In ihrer Kunst verarbeiten sie mitunter ihre Erfahrungen mit der Flucht aus Syrien oder erweitern die Kulturlandschaft mit orientalisch beeinflussten Stilelementen.
- Mohamad Alweis – Ornamentkunst auf Käseschachteln
- Saeed Hani – Choreograf und Tänzer
- Rasha Deeb – Bildhauerin und Malerin
- Shadi Nseir – Bilder in den Vatikanischen Museen in Rom
- Rafik Schami – Schriftsteller zwischen Jugendbuch und Erwachsenenliteratur
Mohamad Alweis – Orientalische Ornamentkunst auf Käseschachteln
Mohamad Alweis, besser bekannt unter dem Namen „Weiso“, ist 2012 aus Syrien über Ägypten und die Türkei nach Schorndorf im Rems-Murr-Kreis geflohen. Als der Bürgerkrieg Anfang 2011 ausbrach und die ersten Bomben fielen, musste er sein Kunst- und Innenarchitekturstudium noch vor dem Master abbrechen.
Die Schorndorfer Kunstszene hat Alweis den Neustart in Baden-Württemberg erleichtert. In einer Werbeagentur konnte der syrische Künstler ein Praktikum machen und im Figurentheater Phoenix und dem dort ansässigen Kunstverein rasch Fuß fassen.
Schaufenster, Theater, Werbeagentur und Kunstverein
So durfte er etwa beim Aufbau der Kunststraße im Sommer 2015 helfen, bei der 60 Künstler aus vier Ländern 60 Schaufenster zum Thema „Mare Nostrum – Das Mittelmeer“ bestückten. In seinem düster gestalteten Fenster von damals verarbeitete er seine Fluchterfahrungen.
Zudem bekam „Weiso“ im damaligen Bahnhofsatelier der Wahl-Schorndorferin Renate Bosse ein Plätzchen und malte orientalische Ornamente auf Käseschachteln, die er in der Werkstatt des Kulturforums im Arnold-Areal gefunden hatte. Für ihn war dies Ausdruck seiner Verbindung mit Deutschland. Käseschachteln waren für ihn typisch Deutsch und so konnte er mit orientalischen Ornamenten eine Verbindung zur arabischen Kultur herstellen.
Saeed Hani – Choreograf und Tänzer aus Syrien
Saeed Hani brachte als syrischer Choreograf und Tänzer einen neuen künstlerischen Ansatz nach Deutschland. Doch bis ihn sein Weg 2015 nach Trier führte, hatte er bereits eine bewegende Reise hinter sich.
In seiner Heimat Syrien studierte er Tanz und machte einen Bachelor am Higher Institute of Dramatic Arts in Damaskus. Mit der Caracalla Dance Company in Beirut ging er auf Tourneen durch Italien, die Türkei, den Oman, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, Algerien und China.
In die Herzen des Publikums getanzt
Mit seiner Leidenschaft für den Tanz überschreitet Hani traditionelle Grenzen. Inspiriert durch Malerei, Fotografie, Klänge aus der Umwelt und menschliche Geschichten schafft er bewegende Bilder, die ihre Betrachter tief berühren. Er möchte sich mit der Komplexität der menschlichen Existenz visuell auseinandersetzen und behandelt dabei politisch brisante Themen wie sexuelle Diversität, Krieg und Konflikte.
Im Mittelpunkt seiner Arbeiten steht der Mensch. Genauer gesagt: der nackte Mensch. Denn er will den Körper als etwas Stolzes, Unschuldiges, von Gott Geschaffenes zeigen, sagte Hani bei einem Zeitungsinterview im Triererischen Volksfreund. Nacktheit sei für ihn auch ein Ausdruck von Bedürftigkeit, Inklusion ein wichtiges Thema. Deshalb arbeitet er auch immer wieder mit dem Trierer Verein menschMitmensch zusammen.
International gefeierte Choreografien
Seit 2016 setzt er sein Talent auch als Choreograf um. In diesem Jahr begann die erfolgreiche Reise von Hani Dance mit mittlerweile insgesamt acht Projekten, die international für Aufsehen sorgten. Besonderen Anklang fand sein viertes Projekt „The Blind Narcissist“, das 2020 in Trier Premiere feierte und zwei Jahre später Teil des angesehenen „Hors Circuit“-Programms der Stadt Luxemburg im Trois CL wurde.
Bei dem Stück geht es um die selbstzerstörerische Liebe eines jungen Mannes zu einem Narzissten. Bei der Erzählung, die auf dem griechischen Narziss-Mythos beruht, zeigt sich seine besondere visuelle Gabe, indem Hani bei seinen Choreografien auch Elemente aus der Bildenden Kunst und der Raumkunst mit einfließen lässt.
Daneben lässt er sich auch von der Landschaft und den Legenden seiner Heimat inspirieren und versucht eine Brücke zwischen der östlichen und westlichen Welt zu schlagen.
Aber auch bei seinem neuesten Projekt bleibt er seiner neuen Heimat Trier treu, auch wenn der Abkömmling einer christlich-aramäischen Familie ein Grenzgänger geblieben ist. So fand etwa die Premiere von „Khaos“ im Mierscher Kulturhaus in Luxemburg statt. Es folgten aber auch Aufführungen im Trierer Messepark.
Rasha Deeb – Bildhauerin und Malerin
Seit ihrer Kindheit war die Bildhauerei ihre Leidenschaft. Am Institut für Angewandte Kunst der Universität Damaskus nahm Rasha Deeb ein Studium mit dem Schwerpunkt Bildhauerei auf und unterrichtete nebenbei selbst Kunst. Aufgrund ihrer Begabung erhielt sie schon während ihres Studiums ein sogenanntes Mittelmeerländer-Stipendium in der Türkei, das ihr erste Kontakte mit der Kunst der Nachbarländer ermöglichte.
Ihr Schaffensspektrum erweiterte sie mit expressionistischer Malerei, mit der sie innere Emotionen und Verwirrungen auszudrücken vermochte. Und trotz Ausbruch des Krieges setzte sie ihr Studium fort und beendete es 2014 in Syrien. Von ihrer Kunst konnte sie anfangs noch gut leben und stellte in Syrien, im Libanon und der Türkei aus. Auch Damaskus war noch bunt und vielfältig, unterschiedliche Religionen und Kulturen lebten relativ entspannt nebeneinander. Es gab noch viele Künstler.
Christin möchte nicht als ewiger Flüchtling angesehen werden
Unter dem Assad-Regime und dem IS musste sie sich als Christin mehr und mehr fürchten – die Kunst war für sie wie eine Art Medizin. Über den Libanon floh sie schließlich nach Deutschland in die Unistadt Tübingen, um sich ein neues Leben aufzubauen. Doch die meisten würden in ihr „nur“ den Flüchtling sehen. Auch wenn sie auf dem beschwerlichen Weg die Schreckensbilder des Krieges prägten und sie Gewalt erfahren habe, wolle sie nicht ein Leben, das nur aus Fluchtgeschichten besteht.
Es folgten Ausstellungen in Europa, von denen persönlich für sie die Biennale 2019 in Venedig und die Ausstellung Artessima Torino am wichtigsten waren. Ihre letzte Einzelausstellung präsentierte Deeb unter dem Titel „Into the Sun“ 2020 in Heidelberg.
Werke mit eindringlicher Botschaft
Im Vordergrund ihrer Werke soll kein kommerzieller Aspekt stehen, sondern die Vermittlung einer Botschaft. So setzt sie sich in ihrem Projekt „Human“ beispielsweise mit Adam und Eva auseinander. Dabei steht Adam für den Mann, der trotz Wohlstands Krieg treibt. Eva ist die Verkörperung eines nach Frieden strebenden Wesens.
„New Baby For A New War“ (Neues Baby für einen neuen Krieg) nannte sie eins ihrer großen Bilder in der Heidelberger Ausstellung. Es soll die verzehrende Kraft des Krieges zum Ausdruck bringen.
Kunst mit Kettensäge
Am Herzen lag ihr auch die Kunst mit der Kettensäge. Mithilfe des schweren Werkzeugs schuf sie große Holzskulpturen. Dies wurde ihr letztendlich aber auch zum Verhängnis. Denn die Säge war der Grund für ihre Arm- und Nackenschmerzen, die sogar zu einer Operation führten.
Auf die Kunst mit der Kettensäge muss sie nun verzichten, doch ihr künstlerisches Talent hält viele weitere Betätigungsbereiche für sie offen.
Shadi Nseir – Fand sein Bild in den vatikanischen Museen
Shadi Nseir stammt aus der syrischen Stadt Latakia und gehörte dort zur christlich-orthodoxen Minderheit. Er hatte Kunst studiert und sich einen Namen als Künstler gemacht, stellte in Galerien aus und unterrichtete selbst als Dozent an der Universität.
Da Nseir allerdings nicht nur malte, sondern sich als Regisseur auch kritisch mit dem Regime und dem islamischen Staat auseinandersetzte, blieb ihm nur die Flucht. Als ihm schließlich eine Verhaftung drohte, floh er nach Deutschland, genauer gesagt nach Koblenz.
Aquarelle mit Blattgold
Seine Aquarelle, die er mit Blattgold veredelt, erinnern an Ikonenmalerei. Sie zeigen viele Menschen, die weder Gesicht noch Füße oder gar einen Boden unter sich haben. Sie sind auf der Flucht.
Über ihren Köpfen schwebt oft eine Sonne oder ein Mond in Gold. Der Mond sei nicht nur ein Symbol der Muslime, sondern auch ein viertausend Jahre altes syrisches Zeichen. Sonne und Mond stehen für Nseir für das Gute, für die Hoffnung. So strahlen seine Bilder, auch wenn sie die Flucht verarbeiten, immer etwas Lichtes und Positives aus.
Papstgeschenk sorgt für Überraschung
Damals konnte der mittlerweile 46-Jährige noch nicht ahnen, was der Rat seines damaligen Chefs in Latakia für Folgen für ihn haben wird. Als Papst Johannes Paul II. im Jahr 2001 Damaskus besuchte, riet er Nseir, ein Bild zu malen, um es dem Papst zu schenken.
Dass er dieses Bild während seines Sommerurlaubs in Rom 2024 wiederentdeckt, hätte er nicht gedacht. Zumindest hätte er sich den Ort nicht träumen lassen. In den Vatikanischen Museen hing plötzlich zwischen Leonardo, Caravaggio und Raffael ein Nseir. Und zwar genau das Bild, das er 2001 dem damaligen Papst geschenkt hatte.
Traum vom Leben als Künstler in Deutschland
In Koblenz ist er mittlerweile fest verwurzelt. Er lebt dort zusammen mit einer handvoll Katzen und arbeitet im Brüderhaus des Katholischen Klinikums Koblenz-Montabaur als Reinigungskraft. Anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des Hauses stellte er dort bis Herbst dieses Jahres seine Bilder aus. Sein Traum: vollkommen von seiner Tätigkeit als Künstler auch in Deutschland leben zu können.
Rafik Schami – Schriftsteller zwischen Syrien und Deutschland
Rafik Schami ist dies seit langer Zeit gelungen. Er wurde 1946 in Damaskus geboren und zählt zu den erfolgreichsten deutschen Schriftstellern der interkulturellen Literatur mit mehr als 40 veröffentlichten Büchern.
In seinen Romanen, Kinderbüchern, Erzählungen ist es ihm wichtig, auch die Schönheit seiner Heimatstadt, die Liebenswürdigkeit ihrer Bewohner und den Reichtum ihrer Kultur darzustellen, aber auch davon zu erzählen, was es bedeutet, als Exilschriftsteller in Deutschland eine neue Heimat zu finden. Eine Prise Humor darf bei ihm dabei nicht fehlen.
Zwischen Chemie und Literatur
Nach Deutschland kam er 1971 als Chemiestudent und arbeitete nach seiner Promotion zunächst bei einem großen Chemiekonzern, entschied sich dann aber für seine zweite Leidenschaft, die Literatur. Denn er stellte fest, dass man nicht „zwei Melonen in einer Hand balancieren kann“. Diese Entscheidung bezeichnet er heute noch als die beste seines Lebens.
Vielfach ausgezeichnet
Der Schriftsteller wurde bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Darunter der Hermann-Hesse-Preis, der Nelly-Sachs-Preis, der Preis „Gegen Vergessen – Für Demokratie“, der Gustav-Heinemann-Friedenspreis oder die Carl-Zuckmayer-Medaille. Die Preise bedeuten ein Stück Heimat für ihn.