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Agi Mishol: Gedicht für den unvollkommenen Menschen

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Agi Mishol wurde 1946 in Transsilvanien als Tochter ungarischer Eltern geboren, die bald darauf nach Israel auswanderten, wo Mishol noch heute lebt. Sie ist eine der erfolgreichsten und bedeutendsten israelischen Gegenwartslyrikerinnen, die mittlerweile mehr als 20 Gedichtbände veröffentlicht hat.

In Deutschland war die erste Auflage ihres Buchs „Gedicht für den unvollkommenen Menschen“ bereits kurz nach dem Erscheinen vergriffen.

Leicht, luftig, oft gut gelaunt, jedenfalls niemals pathetisch wirken Mishols Verse. Der Schriftsteller Ariel Hirschfeld schreibt in seinem Nachwort, Mishol gelinge „eine seltene Verbindung von philosophischer Betrachtung und starker Sinnlichkeit, von tragischer Sicht des menschlichen Lebens und einem kindlich wirkenden, Nähe erzeugenden Humor, wobei sie Umgangssprache und manchmal auch Slang mit erhabenem Wortschatz vermischt, der sich an die ältesten Quellen der hebräischen Sprache zurückbindet.“

Paradigmatisch für die Vielschichtigkeit von Mishols Gedichten nennt Hirschfeld das Gedicht „Olivenbaum“. Dort heißt es: „Eilige Fahrer auf dem Weg nach Hause bemerken ihn vielleicht zwischen/zwei Pflanztöpfen/die auf der Seite liegen/haben aber keine Zeit für die verschlungene Geschichte/die aus seinem Stamm aufragt – für seine/mit Bauunternehmerhumor zurechtgestutzte/Krone“.

Der Baum als Symbol des Lebens wird hier zugleich zu einem Opfer von ökologiefeindlicher Zurichtung und in der folgenden Strophe auch zu einem politischen Streitfall in den von Israel besetzten Gebieten, in denen Olivenbäume regelmäßig entwurzelt werden. Dieser Band ist eine Einladung zur Entdeckung einer Dichterin.

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