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Diane Oliver – Nachbarn

Stand
Autor/in
Claudia Fuchs

Die Kurzgeschichten der 1966 jung verstorbenen afro-amerikanischen Autorin Diane Oliver sind eine hinreißende Neuentdeckung.

Der Band „Nachbarn“ umfasst vierzehn Short Stories und erzählt von einem Amerika im Umbruch. Die Geschichten spielen vor dem Hintergrund der Bürgerrechtsbewegung der 1950er Jahre, als die Rassentrennung in den Südstaaten den Alltag Schwarzer Familien bestimmte.

Unglaublich, dass sie mit Anfang zwanzig schon so gut schreiben konnte. Diane Oliver bringt mit den Innensichten ihrer Schwarzen Protagonist*innen die engen Grenzen ins Bewusstsein, die Afro-Amerikaner*innen durch die Rassentrennung gesetzt wurden.

Die Kurzgeschichten der 1943 geborenen afro-amerikanischen Autorin lesen sich leicht, aber sie handeln von schwierigen Zeiten. Denn Diane Oliver wuchs in den 1940er und 50er Jahren in Charlotte, North Carolina auf und erlebte dort auch den Kampf der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung für die Aufhebung der Rassentrennung. Davon erzählt Diane Oliver in ihren Geschichten – und zwar aus der Perspektive der Zeitzeugin.

Die Titelgeschichte der Short-Story-Sammlung „Nachbarn“ führt uns mitten hinein in die Südstaaten der USA. Darin will eine schwarze Mittel­klasse-Familie ihren Sohn Tommy an eine Grundschule schicken, die bisher ausschließlich von weißen Schüler*innen besucht wird. Wie die Durchsetzung des verfassungsmäßigen Rechts auf gleiche Bildung die Familie an ihre Grenzen führt, erfahren wir aus der Perspektive von Tommys älterer Schwester Ellie.

Rassentrennung in den Südstaaten

Das Private ist politisch – das machen die eindringlichen Alltagsszenen deutlich. In der bescheidenen Wohnung der siebenköpfigen Familie, wo Ellie auf einem Klappbett schläft, herrscht am Abend hohe Anspannung. Nach Zeitungsberichten über Tommys anstehende Einschulung patrouillieren Streifenwagen vor dem Haus der Familie, die täglich Drohbriefe erhält.

Die Angst vor einem weißen Mob, der trotz der Supreme-Court-Entscheidung von 1954 die Aufhebung der Rassentrennung an öffentlichen Schulen verhindern will, ist in jedem Satz spürbar. Knappe Dialoge zwischen der erschöpften Mutter und der hilflosen Ellie zeigen die Zerris­senheit zwischen Durchhaltewillen und Resignation. Welchen Preis müssen Schwarze Kinder für ihr Recht auf gleiche Bildung zahlen?

Diane Oliver lässt uns in ihren Erzählungen den bedrückenden Alltag von Schwarzen Familien in den rassistisch geprägten Südstaaten miterleben und nachfühlen. In „Vor der Dämmerung“ etwa schildert eine allwissende Erzählerin aus der Sicht eines jungen Mädchens den vergeblichen Versuch Schwarzer Jugendlicher, im örtlichen Restaurant bedient zu werden. Demonstrativ verlassen daraufhin sämtliche weißen Gäste den Raum. Für die Jugendlichen endet der Restaurantbesuch schließlich mit roher Polizeigewalt.

Soziale Probleme in afro-amerikanischen Familien

In den Südstaaten versuchte man, die Aufhebung der Rassentrennung trotz gesetzlicher Vorgaben lange gewaltsam zu verhindern. Viele der Schwarzen Frauen verdingten sich damals als Hausangestellte, weil ihre Männer die mittellose Familie wegen besserer Jobaussichten Richtung Nordstaaten verlassen haben. Auch davon erzählt Diane Oliver.

Zerschlissene Kleidung, abgenutzte Möbel, beengte Wohnverhältnisse und schlechte Gesundheitsversorgung waren die Norm, nicht die Ausnahme.

Manchmal wundert es mich, wieso nicht mehr von uns tot sind,

sagt eine Schwarze Patientin im überfüllten Warteraum des staatlichen Gesundheitsdienstes.

Mir hätte mein Blinddarm platzen können und denen wär das völlig egal.

Gleichgültigkeit, Hass und Beschimpfungen prägten den Alltag Schwarzer US-Bürger*innen besonders in den Südstaaten. Oliver schreibt nüchtern und benennt viele Details, die sich zu permanentem Psychoterror summieren.

Die meisten von Olivers Short Storys beruhen auf autobiografischen Erfahrungen als junge, schwarze Südstaatlerin und haben damit auch dokumentarischen und historischen Charakter. Fast alle Short Storys werden aus weiblicher Perspektive erzählt und bieten Innenansichten Schwarzer Familien, die in den damaligen Presseartikeln nicht zu finden waren.

In einer Geschichte experimentiert die Autorin, die bereits mit 22 bei einem Autounfall starb, mit einer anonymen Erzählerstimme, in einer anderen fügt sie Elemente aus dem Horror-Genre ein.

„Young, gifted and black“ – jung, begabt und schwarz – diese Titelzeile des bekannten Nina-Simone-Songs fasst das kurze Leben von Diane Oliver treffend zusammen, das 1966 so früh endete. Das sachkundige Nachwort der US-Schriftstellerin Tayari Jones lässt keinen Zweifel, dass die Liste der wichtigen afro-amerikanischen Autor*innen um Diane Oliver ergänzt werden muss.

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