Mit Worten und Musik provozieren
„Ich weiß nicht mal was ich da mache
Eins ist mir klar: Ich unterstütze die Kacke
Der Menschenfeindlichen Industrie
Ob Kosmetik, Autos oder Atomdeponie ...“
(Du sollst dein Leben nicht den Schweinen geben, Checkpoint Charlie, 1979)
Man kann kaum glauben, dass solch provokante Texte von einem Adligen kommen. Uwe von Trotha, Frontmann und Texter der Politrockband „Checkpoint Charlie“, stammt aus einem uralten, preußischen Rittersgeschlecht. Doch er ist ganz anders als seine adligen Vorfahren, die im 20. Jahrhundert erfolgreich für das Kaiserreich dienen.
Ob es an seiner unehelichen Geburt im Jahr 1943 liegt? Damals war das ein familiärer Supergau. Seine adlige Herkunft relativiert er genau damit:
Zum Außenseiter geboren?
Uwe von Trotha verbringt seine Kindheit im Nachkriegsdeutschland, was ihn sehr prägt und seine spätere Auflehnung gegen Staat, Militär und Disziplin erklärt. Als er mit 17 Jahre von der Schule fliegt, schafft er 1959 problemlos die Aufnahmeprüfung an der Theater- und Musikschule Heidelberg.
Nach dem Studium ist er in Heidelberg und Karlsruhe als Schauspieler tätig, bis er 1966 im Karlsruher Kammertheater den Sänger und Bassist Harald Linder trifft. Die zwei verstehen sich auf Anhieb.
Gemeinsame Sache: Die Politrockband „Checkpoint Charlie“ entsteht
Uwe von Trotha überzeugt Linder schnell, etwas Neues auszuprobieren: lyrische Texte von Bertolt Brecht und François Villon in Verbindung mit Beatmusik. Bei den ersten Proben steigen die übrigen Musiker von Linders Band „THE WORKERS“ aus – für sie ist die neue Musik zu abgefahren.
Linder und von Trotha finden schnell Ersatz und gründen 1967 zusammen mit Keyboarder Joachim „Krebssalat“ Krebs und Gitarrist und Schlagzeuger Werner Heß die Band „Checkpoint Charlie“.
Neue Popkultur: Punk
Uwe von Trotha und seine Bandmitglieder gehören zu den ersten, die deutsche Rockmusik in einem derartig radikalen Ausmaß spielen, sodass ein Skandal den nächsten jagt. Künstlerische Schranken gibt es bei ihnen nicht.
Neoklassische Sounds mischen sich mit Blues, Jazz, purem Krach und politisch scharfen Texten. Themen wie Konsum, Kapitalismus, Naturkatastrophen, die verhasste Obrigkeit und das Militär spielen darin eine große Rolle.
„Checkpoint Charlie“: Smogalarm (1979):
In den 1960er Jahren ist Punk noch kein Thema. Die radikal-anarchistischen Freigeister von „Checkpoint Charlie“ sind also ihrer Zeit voraus und Wegbereiter für den Punk. Im Laufe der Zeit geht es immer mehr in Richtung Agitation – heißt: sie versuchen, Andere dahingehend zu beeinflussen, sich ihrer politischen Denkart anzuschließen.
Erfolgreich und keine Kohle: Wie geht das?
Die Politrockband „Checkpoint Charlie“ veröffentlicht zwischen 1970 und 1982 fünf Alben und hat etliche, ausverkaufte Auftritte. Darüber hinaus gründen die Bandmitglieder zusammen mit Embryo, Ton Steine Scherben und anderen Bands das Label April-Records und den Schneeball-Vertrieb, was sie zu Vorreitern der deutschen Independent-Szene macht. Und trotzdem sind sie alles andere als vermögend.
Skandale, Skandale, Skandale
Schuld an der Misere? Ihre Skandale! Die bringen den in einer Pfälzer Kommune lebenden Musikern zwar Popularität, kosten sie aber auch viel Geld.
„Die Bullen haben uns ständig abgeräumt und wir hatten nur Schulden. Verunglimpfung staatlicher Symbole, Beleidigung des Bayerischen Staatsoberhaupts und was sie uns sonst noch alles angehängt haben“, schildert Harald Linder.
Ein Beispiel: Für die Beleidung des damaligen Ministerpräsidenten von Bayern und Kanzlerkandidaten Franz-Josef Strauss gab es eine satte Geldstrafe in Höhe von 15.000 DM – verhängt vom Kemptner Amtsgericht. Der Grund? Ein Pappschwein mit dem Namen „Franz-Josef“, das als Bühnendekoration immer mal wieder über die Bühne getrieben wird.
Mehr als 30 Jahre „Checkpoint Charlie“
Bis in die 1990er-Jahre ist Frontmann Uwe von Trotha mit der Politrockband „Checkpoint Charlie“ in wechselnden Besetzungen und längeren Schaffenspausen aktiv.
2003 reformiert sich die Band ein letztes Mal und spielt einen unvergessenen Auftritt auf dem Burg-Herzberg-Festival in der Nähe des osthessischen Alsfeld mit einer anschließenden kleinen Tour.
„Checkpoint Charlie“: Lass mich deinen Dünnschiß gurgeln (1981):