite beklagt, mit der Documenta habe man Antisemitismus in Deutschland wieder öffentlich ausstellen können, während die andere Seite meint, hinter der Kritik an den Künstler:innen stünde Rassismus. Ein Scherbenhaufen also, zumindest in der öffentlichen Debatte.
Und was bleibt nun im Nachhinein von dieser documenta fifteen? Lässt sich aus diesem Scherbenhaufen etwas machen – zum Beispiel eine Auseinandersetzung über die deutsche Geschichts- und Gedenkpolitik und die Frage, welchen Platz die kolonialen Verbrechen darin neben der Shoah einnehmen können?
Als gescheitert würde die Journalistin Charlotte Wiedemann die documenta nicht bezeichnen. Wiedemann hat viel aus dem Ausland berichtet und beschäftigt sich mit unterschiedlichen Erinnerungskulturen. Sie hat die documenta besucht und dort viele Anregungen gefunden, die sie in der deutschen Debatte vermisst hat: “Über die documenta würde eine Glocke der Deutschtümelei gestülpt. Das Problem war für mich nicht die documenta selbst, sondern unser Umgang damit.”
Anders sieht das der Kunstkritiker Hanno Rauterberg, er sagt, die mangelnde Kommunikationsbereitschaft habe den Austausch erschwert: “Der Kollektiv-Gedanke der documenta hat Kritik an einzelnen Künstlern erschwert.” Schnell habe es geheißen, Kritik meine nicht den Einzelnen, sondern alle und damit die gesamte documenta. Kritik sei deshalb von Ruangrupa schnell als rassistisch wahrgenommen worden.
Und auch der Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank und engagiert hätte sich gewünscht, dass die verschiedenen Seiten wirklich miteinander ins Gespräch kommen: „Es wurde zwar viel debattiert, aber da war das Gefühl, dass man aneinander vorbeiredet.“
Viel Stoff also für eine Debatte über die deutsche Erinnerungspolitik!
Charlotte Wiedemanns Buch „Den Schmerz der anderen begreifen“ ist im Mai 2022 bei Ullstein erschienen.
Unterschiedliche Positionen und Erklärungsansätze zur documenta-Debatte findet ihr in der Ausgabe 09/2022 von Politik & Kultur, der Zeitschrift des Deutschen Kulturrats – alles abrufbar unter https://politikkultur.de/archiv/ausgaben/nr-9-22/
Die Bildungsstätte Anne Frank, deren Direktor Meron Mendel ist, hat eine Podiumsdiskussion zu Kunst und Antisemitismus veranstaltet, die ihr hier anschauen könnt: https://www.bs-anne-frank.de/events/kalender/zum-antisemitismusskandal-auf-der-documenta-fifteen
Bei „Was geht, was bleibt“ haben wir uns schon öfter mit den Themen Kolonialismus und Erinnerungspolitik beschäftigt, zum Beispiel in diesen beiden Folgen:
https://www.swr.de/swr2/programm/blinder-fleck-der-erinnerungskultur-unser-kolonialistischer-blick-nach-osteuropa-100.html
https://www.swr.de/swr2/programm/rueckgabe-von-raubkunst-dekolonisierung-oder-reine-symbolpolitik-100.html
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Host: Pia Masurczak
Redaktion: Pia Masurczak und Kristine Harthauer