34. Tag der Deutschen Einheit

Journalistin Valerie Schönian: Warum die ostdeutsche Perspektive so wichtig ist

Stand
Das Interview führte
Eva Marburg
Interview mit
Valerie Schönian

Der Tag der deutschen Einheit sei ihr mit den Jahren immer wichtiger geworden, sagt die Journalistin Valerie Schönian, die 1990 in Sachsen-Anhalt – wenige Tage vor der Wiedervereinigung – zur Welt kam. Die unterschiedlichen Perspektiven in Ost und West als Gewinn zu betrachten, würde die Gesellschaft mehr voranbringen als die Markierung der Unterschiede, betont sie im Gespräch mit SWR Kultur.

Ich muss sagen, dass der Tag mir mit den Jahren tatsächlich wichtiger geworden ist.

Fall der Mauer hat alles verändert

In den letzten Jahren, in denen sich Schönian immer mehr mit ihrer ostdeutschen Identität auseinandergesetzt habe, sei ihr aufgefallen, „wie viele Fäden meines Lebens damit zusammenhängen, dass es die Einheit gibt, dass die Mauer gefallen ist: „Also ich bin Journalistin in einer freien Presselandschaft. Ich bin mit einem westdeutschen Mann verheiratet. Ich lebe tatsächlich auch mittlerweile in West-Berlin und mein Leben wäre tatsächlich ein total anderes“, so Schönian.

Was macht ostdeutsche Identität aus?

Ostdeutsches Bewusstsein bilde sich auch dadurch heraus, dass „ostdeutsch“ immer eine gesonderte Zuschreibung sei, sagt die Autorin. Wenn es beispielsweise im Diskurs um westdeutsche Geschichte ginge, würde allgemein von „deutscher Geschichte“ gesprochen. Bei allem was im Osten des Landes passiert, würde das dagegen als „ostdeutsch“ markiert.

Da Ostdeutschland zusätzlich oft mit rechtextremen Phänomenen wie der AfD gleichgesetzt werde, fände sich eine ganze Nachwendegeneration in der Bezeichnung "ostdeutsch" überhaupt nicht wiedergegeben.

Wie geht Deutsche Einheit besser?

Es gelte, immer wieder auf die strukturellen Unterschiede hinzuweisen, die ost- und westdeutsche Erfahrungen unterschiedlich prägten, so Schönian. Dabei müssten auch Machtunterschiede aufgehoben werden. Bei der Artikulation von ostdeutschem Bewusstsein gehe es also nicht nur um Gefühligkeit, sondern um die Aufhebung struktureller Benachteiligung.

Unterschiedliche Perspektiven als Gewinn betrachten

Diese unterschiedlichen Erfahrungen prägten auch die Perspektiven, mit denen man auf das Leben und die Gesellschaft blicke, sagt Schönian. Diese unterschiedlichen Perspektiven als Gewinn zu betrachten, würde die Gesellschaft mehr voranbringen als die Markierung der Unterschiede, ohne dass man die Aufhebung der strukturellen Machtverhältnisse aus dem Blick verliert, betont die Autorin.

Mehr zum deutschen Ost-West-Verhältnis

Gespräch Ilko-Sascha Kowalczuk: „Wir brauchen wieder positivere Erzählungen in diesem Land“

Mit dem Mauerfall erlitten die Menschen in Ostdeutschland einen „Freiheitsschock“ – meint der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk. Und nennt so sein neues Buch mit dem Untertitel „Eine andere Geschichte Ostdeutschlands von 1989 bis heute“.

Gespräch SWR Kultur

Forum Deutschland im Beziehungsstress – Was trennt Ost und West heute?

Doris Maull diskutiert mit
Liane Bednarz, Publizistin
Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk, Historiker
Prof. Dr. Dirk Oschmann, Germanist an der Uni Leipzig und Buchautor

SWR2 Forum SWR2

Forum 25 Jahre Hauptstadt – Hat sich der Umzug von Bonn nach Berlin gelohnt?

Thomas Ihm diskutiert mit
Matthias Heine, Journalist, die WELT
Birgit Homburger, ehemalige Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion
Hartmut Palmer, Autor und Journalist

SWR2 Forum SWR2

Gespräch Steffen Mau: „Es gibt neue Verwerfungen im Ost-West-Verhältnis“

Aufgewachsen ist Steffen Mau – geboren 1968 in Rostock – in der Plattenbau-Siedlung „Lütten Klein“, wo er später gesellschaftliche Verwerfungen analysierte.

Gespräch SWR Kultur

Audio zur Sendung | 2.2.2023 Wird der Osten Deutschlands benachteiligt?

Prof. Dirk Oschmann zeigt sich besorgt über tiefe Differenzen zwischen den Menschen in Ost- und Westdeutschland und spricht vom "gänzlich irreparablen ökonomischen Ungleichgewicht".

Leute SWR1 Baden-Württemberg

Buchkritik Ilko-Sascha Kowalczuk - Die Übernahme. Wie Ostdeutschland Teil der Bundesrepublik wurde

"Die durch die obrigkeitsstaatlichen Erfahrungen in einem langen historischen Prozess erfolgten Prägungen und Kulturen sind durch die Art und Weise der deutschen Vereinigung nicht nur nicht gebrochen worden - sie erwiesen sich sogar als förderlich für die Integration in das neue Gemeinwesen." Rezension von Conrad Lay. C.H.Beck Verlag ISBN 978-3-406-74020-6 319 Seiten 16,95 Euro

Stand
Das Interview führte
Eva Marburg
Interview mit
Valerie Schönian