Gut drei Monate nach dem Tod Wolfgang Schäubles erscheinen dessen Memoiren unter dem schlichten Titel „Erinnerungen“. Nach der Lektüre meint der Journalist Stephan Lamby: Den CDU-Mann als „unvollendeten Politiker“ zu benennen sei falsch.
Schäuble habe ein erfülltes Leben geführt. Erstaunt habe ihn aber, wie viel Schäuble über das System der „schwarzen Kassen“ wusste. „Warum hat er dieses Wissen nicht früher auf dem Höhepunkt der CDU-Spendenaffäre offenbart?“ Das hätte, so Lamby, möglicherweise die CDU in den Abgrund gestoßen.
„Sehr viel früher und umfassender informiert“
Im Zusammenhang mit der 1999 aufgeflogenen CDU-Spendenaffäre um Helmut Kohl hat es nach Darstellung von Wolfgang Schäuble auch eine „schwarze Kasse“ bei der Unionsfraktion gegeben. Bei der Spendenaffäre ging es um eine illegale Spendenpraxis der CDU in den Achtzigerjahren und Neunzigerjahren.
Dazu erklärt der SWR-Journalist Stephan Lamby: „Schäuble kann man nicht mehr dazu befragen. Angela Merkel sehr wohl.“ Er sei gespannt, was sie in ihren eigenen Memoiren im Herbst dazu zu sagen habe.
Schonungslos ehrlich auch über Parteifreunde
Schäuble hatte sich stets als Diener des Volkes beschrieben, als großen Demokraten. „Ich finde, er beschreibt sich so zurecht“, sagt Lamby im Gespräch. Er sei aber auch ein enorm ehrgeiziger Machtpolitiker gewesen.
Seine Memoiren zeichneten sich durch ihre Ehrlichkeit aus. Schäuble scheue sich nicht, seine Kritik an Angela Merkel, Thomas de Maizière und anderen Parteifreunden zu äußern.
Der Optimist schlägt am Ende einen ungewohnt düsteren Ton an
Trotz seiner Versäumnisse und Kontroversen bleibt Schäubles politisches Erbe für Lamby bedeutend: „Sein langjähriges Engagement im Bundestag, sein Beitrag zum Einigungsvertrag und seine prägende Rolle in der deutschen Politik machen ihn zu einer Schlüsselfigur der Bundesrepublik.“
Lamby hebt besonders sein politisches Credo hervor: „Optimismus ist Pflicht“. „Allerdings ist mir aufgefallen, dass der Ton seiner Erinnerung auf den letzten Seiten deutlich düsterer wirkt. Dann geht es auch um den Überfall Russlands gegen die Ukraine, mit dem auch Schäuble nicht gerechnet hat.“
Die Kanzlerin aus Loyalität nicht gestürzt?
Ein interessantes Detail, das bereits vor der Veröffentlichung bekannt wurde, ist Schäubles Zurückhaltung während der Flüchtlingskrise 2015. Edmund Stoiber soll ihn gedrängt haben, Kanzlerin Angela Merkel zu stürzen.
Schäuble stelle es in seinem Buch so dar, dass er sie aus Loyalität zu Angela Merkel und überhaupt zum Amt der Bundeskanzlerin nicht stürzen wollte, sagt Lamby. Andere in seinem Umfeld glaubten dagegen, ihm habe schlicht der Mut dazu gefehlt.
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