„Sandberg“ war der Roman, der in der Übersetzung von Esther Kinsky die 1968 geborene polnische Schriftstellerin quasi aus dem Nichts zu einem Star der europäischen Literatur machte. Das ist zwölf Jahre her, und Joanna Bator hat durch ihre nachfolgenden Veröffentlichungen unter Beweis gestellt, dass der Erfolg nicht zufällig kam.
Auch in „Bitternis“, rund 800 Seiten dick, setzt sich sofort der Tonfall ins Ohr: „Letzten Herbst habe ich mir in einem niederschlesischen Dorf ein hundert Jahre altes Haus gekauft. Zu dem Haus gehört auch ein Hund; sein Kopf sieht nach Wolf aus, sein Körper wie ein angestaubter Eisbär. Ein Ohr schwarz, das andere weiß, beide spitz und wachsam.“ Die Ich-Erzählerin heißt Kalina, und das Haus, das sie erworben hat, steht in Sokołowsko, vormals Görbersdorf in Niederschlesien. Einst stand hier ein Sanatorium für Tuberkulosekranke, und Kalina ist gekommen, um die Geschichte des Dorfes, vor allem aber die ihrer eigenen Familie niederzuschreiben.
Als ihre Urgroßmutter Berta hier lebte, gehörte das Dorf noch zum Deutschen Reich. Ihre Großmutter, unehelich geboren, wurde in einem Waisenhaus mehr gequält denn aufgezogen, schließlich zur Adoption freigegeben und wuchs mit ihren Adoptiveltern nach dem Krieg in Wałbrzych auf. Dort ist auch die Autorin selbst geboren. Aus wechselnden Perspektiven fächert Bator das Leben von vier Generationen von Frauen auf. Vier Generationen abwesender Männer, vier Generationen Unglück. Eine Familiensaga aus weiblicher Sicht.