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Bernd Roling, Julia Weitbrecht – Das Einhorn. Geschichte einer Faszination

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Autor/in
Andrea Gnam

Bernd Roling, Professor für Mittel und Neulatein und Jutta Weitbrecht, Professorin für Ältere deutsche Spache erkunden gemeinsam die Kulturgeschichte des Einhorns. Die Beschäftigung mit dem Einhorn, das als Heilsbringer und Freiheitsdrang bis heute fasziniert, wirft ein Schlaglicht auf die Grundfiguren mittelalterlichen Denkens.

Das wunderbare Einhorn behauptet seit Jahren seinen Platz im Kinderzimmer. Seine gleißend weiße Gestalt ist anmutig, aber es ist auch mit einem gefährlichen Horn bewaffnet. In der Antike ähnelte es einem Pferd oder Esel, im Mittelalter wurde es kleiner und nahm die Gestalt einer Ziege an. Es gab auch hybride Wesen mit zottiger Mähne, gespaltenen Hufen und struppigem Bart oder mit Hirschhaupt, Elefantenfüßen und Schweineschwanz. Bernd Roling und Jutta Weitbrecht interessieren sich in ihrem so kenntnisreichen wie unterhaltsamen Buch „Das Einhorn“ für die „Wissensgeschichte“ des Einhorns. Denn stets argumentierten Einhornforscher vor dem Hintergrund des naturgeschichtlichen Wissens ihrer Zeit. Dazu gehörte auch im Mittelalter Empirie: Man zählte akribisch die Erscheinungsformen und Sichtungen des scheuen Tiers auf und verband das Vorgestellte mit der Kenntnis von realen Wildtieren.

Das Buch gibt anhand der Figur des Einhorns einen fundierten Einblick in mittelalterliches Denken, das uns heute in vielem fremd erscheinen mag. Im Mittelalter bezogen die Gelehrten ihr naturwissenschaftliches Wissen aus antiken Quellen. Dabei werden allerdings sämtliche Wesen und Dinge, über die sie schreiben, auch als Symbole aufgefasst: Sie verweisen direkt auf die christliche Heilsgeschichte. So auch das starke und flinke Einhorn, das sich dem Jäger entzieht. Es kann indes von einer reinen, schön gekleideten Jungfrau angelockt werden. Vertrauensvoll legt es seinen Kopf in ihren Schoß, der hinzukommende Jäger kann es einfangen oder töten. So wird es erstmals im mittelalterlichen Physiologus geschildert. Dort werden ausgewählte Tiere mit fantasievoll erdachten Eigenschaften versehen, und ihr Treiben wird für den Leser als Hinweis auf Leiden und Auferstehung Christi gedeutet und damit auf die Heilsgeschichte. Das Einhorn und sein Tod symbolisieren Christus. Auf Bildern, die die Verkündigung darstellen, ruht das Einhorn einträchtig neben Maria in einem Gärtlein, während der Engel Gabriel mit Jagdhorn, Lanze und Hund hinzutritt.

Gleichzeitig ist es aber auch möglich, anhand von Darstellungen auf Tapisserien und in der Buchmalerei die hin und her wechselnden Blicke zwischen Jungfrau und Jägern als irdische, höfische Liebesgeschichte aufzufassen. Wie die Liebe diente die Jagd dazu, die innere Wildheit des Mannes zu kultivieren: „Auch die weltlichen Deutungen haben ihren Ursprung in den christlichen Naturkunden, denn erst mit Einführung der Jungfrau als Lockspeise wird das struppige Mischwesen der antiken Quellen zum Objekt der Begierde“, schreiben die Autoren. Das Einhorn wird seit dem Mittelalter vermarktet: Man schreibt seinem Horn heilbringende Kräfte zu, und es hält Einzug in die Wunderkammern der Fürsten. Ärzte stellen medizinische Versuche an, und es dauert seine Zeit bis ein dänischer Arzt herausfindet, dass die teuer erworbenen Hörner in den Wunderkammern und Apotheken allesamt vom Narwal oder ähnlichen Tieren stammen. Da der Handel blühte, hielt man sich mit der Kritik an der Heilkraft des pulverisierten Horns zurück, es stammte jetzt nur nachweislich eben nicht mehr vom Einhorn. In Quedlinburg wurde noch im 18. Jahrhundert aus Knochenfunden ein prähistorisches Einhorn montiert „eine Chimäre, aus Narwalstoßzähnen, Sinnestäuschungen und Einbildungskraft“, so die Autoren. Es gab auch Reiseberichte von Einhornsichtungen – in sehr fernen Ländern, versteht sich.

Bis heute ist der Mythos lebendig geblieben, nicht nur in esoterischen Zirkeln, wo man spirituelle Energie aus der Beschäftigung mit der Figur ziehen möchte. Auch die Pride-Bewegung hat in den 1980er Jahren das Einhorn zum Maskottchen gewählt: Hier wegen seiner „Wandelbarkeit, Freiheit und Unangepasstheit“. Weitbrecht und Roling gelingt es, eine gut belegte, glanzvolle Kulturgeschichte des bis heute so faszinierenden Einhorns zu schreiben.

Hanser Verlag, 160 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3-446-27610-9

Mythologie Das Einhorn – Kult um ein Fabelwesen

Einhörner sind allgegenwärtig als Plüschtier im Kinderzimmer, Symbol der queeren Bewegung oder Thema in Esoterik-Seminaren. Das Fabelwesen steht für Freiheit und Autonomie, aber auch für Reinheit, Heilkraft und vieles mehr.

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Das Leben junger Großstädter kann ganz schön schlauchen: Hier der Druck, individuell und unverwechselbar zu sein, da der Wunsch nach Nähe und echten Beziehungen. Von diesem Spagat erzählen der Büchner-Preisträger Clemens J. Setz und die Zeichnerin Karoline Kuttner in ihrer absurd-komischen Graphic Novel "Unique, das traurige Einhorn".

Luftschacht Verlag, 64 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3-903422-15-5

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