In einer aktuellen Erklärung vom 14. Dezember 2024 appellieren deutsche und syrische Akademiker an Deutschland, Forschungsprojekte zu finanzieren und neben dem Aufbau der Infrastruktur auch das Bildungswesen in Syrien zu unterstützen.
Die Deutsch-Syrische Forschungsgesellschaft will beim Wiederaufbau Syriens eine Vorreiterrolle übernehmen. Ihr Ziel ist es nach eigenen Angaben, syrische Studierende und Wissenschaftler in ihrem Studium und ihrer Arbeit in Deutschland zu unterstützen. Der Verein, der 2016 von Syrern und Deutschen syrischer Herkunft als gemeinnützige Nichtregierungsorganisation gegründet wurde, konzentriert sich dabei besonders auf den Wiederaufbau der Universitäten und die Verbesserung der Hochschulbildung.
Universitäten als Schlüssel zur Versöhnung
Carsten Walbiner vom Deutschen Akademischen Austauschdienst, der über mehrere Jahre das EU-finanzierte HOPES-Programm leitete, betont die zentrale Bedeutung der Universitäten für Syriens Zukunft. Das HOPES-Programm ermöglichte hunderten syrischer Studierender einen Studienabschluss.
Walbiner sieht die Universitäten als wichtigen Begegnungsraum für verschiedene Konfessionen und politische Meinungen. Allerdings gebe es ein Problem: “Die Hochschulen sind sehr stark politisiert worden, sie sind vom Regime instrumentalisiert worden und hier ist also eine deutliche Neuausrichtung nötig.” Nur so könne laut Walbiner ein Raum der Meinungsfreiheit geschaffen und garantiert werden. “Das ist sicherlich ein wichtiges Instrumentarium, auch für die dringend nötige Aussöhnung in der syrischen Gesellschaft.“
Syriens Bildungsinfrastruktur muss erneuert werden
Aktuell leben etwa eine Million Syrer in Deutschland, darunter viele Akademiker. Hani Harb, Arzt am Universitätsklinikum der Technischen Universität Dresden und Präsident der Deutsch-Syrischen Forschungsgesellschaft, verweist auf die bestehende Infrastruktur in Syrien, die auf einem sehr alten System basiere. Das Land verfüge über sechs staatliche und bis zu 15 private Hochschulen. “Die müssen natürlich irgendwann mal auch aktualisiert, erneuert, renoviert und saniert werden.“, so Harb.
Ob diese Einrichtungen einmal beim Aufbau eines weltoffenen und demokratischen Syriens mithelfen können, wie es auch der Landesverband der Syrischen Akademiker in Rheinland-Pfalz fordert, ist noch völlig offen.
Lehren aus anderen Regime-Umbrüchen
Hani Harb erinnert an die gescheiterten Demokratisierungsversuche in Tunesien und Ägypten nach den dortigen Umstürzen. Die aktuellen Entwicklungen in Syrien betrachtet er zwar mit Freude, jedoch auch mit großer Unsicherheit.
Man habe nach 53 Jahren endlich das diktatorische Regime überwunden – das sei wunderbar. Allerdings sei nun abzuwarten und zu beobachten, wie sich die Situation stabilisiert. Laut Harb möchte man sich weiterhin dafür einsetzen, dass sich eine echte Demokratie entwickeln kann.
Der akademische Austausch zwischen Deutschland und Syrien wächst
In den vergangenen vier Jahren hat sich der akademische Austausch zwischen Deutschland und Syrien deutlich verstärkt. Die Zusammenarbeit habe sich stetig verbessert, berichtet Harb.
Für die Zukunft sieht er vielfältige Möglichkeiten: „Wir können vieles machen, es könnten eigentlich viele immunologische, mikrobiologische, ingenieurwissenschaftliche, sozialwissenschaftliche Arbeiten durchgeführt werden. Pharmazeutische, medizinische, Bauingenieurwesen, Architektur alles.“
Sinkende akademische Standards und sprachliche Barrieren
Carsten Walbiner vom Deutschen Akademischen Austauschdienst weist allerdings darauf hin, dass das Niveau an syrischen Hochschulen durch die Abwanderung vieler Akademiker deutlich gesunken sei. Die ausschließliche Verwendung der arabischen Sprache stelle dabei die größte Hürde für die internationale Zusammenarbeit dar.
„Die Hochschulsprache in Syrien war ausschließlich arabisch. Es war das einzige Land in der arabischen Welt, in dem alle Fächer in Arabisch gelehrt wurden, was natürlich zu Problemen geführt hat, weil im medizinischen Bereich und im ingenieurswissenschaftlichen Bereich wird normalerweise in Englisch unterrichtet. Das heißt, junge syrische Menschen hatten und haben auch heute noch ein großes Problem der Sprachkompetenz. Sie können in der Regel nur arabisch.“, erklärt Walbiner.
Die wirtschaftliche Situation erschwert den Wiederaufbau und die Rückkehr nach Syrien
Zudem ist das Land durch den Konflikt zu einem der ärmsten der arabischen Welt geworden. Carsten Walbiner geht daher nicht davon aus, dass schon bald syrische Akademiker aus der ganzen Welt in ihre Heimat zurückkehren werden:
„Selbst wenn sich jetzt in Syrien alles in demokratischen Bahnen bewegt und wir vielleicht nach einem Jahr ein sehr, sehr positives Fazit ziehen sollten. Man darf nicht vergessen, dass dieses Land mittlerweile zu einem der ärmsten der arabischen Welt gehört, wo viele Leute in den letzten Jahren ums tägliche Überleben, also mit Hunger zu kämpfen hatten.” Dieser Aspekt sei nur wenig in unseren Medien angekommen.
“Auch das Gesundheitswesen, das Bildungswesen, und wir wollen nicht über die Schulen reden, das liegt am Boden und da jetzt als Individuum die Entscheidung zu treffen vielleicht mit einer Familie in eine solche Situation zu gehen, das ist schon eine große Herausforderung.“
Trotz dieser Herausforderungen zeigt sich Walbiner aber optimistisch. Syrische Studierende und Akademiker seien für ihren Arbeitseifer bekannt. Mit entsprechender Unterstützung, meint Carsten Walbiner, könnten sie den Neustart schaffen.