Diskutiert wurde das Buch auf Platz 5 der SWR Bestenliste März 2022:
Das autofiktionale Schreiben als literarische Ausdrucksform von Identitätserkundung ist mittlerweile zu einer in vielen Varianten praktizierten Modeerscheinung geworden. Julia Schoch hat diesem Ansatz in ihrem neuen Roman noch einmal eine neue Volte und eine zusätzliche Reflexionsebene hinzugefügt. Auf dem Umschlag stehen gleich zwei Gattungen: „Biographie einer Frau“ und „Roman“, und beides wird in ein Spannungsverhältnis zueinander gesetzt.
Das titelgebende Vorkommnis ereignet sich gleich auf der ersten Seite: Eine Autorin liest in einer norddeutschen Stadt aus ihrem neuen Roman vor. Im Anschluss an die Veranstaltung tritt eine Frau an den Signiertisch und sagt lapidar: „Wir haben übrigens denselben Vater.“
Eine Begegnung, die das Leben der Autorin auf den Kopf stellt und ihr Bild von Familie und Zugehörigkeit noch dazu. Jeder, so sagt Julia Schoch es in einem Interview, habe eine Erzählung von sich selbst, in der alles und jeder seinen festen Platz habe. Und diese Erzählung gebe man nicht gerne auf.
Um den Zwang, die Ordnung des eigenen Lebens und auch der eigenen Erinnerung aufgeben zu müssen, dreht sich „Das Vorkommnis“. Es geht um eine Kindheit in der DDR, um familiäre Muster und um Strukturen von Liebesbeziehungen. All das stellt Julia Schoch auf den Prüfstand.
„Das Vorkommnis“ ist der Auftakt zu einer Trilogie, die von Frauen erzählen soll, deren Welt- und Selbstbild durch äußere Schockmomente erschüttert wird. Eine „Einladung zur Empathie“, wie die Autorin es formuliert.