Kaum etwas vermittelt uns Deutschen sofort dieses gewisse Urlaubsgefühl wie italienische Popmusik. Der Musikjournalist Eric Pfeil ist selbst ein großer Italien-Liebhaber und widmet sich nun schon zum zweiten Mal 100 großen Songs der „Musica Leggera“: ein Buch wie eine bunte Antipasti-Platte!
Mit dem Schlager „Abbronzatissima“ – „stark gebräunt“ von Edoardo Vianello beginnt Eric Pfeils zweite musikalische Italienrundreise. Dass dieser Sommerhit aus dem Jahr 1963 den Auftakt bildet, ist zwar schlicht der alphabetischen Aufzählung nach Liedtiteln geschuldet. Aber auch inhaltlich ergibt es Sinn:
Ein Buch wie eine riesige gemischte Antipasti-Platte
100 Lieder in 100 Kapiteln – wie schon das erste Italien-Buch von Eric Pfeil ist auch dieser Band wie eine riesige gemischte Antipasti-Platte: bunt, abwechslungsreich, überraschend, aber auch tiefgründig.
So erklärt der Autor beispielsweise anhand von Ivano Fossatis „La mia banda suona il rock“ das Verhältnis des Einzelnen zur Nation. Der Genueser Fossati nahm das Album 1979 in den USA auf, um der provinziellen Kleinteiligkeit seiner Heimat zu entfliehen.
Leidenschaftlicher Italien-Forscher
Pfeil, das scheint auf jeder Seite durch, ist nicht einfach nur Tourist. Er ist ein leidenschaftlicher Italien-Forscher, der das Land in all seiner kulturell und regional fragmentierten Gesamtheit erfassen will. Dafür hat er es über Jahrzehnte hinweg bereist, sich in die Geschichte eingelesen und mit vielen Menschen gesprochen. Dieses Wissen vermittelt er uns anhand der ausgesuchten Lieder.
Große Themenvielfalt der italienischen Popmusik
Weil, so Pfeil, in der Musica leggera, wie sie in Italien heißt, wirklich jedes Thema abgehandelt werde. Die Anni di piombo, die bleiernen Jahre des Links-Rechts-Terrors in den 70ern, haben genauso ihre musikalische Entsprechung wie die LGBTQ-Bewegung oder die Rückkehr des Rechtspopulismus. Wir erfahren zudem, welche Künstler politisch wo zu verorten zu sind, und Pfeil erinnert daran, wie wichtig das San Remo-Festival für italienische Liedkultur ist. Und dass die wahren Superstars des italienischen Lieds nicht die sind, die wir in Deutschland dafür halten - statt Ramazotti, Zuccero und Cutogno nämlich: De Andre, di Gregorio, Mina und immer wieder Lucio Battisti.
Manchmal versteigt sich Pfeil etwas in seinen Formulierungen, verfällt dann in eine Art Jugendfreizeitleiter-Sprech der 80er-Jahre oder in Manager-Denglisch: da wird mächtig aufs Pedal gedrückt, direkt durch den Käse geschnitten und Themen werden adressiert, statt sie – nun ja – eben einfach an- oder auszusprechen. Das jedoch sind lässliche Verfehlungen dieses Reiseführers der anderen Art. Eric Pfeil trifft darin nämlich genau den Ton, den er am Gegenstand seiner Betrachtung so liebt: glitzernd und flirrend.
Mehr Literatur über Italien
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Rowohlt-Verlag, 333 Seiten, 28 Euro
ISBN: 978-3-498-00380-7
Gespräch Thomas Steinfeld - Italien. Porträt eines fremden Landes
Thomas Steinfeld entwirft in seinem Italienporträt das Bild eines zerrissenen, aber sehr starken Landes.
Alexander Wasner im Gespräch mit Thomas Steinfeld.
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Rezension von Julia Schröder.
Wagenbach Verlag, 168 Seiten, 20 Euro
ISBN 978-3-8031-1362-7