10 Jahre #JeSuisCharlie

Das Attentat auf Charlie Hebdo: Ein Angriff auf Freiheit und Demokratie

Stand
Autor/in
Christian Batzlen

Vor zehn Jahren erschütterte der Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo die Welt. Es war eine Attacke auf die Pressefreiheit und ein Warnsignal für die Demokratie. Sie offenbarte die Zerbrechlichkeit unserer Freiheiten und veränderte den Umgang mit freier Meinungsäußerung.

Der Anschlag: Ein Schock für die Pressefreiheit

Paris, am Morgen des 7. Januar 2015: Die Brüder Said und Chérif Kouachi verschaffen sich Zutritt zu den Redaktionsräume von Charlie Hebdo, einem der bekanntesten Satiremagazine Frankreichs. Elf Menschen fallen ihren Schüssen zum Opfer.

Ziel ihrer Attacke waren diejenigen, die mit Karikaturen die Grenzen des Sagbaren ausloteten. Es war nicht nur ein Angriff auf das Satiremagazin, sondern auf das freie Wort. Feder und Stift sollten durch Kugeln zum Schweigen gebracht werden.

Blumen vor der Redaktion von Charlie Hebdo
Blumen, Stifte und Solidaritätbekundungen liegen am 10. April 2015 in Paris am Gebäude in der Rue Nicolas-Appert im 11. Arrondissement, in dem sich die Redaktionsräume befinden. Fast die gesamte Redaktion von Charlie Hebdo fällt dem Terroranschlag zum Opfer.

Die Reaktionen der westlichen Welt, vor allem in Frankreich, waren enorm. Der Slogan „Je suis Charlie“ ging um die Welt und wurde zum Symbol der Solidarität mit der Presse. Twitter (heute X) sammelte alles unter dem Hashtag #jesuischarlie, welcher zur Vorlage für künftige Solidaritätsbekundungen werden sollte. Etwa als fünf Jahre später ein Islamist den Pariser Lehrer Samuel Paty enthauptete, nachdem er im Unterricht Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte.

Franzose sein, das heißt in erster Linie die Freiheit lieben. Auch die Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben. Aber sie ist untrennbar verbunden mit der Meinungsfreiheit – bis hin zur Blasphemie.

Der Druck in den Redaktionen ist gewachsen

Doch nach dem Anschlag 2015 hat sich der Alltag vieler Journalist*innen nicht nur in Frankreich spürbar verändert. Sicherheitsvorkehrungen wurden in Medienhäuser weltweit erhöht. Redaktionen gleichen heute oft Festungen: Zugangsbeschränkungen, Sicherheitskontrollen und verstärkte Überwachung sind zur Norm geworden. Doch die größte Veränderung zeigt sich in der Berichterstattung selbst. Viele Medien scheuen sich, Themen anzusprechen, die als riskant gelten könnten.

Diese Zurückhaltung hat eine neue Form der Selbstzensur geschaffen. Die Angst vor Gewalt hat in manchen Redaktionen die journalistische Freiheit untergraben. Eine Debatte über die Balance zwischen Sicherheit und dem Anspruch auf freie Rede wurde intensiver. Kann es wahre Pressefreiheit geben, wenn Redakteur*innen ständig zwischen Provokation und potentieller Gefahr abwägen müssen?

Elf Mitarbeiter mussten damals sterben. Der hauseigene Buchverlage brachte Anfang Dezember zu jedem der damals Ermordeten eine Kurzbiographie heraus, damit sie nicht in Vergessenheit geraten.

Social-Media-Beitrag auf Instagram von cocoboer

Satire als Protest ist ein unverzichtbares Werkzeug

Satire war schon immer ein Werkzeug, um die Mächtigen herauszufordern und gesellschaftliche Missstände anzuprangern. Charlie Hebdo repräsentierte diese Tradition wie kaum ein anderes Medium. Durch provokative Karikaturen setzte sich das Magazin seit 1970 mit Themen auseinander, die oft von der breiten Öffentlichkeit gemieden wurden. Ihre Wirkung liegt in der Radikalität: Satire zwingt dazu, unangenehme Fragen zu stellen und Machtverhältnisse kritisch zu hinterfragen.

Demonstrant mit eine Zeitschrift von Charlie Hebdo
Schon eine Woche nach dem Anschlag veröffentlichte die Redaktion erneut eine Kariaktur des Propheten Mohammed. Vor grünem Hintergrund hält er ein Schild mit der Aufschrift „Je suis Charlie“. Womöglich hätte er so ein Verbrechen niemald befürwortet.

Die wahre Stärke von Charlie Hebdo liegt darin, sich nicht einschüchtern zu lassen. Zum achten Jahrestag veröffentlichte Charlie Hebdo Karikaturen des iranischen Staatsoberhaupts Ali Chamenei, sowohl auf dem Titel als auch im Inneren des Heftes.

Der Iran hatte damals mit Konsequenzen gedroht, eine französische Forschungseinrichtung in der Hauptstadt Teheran musste geschlossen werden. Diese Aktion war ein starkes Signal für Meinungsfreiheit und zeigt, dass Satire auch Widerstand gegen Unterdrückung sein kann.

Zeichnen bei Charlie Hebdo heißt 25 Jahre Arbeit, bei Terroristen wenige Sekunden. Terrorist, ein Beruf für oberfaule Wichser.

Die weltweite Wirkung der Karikaturen

Die Karikaturen, die damals den Anschlag auslösten, hatten eine globale Wirkung. In westlichen Ländern wurden sie als Ausdruck der Meinungsfreiheit gefeiert, während sie in vielen muslimischen Ländern Proteste und Gewalt auslösten. Diese Spannungen machten deutlich, wie unterschiedlich Freiheit und Respekt weltweit interpretiert werden.

Trotz der Kontroversen dienten die Karikaturen als Katalysator und zeigten, dass Kritik an religiösen oder politischen Institutionen nicht tabu sein darf, wenn Gesellschaften offen bleiben wollen.

Aktuell startet im Wilhelm Busch Museum in Hannover, dem Museum für Karikatur & Zeichenkunst, eine künstlerische Intervention, die ab dem 7. Januar an den Anschlag auf die Redaktion erinnern und den Wert der Pressefreiheit hochhalten soll:

Kartikatur zum 10 jährigen Jubiläum zu Charlie Hebdo
Friederike Groß: Ohne Titel, 2024 Bild in Detailansicht öffnen
Kartikatur zum 10 jährigen Jubiläum zu Charlie Hebdo
Ruth Hebler: Karikaturmeter, 2024 Bild in Detailansicht öffnen
Kartikatur zum 10 jährigen Jubiläum zu Charlie Hebdo
Daniel Jokesch: Karikaturisten einst und heute, 2024 Bild in Detailansicht öffnen
Kartikatur zum 10 jährigen Jubiläum zu Charlie Hebdo
Dorthe Landschulz: Verteidigung der Meinungsfreiheit, 2024 Bild in Detailansicht öffnen
Kartikatur zum 10 jährigen Jubiläum zu Charlie Hebdo
Michael Holtschulte: Auch zehn Jahre danach, 2024 Bild in Detailansicht öffnen

Was bleibt: Die Verteidigung der Freiheit

Der Anschlag auf Charlie Hebdo war eine Zäsur für die Pressefreiheit. Zehn Jahre später, gerade in populistischen Zeiten wie diesen, zeigt sich, dass die Werte der freien Meinungsäußerung nicht als selbstverständlich betrachtet werden können.

Die Lehre aus dem Anschlag ist klar: Pressefreiheit ist nicht nur ein Recht, sondern eine Verantwortung. Sie erfordert Mut und die Bereitschaft, für die eigenen Überzeugungen einzustehen. Wieder 2015 beim Attentat verstorbene Karikaturist Cabu einst sagte: „Kunst ist Freiheit – ohne sie sind wir nichts.“ Dieser Satz bleibt als Mahnung.

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