Der Schulbeginn von Erstklässler*innen weckt in mir nicht nur gute Erinnerungen. Während der Sohn es kaum erwarten konnte, seine Schultüte in Händen zu halten, hatte ich richtig Stress. Denn im Gespräch mit anderen Müttern wurde mir schnell klar: eine gekaufte Schultüte hatte das Potential einen guten Schulstart des Kindes quasi zunichtezumachen.
Selbstgebastelt muss sie sein! Für Free-Style fehlen mir Fantasie und Begabung. Zum Glück gibt es einen fast unüberschaubaren Markt von Schultüten-Bastelsets.
Warum gibt es überhaupt Schultüten?
Schultüten gibt es seit Anfang des 19. Jahrhunderts. Die ersten frühen Belege stammen aus Sachsen und Thüringen, wo Kinder eine Zuckertüte zum Schulstart bekamen, mit Nüssen, Trockenobst und Süßigkeiten.
Schulanfänger*innen Süßigkeiten zu schenken ist eine deutsche Tradition. Der Begriff Schultüte stammt aus dem frühen 20. Jahrhundert, so steht es etwa in der Zeitschrift „Wiener Hausfrau“ vom 27. März 1910: „Aber gegen das Volumen der neuen Schultüten ist entschieden Front zu machen, schon um des dadurch erweckten Neidgefühls bei anderen Kindern, die nur mit kleinen Tüten bedacht werden.“
Während die spitzen Kegel die ersten Jahrzehnte sehr viel einfacher gehalten waren, aus Glitzerfolie und sparsamen Motiven, hat sich inzwischen der Trend zum Selbstbasteln durchgesetzt, befördert von der Do-it-Yourself-Bewegung und Social Media.
Stolze 85 Zentimeter groß
Riesig sind die Schultüten heutzutage: 85 Zentimeter groß. Die Motive, oftmals gendermäßig getrennt, reichen vom Einhorn über Meerjungfrauen, vom Traktor zu Tyrannosaurus. Flies, Moosgummi, Krepppapier, Tüll und Glitzer: Viel hilft viel, scheint die Devise.
Eine „Übermutter“ aus der Nachbarschaft erklärte mir, sie nähe selbst, nach der Einschulung würde sie aus der Tüte ein Kissen machen. Ja, das ist nachhaltig. Ich wische das schlechte Gewissen innerlich weg und mache mich mit dem Sohn ans Bastelset „Fußball“.
Hält das Bastelwerk auch?
Während das Kind fröhlich Fußbälle aus Moosgummi ausschneidet, kämpfe ich schwitzend mit der Tüte. Allein die Spitze schön hinzubekommen, stellt sich als Herausforderung dar. Die Tüte will einfach nicht zusammenhalten. Irgendwann gelingt es, leicht schief, egal.
Die Fußbälle und Fußballschuhe auf dem sechseckigen Ding verteilen, klappt. Das Tornetz macht mir noch zu schaffen. Das will nicht richtig halten. Oben dran kommen zwei Lagen leicht reißendes Krepppapier. So richtig stabil ist das alles nicht. Schon vor dem großen Tag habe ich große Bedenken, ob die Tüte überhaupt hält.
Was kommt denn in die Schultüte?
Zwischen 20 bis 60 Euro geben Eltern für den Inhalt von Schultüten aus, so die Statistik. In jeder zehnten Schultüte soll sich inzwischen sogar ein Handy befinden. Soziologen warnen allerdings davor, Schultüten zum Statussymbol zu machen.
Im Netz findet man unzählige Ideen, was man alles in die Schultüte packen kann, von Süßigkeiten über Schulmaterial bis zu Brotdosen. Da es nicht zu viele Süßigkeiten sein sollen, ist Kreativität gefragt.
Und noch etwas muss beachtet werden: das Gewicht. Diese riesigen Tüten werden den kleinen Drei-Käse-Hoch nämlich sehr schnell sehr schwer. Deshalb in die Spitze erstmal reichlich Papier stopfen und mit dem Befüllen viel weiter oben anfangen.
Was soll ich sagen: Der Tag war schön, die Schultüte hielt. Der Sohn war froh. Kürzlich ist mir das Ding nach zehn Jahren in der Garage wieder mal in die Hände gefallen. Das Tornetz und der Rest der Deko kleben noch fest dran, das Krepppapier ist doch noch nicht eingerissen und die Spitze, die ist so schön wie am ersten Tag.