Fast fünfzig Jahre lang führte Paul Hindemith einen Briefwechsel mit dem Schott-Verlag, der unter dem Titel „Hindemith - Schottverlag. Der Briefwechsel“ in vier umfangreichen Bänden in Hindemiths einstigem Stammverlag erschienen ist. Die Karriere des Komponisten ereignet sich in einer höchst krisenhaften Zeit: Sie beginnt in den Anfängen der Weimarer Republik, wird durch die Zeit des Nationalsozialismus unterbrochen und kommt schließlich in der frühen Bundesrepublik nur noch schwerfällig wieder in Gang. Von dieser gebrochenen Künstlerkarriere erzählt der Briefwechsel in nie gekannter Detailliertheit. Matthias Nöther hat die Briefe gelesen.
Der Briefwechsel zwischen Paul Hindemith und den Erben des Schott-Verlags Ludwig und Willy Strecker beginnt im Juni 1919, zwölf Tage bevor Deutschland den Friedensvertrag von Versailles unterzeichnet. Zur Vergangenheit gehören da zum Beispiel die Hoftheater in ihrer alten Struktur: Und gerade ein Musikverlag kann sich auf die Meriten der Vergangenheit nicht verlassen – Schott zum Beispiel nicht auf einen florierenden Vertrieb der Opern Richard Wagners. Vielleicht deshalb stößt es auf das Interesse der Gebrüder Strecker, dass ihnen ein dreiundzwanzigjähriger Komponist einige Kammermusikwerke vorlegt, die sie sich daraufhin auch gerne einmal anhören.
Willy und Ludwig Strecker lassen sich durch die Musikkritik nicht beirren. Paul Hindemith ist Konzertmeister des Frankfurter Opernorchesters, als Komponist allerdings ein Nobody. Wobei Hindemith selbst gegenüber den Streckers bald schon eine ganz andere Meinung vertritt.
Dieser Brief stammt von 1922, aus dem Jahr der Hyperinflation – eine Zeit, in der die Nerven beim Verlag blank gelegen haben dürften. Gerade die Briefe aus der Weimarer Republik belegen, wie selbstbewusst Hindemith seinem Verlag gegenübertrat. Ob er wirklich einen anderen Verlag zum Wechseln in der Hinterhand hatte, geht natürlich aus dem Briefwechsel mit Schott nicht hervor. Die Brüder Strecker mussten aber offenbar damit rechnen und erfüllten Hindemith viele seiner Wünsche. Doch das gegenseitige Vertrauen wuchs. Als Hindemith Frankfurt 1928 für eine Professur in Berlin verlässt, hatte sich ein enges Verhältnis zwischen Künstler und Verlag herausgebildet, wie man es von kaum einem anderen berühmten Komponisten und seinem Verleger kennt.
In den Dreißiger Jahren wollten die Streckers Paul Hindemiths neue Oper „Mathis der Maler“ in Nazi-Deutschland zur Aufführung bringen. Der Dirigent Wilhelm Furtwängler versuchte, Hitler und Goebbels von der Oper überzeugen. Besonders Gertrud Hindemith ging in ihren Briefen an den Verlag zu Codewörtern über: Fu stand für Furtwängler, SS für Schotts Söhne.
Furtwängler hatte kein Glück bei Hitler, „Mathis der Maler“ wurde erst 1938 in Hindemiths erstem Exil-Land, der Schweiz uraufgeführt. In den Jahren zuvor konnten die Verleger Hindemith noch in Deutschland halten – dies ist ein weiterer Teil des Briefwechsels, in den sich resignierte Töne mischen. Im NS-Staat durften keine größeren Werke von Hindemith mehr aufgeführt werden. Er schrieb vor allem Kammermusik für einzelne Orchesterinstrumente – denen man die Meisterschaft eines öffentlich ausgebremsten Künstlers im besten Alter wahrlich anmerkt. Ob diese Stücke von Schott gedruckt würden, war Hindemith jetzt eigentlich egal.
In der Nachkriegszeit erhalten die Briefe einen fast tragischen Einschlag. Dem Komponisten war nach seiner Rückkehr aus den USA in den 1950er Jahren nur schwer klar zu machen, dass Schott nicht in erster Linie der Hindemith-Verlag war. Der Briefwechsel zwischen dem Schott-Verlag und Paul Hindemith: Man muss nicht die umfangreichen vier Bände vollständig durchlesen, um Bezüge zur Gegenwart herzustellen. Denn bei der Lektüre erhält man schnell einen Sinn dafür, wie sehr wirtschaftliche und politische Umstände eines Zeitalters Künstlerkarrieren beeinflussen können.
Buch-Tipp Hindemith - Schottverlag. Der Briefwechsel 1919-1967
Fast fünfzig Jahre lang führte Paul Hindemith einen Briefwechsel mit dem Schott-Verlag, der unter dem Titel „Hindemith - Schottverlag. Der Briefwechsel“ in vier umfangreichen Bänden in Hindemiths einstigem Stammverlag erschienen ist. Die Karriere des Komponisten ereignet sich in einer höchst krisenhaften Zeit: Sie beginnt in den Anfängen der Weimarer Republik, wird durch die Zeit des Nationalsozialismus unterbrochen und kommt schließlich in der frühen Bundesrepublik nur noch schwerfällig wieder in Gang. Von dieser gebrochenen Künstlerkarriere erzählt der Briefwechsel in nie gekannter Detailliertheit. Matthias Nöther hat die Briefe gelesen.