Mal einen Anhalter mitnehmen – warum denn nicht? Am Straßenrand steht der blonde Isländer Svein. Unbekümmert nehmen die Urlauber Tiddo und Isa ihn mit.
Sie kommen aus den Niederlanden und machen gerade eine Tour durchs raue Island. Doch ihre Ehe kriselt, und durch Sveins Anwesenheit drängen lange verdrängte Probleme umso stärker ans Tageslicht.
Besuch beim Autor in den Niederlanden
„Hoe gaat het?“ Gerwin van der Werf öffnet lächelnd die Tür – hält aber einen höflichen Sicherheitsabstand. Der Autor wohnt im holländischen Leiden. Die kleine Universitätsstadt mit ihren Windmühlen und Kanälen wurde vom Virus weitgehend verschont.
Viele Läden und Restaurants sind längst wieder offen. Doch die Menschen sind lieber noch vorsichtig.Van der Werf bittet deswegen in den Garten - gut 20 Quadratmeter grüne Ordnung.
Und damit das ganze Gegenteil jener Landschaft, die den Autor zu seinem Roman „Der Anhalter“ inspiriert hat: die Lavafelder auf Island.
Die Landschaft formt die Erzählung
„Der Anhalter“ gibt im Klappentext vor, eine Mischung aus Reiseroman und Thriller zu sein, ist aber viel mehr als das. Nämlich das Psychogramm eines verzweifelten Mannes.
Im Zentrum der Tragikomödie steht Familienvater Tiddo
In fein ausbalancierter Prosa erzählt Van der Werf die tragikomische Geschichte des Familienvaters Tiddo, der mit einem Urlaub in Island seine Ehe retten will. Wie so viele Menschen glaubt Tiddo, das Reisen allein Probleme lösen kann.
Die Vulkaninsel soll die eingeschlafene Ehe retten
Die Leidenschaft zwischen Tiddo und seiner Frau Isa ist erloschen. Sex haben die beiden schon lange keinen mehr. Und so erhofft sich Van der Werfs Romanheld von der Vulkaninsel eine aphrodisierende Wirkung.
Gemeinsam mit Frau und Sohn rollt Tiddo erst in einem Wohnmobil und später – als die Lage zunehmend eskaliert – in einem Jeep durch Island.
Der Roman ist weit entfernt von einer Autobiografie
Der Autor greift zum Teil auf eigene Erlebnisse zurück. Vor drei Jahren war Gerwin van der Werf selbst mit der Familie in Island, auf Rundreise, mit einem Wohnmobil. Doch damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf.
Ein geheimnisvoller Anhalter will Tiddo bei seinen Eheproblemen helfen
Im Roman nimmt die Familie nach wenigen Kilometern einen Anhalter mit. Svein ist ein junger, gutaussehender Isländer, der gern und viel redet.
Ganz anders als Tiddo. Der Familienvater hat nichts zu erzählen und beschreibt sich als einen Mann, „der seinen Sohn nicht kennt und für seine Frau zu dumm ist“.
Als Svein anbietet, ihm dabei zu helfen, die Ehe zu retten, willigt Tiddo ein.
Schon bald entwickelt sich Svein zur Bedrohung für die Familie
Tiddo teilt auch so manches intimes Geheimnis mit dem Fremden. Doch was genau Svein antreibt, ist unklar. Die Familie wird den Anhalter kaum noch los. Und er wird zur Bedrohung.
Ob der Anhalter wirklich existiert bleibt ungewiss
Gibt es Svein wirklich? Oder gehört der Anhalter wie Feen und Trolle zum mystischen Personal Islands? Diese Frage stellt man sich auch als Leser gen Ende des Romans immer öfter. Und bald misstraut man nicht nur dem Anhalter, sondern auch Tiddo, dem Erzähler.
Tiddo wird zur tragischen Figur
Real oder imaginär, der junge, selbstbewusste Anhalter wird nicht nur zu Tiddos Nemesis, sondern auch zu dessen Vorbild.
Aus Tiddos Selbstmitleid wird Aktionismus – mit verheerenden Konsequenzen. Die Familie gerät in Gefahr. Der Familienvater wird zur tragischen Figur.
van der Werf hält immer einen Witz parat
Auf originelle Weise verhandelt der Roman Themen wie Liebe, Männlichkeit und das Älterwerden. Aber immer dann, wenn es zu dramatisch wird, sorgt Gerwin van der Werfs Witz für Leichtigkeit.
„Der Anhalter“ beinhaltet Leichtfüßigkeit und Tiefsinn gleichermaßen
Und so ist „Der Anhalter“ ein leichtfüßiger und doch tiefsinniger Roman geworden.
Ein Roman über einen Mann, der sein Leben und seine Ehe, dermaßen gegen die Wand fährt, dass ihm auch alle Geister Islands nicht mehr weiterhelfen können.