Von Patches und Pins

Kulturgut Metalkutte: Ein Blick in die Seele des Metal-Fans

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Autor/in
Samira Straub

Wenn dieser Tage die Metalfans gen Wacken strömen, gehen Musik und Mode einmal mehr die perfekte Symbiose ein: Die Metalkutte ist identitätsstiftend für die Subkultur und leidenschaftlicher Ausdruck der Liebe zur Szene – und viel mehr als nur ein Textil.

Sie ist die Visitenkarte des Metalfans, ein Blick in seine musikalische Seele und das handgemachte Kleidungsstück für jeden Anlass: Die Metalkutte.

Welchem Subgenre man sich zugehörig fühlt, welche Bands man mag, all das gibt die Kutte im Bruchteil einer Sekunde preis. Für die Metaller ist die Kutte Erkennungszeichen, ihr Entstehungsprozess aufwändig.

Ein Mann in Metalkutte mit großem Shape der Band Manowar
Bunte Farbkleckse im meist eher schwarz anmutenden Panorama der Metalfans: Metalkutten sind entgegen ihres Rufs keine Schmuddelwesten, sondern längst zu Kunstwerken geworden.

Eine Jeans- oder manchmal auch Lederweste wird mit allerhand Aufnähern benäht, nach Belieben mit Buttons, Pins und Nieten oder gar anderen Stoffen ergänzt und so von einem Stück Stoff zu einem Unikat, das für den Kuttenträger weit mehr ist, als nur ein Kleidungsstück.

Die Kutte ist für den Metalfan ein prunkvoll dekoriertes Schaufenster des eigenen Musikgeschmacks. Doch welche kulturelle Bedeutung hat sie innerhalb der Szene und wie wurde aus dem Kleidungsstück eine eigene Kunstform?

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Hinter jeder Kutte steckt eine Phase des Sammelns und Planens

Einfach ein paar Aufnäher der Lieblingsbands sammeln, aufnähen und ab aufs Festival? So einfach ist das nicht. Längst hat sich innerhalb der Metalszene eine eigene Subkultur rund um das Textil gebildet, ein Hobby innerhalb des Hobbys, ein regelrechter Kuttenkult.

Denn: Die Kutte soll schließlich auch ein ästhetisches Gesamtbild erzeugen. Ihre Herstellung ist eine Kunst für sich.

Metalkutte
Die düstere Metalszene hat keinen Sinn für Ästhetik? Die Kutten der Metalfans sprechen heutzutage eine andere Sprache.

Die Faszination beginnt schon beim Sammeln der Aufnäher. Jede Band aus dem Heavy-Metal-Kosmos, die etwas auf sich hält, bringt in regelmäßigen Abständen Patches von sich auf den Markt.

Selbst ist der Fan: Patches werden kurzerhand in Eigenregie angefertigt

Alleine in den deutschsprachigen Facebook-Gruppen zum Thema haben sich über 10.000 Metalfans vernetzt, um dort Patches zu tauschen, Inspirationen zu sammeln und über die „Lappen“, wie Kutten dort gerne augenzwinkernd genannt werden, der anderen User zu richten.

Längst ist man nicht mehr nur auf das Angebot der Bands angewiesen. Hier lässt man sich eigene Patches anfertigen, etwa wenn ein bestimmtes Designkonzept auf der Kutte erfüllt werden soll oder schlicht um für besondere Unikate zu sorgen. Das Sammeln kann zur Geduldsprobe werden, denn nicht immer ist das, was man gerne auf der Kutte hätte, auch zu haben.

Der „Yeti“, eine weiße Metalkutte eines Musikenthusiasten
Viele Kutten haben ein klares Konzept in ihrem Design, gerade Farbschemas sind beliebt. Diese Kutte wird von ihrem Besitzer liebevoll „Der Yeti“ genannt.

Von Fans, für Fans: Kleine Labels bringen Patches in Umlauf

Vor einem ähnlichen Problem stand auch Nils Jasper, der 2018 zwar eine große Kiste an Patches für seine Kutte gesammelt hatte, auf viele seiner Lieblingsbands allerdings verzichten musste – sie hatten schlicht und ergreifend keine Patches im Merchandise-Portfolio.

Geht nicht, gibt es unter Kuttenliebhabern nicht: Kurzerhand gründete Jasper sein eigenes Label „Iron&Ash“, fragte bei Bands an und produzierte die ersten Patches in Kleinstauflage. Mittlerweile hat er über 200 Patch-Designs umgesetzt.

Patches von Fans, für Fans – der Markt boomt, nicht nur in Deutschland.

Die Metalkutte von Nils Jasper von Iron and Ash
Aus einer Kiste voller Patches wird eine Kutte: Nils Jasper in seinem Metal-Zwirn.

Nähmaschine, Handarbeit oder Bügeln: Es scheiden sich die Geister

Doch wie geht es nach der Patch-Akquise weiter? Am Anfang war der Rohling. So nennt man die Weste, die in mühevoller Kleinstarbeit zur Kutte veredelt werden soll.

Die Gretchenfrage stellt sich dann bereits bei der Werkzeugwahl: Manche Metalheads würden an dieser Stelle sagen, dass nur eine von Hand genähte Kutte eine wahre Kutte ist. Andere würden entgegnen, dass den Handarbeitern nur die nötigen Fähigkeiten an der Nähmaschine fehlen.

Ein Rollstuhlfahrer in Kutte auf der Hauptstraße in Wacken
Im Normalfall ist eine Kutte ärmellos, damit man sie, je nach Wetterlage, über einen dicken Pullover oder wahlweise auch den blanken Oberkörper streifen kann.

Einigkeit herrscht nur darüber, dass Kleben oder Aufbügeln Blasphemie ist: Möchte man nämlich einen Aufnäher irgendwann wieder entfernen oder austauschen, grenzt das an ein Ding der Unmöglichkeit. Denn: So richtig fertig ist eine Kutte nie, sie ist ein kontinuierlicher Prozess, da sind sich die Metalfans einig.

Wird es mit dem Platz auf der stoffenen Leinwand dann eng, geht der Trend in den einschlägigen Gruppen ganz klar zur Zweitkutte. Denn der mühsame Akt des Sammelns, Tauschens, Anordnens und Gestaltens macht vor allen Dingen auch eins: Spaß.

Kutten sind überdies nicht immer heterogen bestückt: Neben Tribute-Kutten, die sich nur einer einzelnen Band widmen, beschränken sich viele Metalfans auch auf ihr Lieblings-Subgenre und dessen Stil – besonders auffällig sind beispielsweise die schwarz-weißen Kutten der Black-Metal-Fans oder die mit Animal-Print übersäten Glitter-Kutten der Glamrocker.

Warum man einen Fliesentisch vermeiden sollte

Erlaubt ist, was gefällt? Nicht immer, denn die besonders eingefleischten unter den Kutten-Enthusiasten gibt gerne die Style-Polizei. Ist eine Kutte zugepflastert mit quadratischen Patches, spricht man spöttisch von einem „Fliesentisch“: Empfohlen sind dann zum Beispiel Logo-Schriftzüge der Bands, sogenannte „Shapes“, die das Gesamtbild auflockern sollen.

Eine Kutte, die nur aus Aufnähern der Band ACDC besteht
Eine Tribute-Kutte für AC/DC mit dem für Kutten typischen, übergroßen Backpatch, der prominent in der Mitte des Rückens prangert.

Eine zu leere Kutte indes ruft ebenso die Gatekeeper auf den Plan, gibt es doch so viele Bands, denen man auf der Weste Platz bieten könnte. Die Kutte vermittle schließlich auch Expertenwissen, zeuge von Kenntnis der eigenen Szene und der Leidenschaft für das Thema.

Gefragt nach seinem persönlichen No-Go beim Kutten-Design ist die Antwort für Nils Jasper klar: Problematisch seien für ihn nur „lieblose und unbedacht zusammengewürfelte Kutten“, denen man anmerkt, dass der Sinn für Ästhetik bei der Konzeption keine große Rolle gespielt hat.

Ein Mann mit vielen Festivalbändchen auf seiner Kutte
An Kutten-Veredelungen in Form von Festivalbändchen, musikfremden Patches oder Pop-Patches scheiden sich die Geister. Für die einen ein No-Go, für die anderen Ausdruck des eigenen Geschmacks.

Sakrale Codes und Kriegsmotivik fangen bereits beim Namen an

Das Besondere hinter der Kutte beginnt schon beim Namen. Ein Blick auf die Etymologie des Begriffs erstaunt, meint das Wort Kutte doch eigentlich ein Mönchsgewand. Versteckt sich hier ein religiöser Code? Ja, möchte man sagen, ist die Kutte doch das Heiligtum des Metalfans.

Doch Spaß beiseite: Sakrale Motivik ist ein Kernelement des Metal, mit dem immer wieder gespielt wird. Kein Wunder also, dass das schon beim Namen der Uniform beginnt. Im Englischen heißt die Metalkutte übrigens „battle vest“ – Auch hier bedient man sich mit einer Motivik, wie sie im Metal häufig anzutreffen ist, denn auch Krieg und insbesondere Waffen prägen die Ästhetik des Metals seit jeher.

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Wie heilig den Metalheads ihre Kutte ist, sah man an Sänger Romano, der die Metalkutte 2015 in einem gleichnamigen Song besang. Was als augenzwinkernde Hommage gedacht war, brachte ihm in erster Linie einen Shitstorm ein.

Metalkutten haben sich über die Jahrzehnte verändert

Metalkutten haben sich über die Jahre stetig weiter entwickelt. Wo in den Anfangsjahren des Heavy Metal Jeanswesten mit einigen wenigen Aufnähern der Standard waren, so haben sich Kutten im Laufe der Zeit stetig weiter professionalisiert und individualisiert.

Heute stecke viel mehr Expertenwissen hinter einer Kutte, als das noch damals der Fall war, weiß Volkskundlerin Dr. Bettina Roccor, die 1998 mit ihrer Dissertation „Heavy Metal – Kunst, Kommerz, Ketzerei“ die erste deutschsprachige Promotion über den Metal ablegte und sich darin insbesondere auch mit der Fantypologie der Kleidung auseinandersetzte.

Männerdomäne Metal und König Fußball haben etwas gemeinsam

Metal war für lange Zeit eine reine Männerdomäne, Frauen eher als Randgestalten anzutreffen, erklärt Roccor, selbst passionierter Metalhead. Auch wenn die Szene heute viel diverser aufgestellt ist, gäbe es noch immer einen Männerüberschuss.

So verwundere es laut Roccor auch nicht, dass die Kutte bis heute auch in anderen zumeist männlich geprägten Kulturkreisen anzutreffen ist, wie beispielsweise beim Fußball oder dem Eishockey.

indiv
Im Sportbereich werden neben Patches des eigenen Vereins vor allem auch Aufnäher von Fanclubs gesammelt und getauscht.

Auch heute sind es vor allem die männlichen Metalfans, die Kutte tragen. Für Bettina Roccor lässt sich das einfach erklären: „Männer sprechen am liebsten über Sachthemen“, führt sie im Gespräch mit SWR Kultur aus, „während Frauen lieber über sich selbst sprechen“. Soll heißen: Männer nutzen die Kutte verstärkt als Medium, um Gesprächseinstiege zu eröffnen und sich über das zu unterhalten, was ihnen wichtig ist. Frauen legten darauf weniger wert.

Auch wenn das Tragen einer Kutte keine Pflicht ist, um zur Szene dazuzgehören, sieht man immer mehr Metalfans mit aufwändig gestalteten Westen in den unterschiedlichsten Stilen.

indiv
Eine weitere beliebte Streitfrage unter den Metalfans: Kann man seine Kutte bedenkenlos waschen oder gehört eine gehörige Schicht Patina dazu?

Sie ist über die Jahre zum lebendigen Symbol der Heavy Metal Kultur geworden, vereint ästhetische Gestaltung, persönliche Identität und Gemeinschaftsgefühl in nur einem einzigen Kleidungsstück.

Trotz aller Regeln und Normen, die es innerhalb der Metal- und Kuttenszene geben mag, bleibt die Metalwelt ein inklusiver und diverser Ort, an dem jeder seinen eigenen Stil ausleben und sein kann, wie er will – sogar mit einem „Fliesentisch“.

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