Das vorgelesene Buch erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Immer öfter erscheint zu einem auflagenstarken Buch bei der Erstveröffentlichung auch gleich eine Hörbuch-Version.
SWR Kultur stellt Hörbuch-Neuerscheinungen vor sowohl zu aktuellen Büchern, als auch zu Klassikern der Literaturgeschichte.
Hörbuch Erschütternd: Nina Kunzendorf liest „Gebranntes Kind sucht das Feuer“ von Cordelia Edvardson
Eine Tochter, die unter die Rassengesetze der Nationalsozialisten fällt. Eine Mutter, die sie nicht schützt. Die Lebenserinnerungen von Cordelia Edvardson, der Tochter der Alzeyer Schriftstellerin Elisabeth Langgässer, gehören zu den erschütterndsten Zeugnissen des Holocausts. Nina Kunzendorf nimmt den lakonischen Ton des Textes auf, und vermag dennoch, das überall lauernde Grauen mitschwingen zu lassen. Das Unfassbare, das eigentlich sprachlos macht, wird hier hörbar.
Hörbuch Vertieft: Ulrich Noethen liest „Das späte Leben“ von Bernhard Schlink
Martin ist 76 Jahre alt, hat eine sehr viel jüngere Frau und einen kleinen Sohn, der im Sommer in die Schule kommen soll. Dann die Diagnose: Bauchspeicheldrüsenkrebs. Noch zwölf Wochen, in denen er das Leben noch wie gewohnt verbringen kann – damit rechnet Martin. Doch was mit dieser Zeit anfangen, was seinen Lieben mitgeben, welche Dinge klären? Bernhard Schlink hat ein zurückhaltendes Buch über den Tod geschrieben, dem Ulrich Noethen durch seine ruhige Lesung viel Raum und Tiefe verschafft.
Hörbuch „Das Vampirtier und die Sache mit den Tomaten“ von Lotte Schweizer
Emma ist überglücklich, als sie endlich einen Hund bekommt. Auch wenn Brutus deutlich kleiner ist als erwartet, den ganzen Tag schläft und am liebsten Tomaten frisst. Doch dann lernen Emma und ihre Brüder Brutus‘ wahren Besitzer kennen und das Abenteuer beginnt. Die Schauspielerin Katharina Thalbach macht aus dieser kurzweiligen Geschichte eine wahres Ereignis: Sie knarzt, lispelt, raunt und schreit, dass es eine reine Freude ist.
Hörbuch Lustig: Shenja Lacher liest „Wie die Schweden das Träumen erfanden“ von Jonas Jonasson
Das große Stockholm und das kleine Halstaholm buhlen um die Gunst eines deutschen Bettenfabrikanten, der einen Standort in Skandinavien sucht. Dabei schrecken beide nicht davor zurück, zu nicht ganz so lauteren Mitteln zu greifen: Da werden rote Holzhütten gesprengt, um Platz für Parkplätze zu schaffen und Ministeriumsmitarbeiter erpresst. Jonas Jonasson hat hier eine sehr unterhaltsame Satire geschrieben, die von Shenja Lacher mit großer Spielfreude umgesetzt wird – vor allem die Schurken machen ihm richtig Spaß.
Hörbuch Berührend: Katharina Quast liest „Jeder Stein erzählt von einem Leben“ von Jackie Kohnstamm
Die Britin Jackie Kohnstamm entdeckt bei einer Internetrecherche zufällig Stolpersteine, die für ihre Großeltern in Berlin verlegt wurden. Anlass für sie, die Geschichte ihrer Familie zu erforschen.
Hörbuch Melancholisch: „Das Spucktütenlied“ von Nick Cave als Hörspiel von Kai Grehn
Auf Tour kreuz und quer durch Nordamerika mit seiner Band, den Bad Seeds. Unterwegs mit dem Flugzeug und immer Spucktüten in der Sitztasche vor sich. Auf diesen notiert Nick Cave alles Mögliche: Gedanken, Erinnerungen, Träume.
Kai Grehn hat daraus mit der Band Tarwater und den Schauspieler*innen Tilda Swinton, Alexander Fehling und Paula Beer eine dichte Wort-Musik-Collage gewebt, die einen hineinzieht in fremde und vertraute Fantasiewelten - mal erschreckend, mal tröstend und immer mit melancholischem Unterton.
Hörbuch Zweifellos: David Nathan liest „Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“ von Haruki Murakami
Die Stadt, die der Ich-Erzähler sich als Jugendlicher mit seiner Freundin ausgedacht hat, wird ihn sein Leben lang begleiten: Sowohl als Fantasie als auch als realer Ort, an dem er eine Zeit lang gelebt hat. Dort haben die Menschen keine Schatten – oder sind sie gar nur die Schatten ihrer selbst? Haruki Murakami entwirft eine fantastische Welt, die nicht willentlich betreten oder verlassen werden kann, sondern die selbst nach den Menschen zu greifen scheint. David Nathan liest diesen Text mit großer Bestimmtheit – wie um den Hörerinnen und Hörern Halt zu geben in diesem Spiel von Fiktion und Realität.
Hörbar Fremd-vertraut: Johannes Nussbaum liest „Echtzeitalter“ von Tonio Schachinger
Till besucht das Marianum in Wien, eine Elite-Ganztagsschule, und landet auch noch in der Klasse vom Dolinar, dem wohl strengsten Lehrer der Schule. Die wenige Freizeit, die Till bleibt, verbringt er mit Computerspielen und träumt davon, damit eines Tages sein Geld zu verdienen. Diese beiden Welten, Schule und Gaming, vermag Tonio Schachinger in ein mitreißendes Verhältnis zu setzen, so dass wir Tills Werdegang interessiert verfolgen. Erst recht in der Lesung von Johannes Nussbaum, der dem Hörbuch das entsprechende Flair gibt.
Hörbuch Mit Klassikerpotential: Uve Teschner liest „Kein guter Mann“ von Andreas Izquierdo
Walter ist Postbote und lässt sich in seinem Alter nicht mehr viel gefallen. Zur Strafe wird er in die Christkind-Filiale nach Engelskirchen versetzt. Dort regt er sich über die konsumorientierten Wunschzettel der Kinder auf, bis er den Brief des zehnjährigen Ben findet, der an den lieben Gott adressiert ist. Kurzerhand schlüpft Walter in die Rolle des Allmächtigen – schließlich hätte er ziemlich viel aus der eigenen Vergangenheit gutzumachen. Uve Teschner liest diese vielschichtige Geschichte voller Empathie für Walters tragische Figur und bringt gleichzeitig ihren grimmigen Witz zur Geltung.