Wenige Superreiche verdienen zwei Millionen Dollar pro Stunde, und sie besitzen mehr Vermögen als die Hälfte der Welt zusammengenommen. Weltweit wächst die Ungleichheit. Dem will das Buch „Limitarismus“ der niederländischen Wirtschaftswissenschaftlerin Ingrid Robeyns begegnen, mit der Forderung nach einer Begrenzung des Reichtums.
Die Österreicherin Marlene Engelhorn hat rund 25 Millionen Euro geerbt und wird ein Großteil ihres Erbes nicht behalten. Ein Rat aus fünfzig Bürgerinnen und Bürgern wird darüber entscheiden, was damit geschehen soll. Engelhorn tritt dafür ein, die Erbschaftssteuer zu erhöhen und große Vermögen mit saftigen Steuern zu belegen, um Armut und Ungleichheit entgegenzuwirken.
Den Schluss, dass diese Forderungen sinnvoll sind, legt auch das Buch „Limitarismus. Warum Reichtum begrenzt werden muss“ nahe. Das leidenschaftliche Plädoyer für die Deckelung von Vermögen stammt aus der Feder der niederländischen Wirtschaftswissenschaftlerin und Ethikprofessorin Ingrid Robeyns.
Sie liefert Belege für die weltweit wachsende Ungleichheit und erklärt, warum diese schädlich für die Stabilität der Demokratie und das Klima ist. In einem zweiten Schritt zeigt sie Wege auf, diese Ungleichheit wieder zu verringern. Die Forscherin schreibt,
dass in den vergangenen fünf Jahren jeder der zehn reichsten britischen Milliardäre mindestens 10 Milliarden Pfund besaß oder das Äquivalent von zehntausend Dreizimmerwohnungen mitten in London. Zehntausend Dreizimmerwohnungen.
Zwei Millionen Dollar Stundenlohn
Zu Elon Musk, der 2022 die Spitze der Milliardärsliste des US-Magazins Forbes anführte, heißt es bei Robeyns:
Damals belief sich der geschätzte Wert seines Vermögens auf 219 Milliarden US-Dollar. Welchem lebenslangen Stundenlohn entspricht Musks Vermögen? Antwort: 1.871.794 US-Dollar pro Stunde. Annähernd zwei Millionen Dollar pro Stunde. Fünfundvierzig Jahre lang für jede Arbeitsstunde.
Robeyns macht in ihrem gut lesbaren Buch mit solch eindrücklichen Beispielen klar, was es heißt, unermesslich reich zu sein. Sehr große Vermögen, so schreibt sie, wurden meist nicht nur auf saubere Weise angehäuft, sondern profitierten von Steuerbetrug, Korruption oder Geldwäsche und bauten auf ausbeuterischen Gewinnen aus der Kolonialzeit auf.
Robeyns schreibt großen Vermögen auch zu viel politischen Einfluss zu, etwa durch Lobbyismus. Dadurch werde das Prinzip „eine Person – eine Stimme“ ausgehebelt. Wachsende Ungleichheit und Armut seien jedoch noch weitaus gefährlicher für die Demokratie:
Wenn unterschwellige Unzufriedenheit über die Verhältnisse herrscht, kann ein einziges Ereignis sehr schnell eine Eskalation auslösen und zu Protesten, Aufständen und sogar Regimewechseln führen. Die einzige Möglichkeit, solche dramatischen Umwälzungen zu verhindern, ist, den Gesellschaftsvertrag so zu überarbeiten, dass er allen einen gerechten Nutzen gewährleistet.
Vielfältige Wege zu mehr Gleichheit
Für Robeyns gibt es verschiedene Wege, um mehr Gleichheit zu erreichen. Hohe Steuern für Vermögende sind ein Weg, die Besteuerung von Erbschaften ein weiterer. Und Steueroasen und Steuervermeidungsstrategien gehörten abgeschafft. Am liebsten würde die Autorin ein Limit für Reichtum einführen, zumal ab einer bestimmten Vermögenshöhe der Wohlstand eines Menschen nicht mehr wachsen könne.
Eine Million Euro pro Person ermögliche einem Menschen ein sehr gutes Leben, habe beispielsweise eine Umfrage in den Niederlanden ergeben. Robeyns weiß, dass drastische Eingriffe wie eine Obergrenze für Reichtum utopisch sind. Überdenkenswert sind ihre Vorschläge aber durchaus, zumal es auch die Reichen sind, die am meisten zum Klimawandel beitragen.
Wie Marlene Engelhorn ist inzwischen eine wachsende Zahl von Vermögenden zu dem Schluss gekommen, dass ungezügelt wachsender Reichtum nicht von Nutzen sei. Wie Taxmenow in Deutschland, fordern inzwischen weltweit Vereinigungen von Vermögenden die Einführung gerechterer Steuersysteme, berichtet Ingrid Robeyns – nicht zuletzt aus Angst vor Gewalt und politischer Instabilität.
Mehr Literatur zu Kapitalismus und sozialer Ungleichheit
Buchkritik Branko Milanovic - Kapitalismus global. Über die Zukunft des Systems, das die Welt beherrscht
Branko Milanovic, serbisch-amerikanischer Ökonom, hat sich bisher vor allem der Entwicklung sozialer Ungleichheit auf globaler Ebene gewidmet. Mit seinem neuen Buch „Kapitalismus global - Über die Zukunft des Systems, das die Welt beherrscht“ legt er nun eine Analyse der Globalisierung des Kapitalismus bis kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie vor. Im Zentrum stehen dabei ökonomische und technologische Triebkräfte – Kultur, Ethik und Religion verlieren für den Autor im Globalisierungsprozess an Bedeutung und erscheinen ihm nur noch als naives, realitätsfremdes Beiwerk im globalen kommerziellen Konkurrenzkampf. Hat der globale Kapitalismus auf dieser Basis eine Zukunft? Rezension von Ingo Zander. Aus dem Englischen von Stephan Gebauer Suhrkamp Verlag ISBN 978-3-518-42923-5 404 Seiten 26 Euro
Buchkritik Yannick Haan – Enterbt uns doch endlich! Wie das Erben meine Generation zerreißt
Deutschland ist eines der ungleichsten Länder in Europa. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Das hängt u.a. mit der höchst ungerechten Verteilung von Vermögen und mit dem System des Erbens zusammen. | Rezension von Peter B. Schumann | Trabanten Verlag, 185 Seiten, 18 Euro | ISBN 978-3-98697-010-9
Buchkritik Jakob Guanzon – Überfluss
Arm zu sein in einem reichen Land hat nachhaltige psychische und gesundheitliche Folgen. In seinem Debütroman "Überfluss" zeigt der amerikanische Autor Jakob Guanzon am Beispiel eines jungen Vaters und dessen Sohn, wie Kaufkraft und Menschenwürde zusammenhängen.
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Aus dem amerikanischen Englisch von Dietlind Falk
Elster & Salis Verlag, 25 Euro
ISBN 978-3-906903-20-0