Kleidungsstück von Piloten, Skinheads und Rappern

Die Bomberjacke: Aus dem Cockpit auf den Laufsteg

Stand
Autor/in
David Kirchgeßner
David Kirchgeßner ist Redakteur bei SWR Aktuell in Rheinland-Pfalz.

Erst zweckmäßige Funktionsjacke, dann streitbares Symbol, heute stylishes Statement-Piece. Die Bomberjacke hat trotz schwieriger Geschichte ihren Platz in der Mode gefunden.

Doch wie wurde die Bomberjacke Teil von Streetware und High Fashion? Ein Blick auf die überraschende Entwicklung dieses ikonischen Kleidungsstücks mit militärischen Wurzeln.

Geburtsstunde als Pilotenjacke: Auch Soldaten sollen gut aussehen

Die Ur-Bomberjacke, ursprünglich als MA-1 bekannt, wurde in den 1950er Jahren für die US Air Force entwickelt. Das Design war einerseits auf Funktionalität ausgelegt: Nylon als Material für Leichtigkeit, das ikonische orangefarbene Innenfutter der Wendejacke sollte für bessere Sichtbarkeit bei Rettungsaktionen für abgestürzte Piloten sorgen. Doch schon damals spielte die Optik eine besondere Rolle.

Zwei Piloten der U.S. Air Force in Pilotenjacken
In den 1950er-Jahren verabschiedete sich die US Air Force von ihren braunen Fliegerjacken und verpasste den Uniformen ein Re-Design.

Denn das Design sei Teil des sogennante New-Look-Programms des US-Militärs gewesen, so die Modeexpertin und Kulturwissenschaftlerin Elke Gaugele in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.

An diesem ästhetischen Erneuerungsprogramm seien dann auch Redakteure der Modemagazine Vogue und Harper’s Bazaar beteiligt gewesen. Kein Wunder also, dass die MA-1 auch ihren Weg in die Zivilbevölkerung fand.

Jeder Kopf hat seinen Preis: Steve McQueen fährt als Kopfgeldjäger im Film "The Hunter" in Bomberjacke U-Bahn.
In der zivilen Welt wurde die Bomberjacke auch durch Stilvorbilder wie Schauspieler Steve McQueen populär. Hier im Kinofilm „The Hunter“ als Kopfgeldjäger.

Die 60er und 70er: Bomberjacken als Symbol des Widerstands

Bald wurde die Fliegerjacke im Blousonstil zu einem Symbol für Jugendkultur und Rebellion. Sie stand für Nonkonformismus und eine Abkehr von den gesellschaftlichen Normen. In Großbritannien entdeckten Subkulturen wie die Mods und die rivalisierenden Rocker bis hin zu den Punks und Skinheads das Kleidungsstück für sich.

Skinheads und Punks an einem englischen Bahnhof in den 1980ern
Skinheads und Punks an einem englischen Bahnhof in den 1980ern

Als Folge der Jugendarbeitslosigkeit in den 70er-Jahren kam es in der britischen Gesellschaft zu einem Rechtsruck, der auch die zunächst politisch sehr gemischte Skinhead-Szene erfasste.

Als die Bewegung Ende der 1970er in Deutschland ankam, war sie in großen Teilen schon eng mit rechtsradikalem Gedankengut verbunden – und mit typischen Erkennungsmerkmalen: Springerstiefel und Bomberjacken. Oft versehen mit verfassungsfeindlichen Symbolen.

Englische Skinheads in Bomberjacken in Brighton
Skinheads im englischen Urlaubsort Brighton

Vereinnahmung durch rechte Gruppen und fast verboten

Im Jahr 2001 stand kurz sogar ein Verbot der Jacken an deutschen Schulen zur Debatte. So hatte der Rektor einer Gesamtschule im nordrhein-westfälischen Wesel dort das Tragen von Springerstiefeln und Bomberjacken verboten. Auch im brandenburgischen Schwedt soll eine Schule Bomberjacken eingesammelt haben.

Polizeibeamte durchsuchen am 14.3.1998 am Bahnhof von Saalfeld einige Teilnehmer einer NPD-Demonstration.
Bomberjacke, rasierter Schädel: Polizeibeamte durchsuchen 1998 Teilnehmer einer NPD-Demonstration im thüringischen Saalfeld.

Sogar Bundesfamilienministerin Christine Bergmann schaltete sich ein: „Ich begrüße derartige Verbote, denn es geht hier nicht um Mode, sondern um die Gesinnung, die dahinter steckt“, so die SPD-Politikerin.

„So naiv kann kein Jugendlicher sein, dass er nicht weiß, was Bomberjacken und Springerstiefel bedeuten.“ Zu einem bundesweiten Verbot kam es dann aber nicht.

Hooligans und Ultraszene: Bomber auf Orange

Auch in den Fußball-Stadien kam die Bomberjacke an, getragen durch Hooligans und in der Ultraszene. Einerseits, wegen des martialischen Looks – aber auch aus ganz praktischen Gründen.

Bomberjacke auf Orange, heute fängt es endlich an, endlich wieder Stadion und keiner, der uns halten kann.

In einem Interview mit dem Online-Magazin Vice erinnert sich der Berliner Szene-Ladenbesitzer Sven Friedrich daran, wieso die Jacke in diesem Kontext "auf Orange" gedreht wurde: „Wer früher zum Fußball gefahren ist, hat die Bomberjacke mit dem Innenfutter nach außen angezogen. Wenn es Stress gab und die Polizei jemanden gesucht hat, haben einfach alle die Jacken umgedreht.“

Der Rapper und Hansa Rostock-Fan MILZ hat seinem Verein einen Song zu diesem Thema gewidmet:

Inszenierung in der Politik

Ganz abgelegt hat die Bomberjacke das Militärische nie. Und so wird sie besonders von US-Politikern gerne zur Demonstration ihrer Verbundenheit mit dem Militär und als legeres wie auch martialisches Symbol der Stärke getragen.

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld inszeniert sich mit Bomberjacke
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Oktober 2001 auf einer Air Force Base in Missouri. Im Hintergrund: Ein B2-Tarnkappenbomber, wie sie bei Bombardements in Afghanistan nach den Terroranschlägen des 11. September eingesetzt wurden.
 George W. Bush 2003 beim Wahlkampf in Bomberjacke
US-Präsident George W. Bush 2003 auf Wahlkampftour. Er war selbst Pilot bei der Nationalgarde der Vereinigten Staaten.

Doch das Image hat sich gewandelt – und wie immer kommt es auf den Kontext an. Heute kann auch ein CDU-Kultursenator wie Joe Chialo Bomberjacke tragen. Dass es so weit kam, liegt auch an der Musikwelt.

Joe Chialo in Bomberjacke auf einer Wahlveranstaltung.
CDU-Politiker in Bomberjacke: Joe Chialo ist Berliner Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie Mitglied im Bundesvorstand der CDU. Vor seiner politischen Karriere war er Musikmanager.

Aus der Schmuddelecke zum Kultstatus

Ab den 80ern und 90ern wird die Bomberjacke von Hip-Hop-Künstlern wie Run DMC, Tupac Shakur und Notorious B.I.G. populär gemacht und zu einem festen Bestandteil der Streetwear. Auch ELIF, deutsche Musikerin mit türkischen Wurzeln, singt darüber, was dieses Kleidungsstück für sie so ikonisch macht:

Sie ist zu groß, doch sie passt – diese Bomberjacke.

ELIF – BOMBERJACKE (Official Video)

Neue Interpretation in der Haute Couture

Ein Model in modischer Bomberjacke bei der Junya Watanabe Fashion Show 2010 in Paris
Ein Model präsentiert ein Bomberjacken-Design von Jun'ya Watanabe.

Auch in der High Fashion beziehungsweise Haute Couture wurde die Bomberjacke wiederentdeckt. Designer wie Jun'ya Watanabe oder Raf Simons haben das klassische Modell immer wieder neu interpretiert.

Kanye West is wearing a bomber jacket by Raf Simons
Rapper, Musikproduzent und Modedesigner Kanye West, der sich heute Ye nennt, trägt eine Bomberjacke von Designer Raf Simons am Rande der Paris Fashion Week 2015.

Zeitloser Klassiker, immer wieder neu erfunden

Die Bomberjacke ist also ein Paradebeispiel dafür, wie ein Kleidungsstück zu einem kulturellen Symbol und einem zeitlosen Modeklassiker werden kann – weit weg vom ursprünglichen Zeck.

Mehr Inhalte zu Mode und Haute Couture

Perfektion und Pragmatismus Giorgio Armani wird 90: König der italienischen Mode

Sein Name ist eine globale Marke: Giorgio Armani hat ein riesiges Modeimperium geschaffen. Und führt es noch mit 90 Jahren selbst. Wie hat er das geschafft?

Biopic „Cristóbal Balenciaga“ auf Disney+ Damals wie heute: Die Designs von Balenciaga stellen die Modewelt auf den Kopf

Gerade Linien statt Wespentaille: Cristóbal Balenciaga befreite die Haute Couture vom Prinzessinnen-Chic und setzte in den 1950er-Jahren zeitlose modische Maßstäbe.

Mehr zu Subkulturen

Zwischen Nostalgie und Aktualität „Millennial Punk“ in der ARD Mediathek: Die Chronik einer totgeglaubten Subkultur

Punk ist tot? Von wegen! Die vierteilige Serie „Millennial Punk“ in der ARD Mediathek beweist in einer kurzweiligen Reise durch ein Vierteljahrhundert Deutschpunk das Gegenteil.

Metalfans pilgern gen Wacken Kulturgut Metalkutte: Ein Blick in die Seele des Metal-Fans

Die Metalkutte ist identitätsstiftend für die Szene und leidenschaftlicher Ausdruck der Liebe zur Bands und zum Metal an sich. Ein Kleidungsstück und viel mehr als nur ein Textil.

Provokation und Politrock Uwe von Trotha und seine Band „Checkpoint Charlie“: Begründer des deutschen Punk

Der adlige Schauspieler Uwe von Trotha gründet Ende der 1960er die Politrockband „Checkpoint Charlie“ und damit eine neue Subkultur: den deutschen Punk.

Körperkult Tätowierungen – Körperkunst mit Geschichte und Risiko

Waren früher vor allem Seemänner tätowiert, sollen Tattoos heute Individualität ausdrücken. Dabei sind sie längst Mainstream, aber nicht alle gesundheitlichen Risiken sind erforscht.

SWR2 Wissen SWR2