Rockband „Checkpoint Charlie“ mit heruntergelassenen Hosen von hinten

Provokation und Politrock

Uwe von Trotha und seine Band „Checkpoint Charlie“: Begründer des deutschen Punk

Stand
Autor/in
Carolin Baumgart
Carolin Baumgart

Wilde Auftritte, radikale Texte und harter Protest: Uwe von Trotha kämpft seit Ende der 1960er-Jahre mit seiner Politrockband „Checkpoint Charlie“ für eine bessere Welt und gründet eine neue Subkultur: den deutschen Punk.  

Mit Worten und Musik provozieren 

Ich weiß nicht mal was ich da mache 
Eins ist mir klar: Ich unterstütze die Kacke 
Der Menschenfeindlichen Industrie 
Ob Kosmetik, Autos oder Atomdeponie ...“

(Du sollst dein Leben nicht den Schweinen geben, Checkpoint Charlie, 1979) 

Du sollst dein Leben nicht den Schweinen geben

Man kann kaum glauben, dass solch provokante Texte von einem Adligen kommen. Uwe von Trotha, Frontmann und Texter der Politrockband „Checkpoint Charlie“, stammt aus einem uralten, preußischen Rittersgeschlecht. Doch er ist ganz anders als seine adligen Vorfahren, die im 20. Jahrhundert erfolgreich für das Kaiserreich dienen.  

Ob es an seiner unehelichen Geburt im Jahr 1943 liegt? Damals war das ein familiärer Supergau. Seine adlige Herkunft relativiert er genau damit:  

Ich bin ja nur ein Bastard.

Zum Außenseiter geboren? 

Uwe von Trotha verbringt seine Kindheit im Nazideutschland, was ihn sehr prägt und seine spätere Auflehnung gegen Staat, Militär und Disziplin erklärt. Als er mit 17 Jahre von der Schule fliegt, schafft er 1959 problemlos die Aufnahmeprüfung an der Theater- und Musikschule Heidelberg.

Nach dem Studium ist er in Heidelberg und Karlsruhe als Schauspieler tätig, bis er 1966 im Karlsruher Kammertheater den Sänger und Bassist Harald Linder trifft. Die zwei verstehen sich auf Anhieb.  

 

Uwe von Trotha von der Rockband „Checkpoint Charlie“ am Telefon, neben ihm eine Frau
Uwe von Trotha spielte vor seiner Karriere, als Sänger und Texter bei der Politrockband „Checkpoint Charlie“, als Theater-Schauspieler in Heidelberg und Karlsruhe.

Gemeinsame Sache: Die Politrockband „Checkpoint Charlie“ entsteht 

Uwe von Trotha überzeugt Linder schnell, etwas Neues auszuprobieren: lyrische Texte von Bertolt Brecht und François Villon in Verbindung mit Beatmusik. Bei den ersten Proben steigen die übrigen Musiker von Linders Band „THE WORKERS“ aus – für sie ist die neue Musik zu abgefahren.

Linder und von Trotha finden schnell Ersatz und gründen 1967 zusammen mit Keyboarder Joachim „Krebssalat“ Krebs und Gitarrist und Schlagzeuger Werner Heß die Band „Checkpoint Charlie“. 

Die Rockband „Checkpoint Charlie“ bei einem Auftritt vor einem Bauernhaus
Schräge Auftritte, provozierende Texte, teure Skandale: dafür steht u.a. die Rockband „Checkpoint Charlie“, die Uwe von Trotha zusammen mit Harald Linder 1967 gründet.

Neue Popkultur: Punk 

Uwe von Trotha und seine Bandmitglieder gehören zu den ersten, die deutsche Rockmusik in einem derartig radikalen Ausmaß spielen, sodass ein Skandal den nächsten jagt. Künstlerische Schranken gibt es bei ihnen nicht.

Neoklassische Sounds mischen sich mit Blues, Jazz, purem Krach und politisch scharfen Texten. Themen wie Konsum, Kapitalismus, Naturkatastrophen, die verhasste Obrigkeit und das Militär spielen darin eine große Rolle. 

Wir waren eben die ersten, die so was gemacht haben, Rock mit deutschen Texten.

„Checkpoint Charlie“: Smogalarm (1979):  

checkpoint charlie - smogalarm

In den 1960er Jahren ist Punk noch kein Thema. Die radikal-anarchistischen Freigeister von „Checkpoint Charlie“ sind also ihrer Zeit voraus und Wegbereiter für den Punk. Im Laufe der Zeit geht es immer mehr in Richtung Agitation – heißt: sie versuchen, Andere dahingehend zu beeinflussen, sich ihrer politischen Denkart anzuschließen. 

Erfolgreich und keine Kohle: Wie geht das? 

Die Politrockband „Checkpoint Charlie“ veröffentlicht zwischen 1970 und 1982 fünf Alben und hat etliche, ausverkaufte Auftritte. Darüber hinaus gründen die Bandmitglieder zusammen mit Embryo, Ton Steine Scherben und anderen Bands das Label April-Records und den Schneeball-Vertrieb, was sie zu Vorreitern der deutschen Independent-Szene macht. Und trotzdem sind sie alles andere als vermögend.  

Skandale, Skandale, Skandale 

Schuld an der Misere? Ihre Skandale! Die bringen den in einer Pfälzer Kommune lebenden Musikern zwar Popularität, kosten sie aber auch viel Geld.  

„Die Bullen haben uns ständig abgeräumt und wir hatten nur Schulden. Verunglimpfung staatlicher Symbole, Beleidigung des Bayerischen Staatsoberhaupts und was sie uns sonst noch alles angehängt haben“, schildert Harald Linder.   

Ein Beispiel: Für die Beleidung des damaligen Ministerpräsidenten von Bayern und Kanzlerkandidaten Franz-Josef Strauss gab es eine satte Geldstrafe in Höhe von 15.000 DM – verhängt vom Kemptner Amtsgericht. Der Grund? Ein Pappschwein mit dem Namen „Franz-Josef“, das als Bühnendekoration immer mal wieder über die Bühne getrieben wird.  

Ausschnitte aus Zeitungen rund um die Rockband „Checkpoint Charlie“, unter anderem zu sehen ist ein Pappschwein, auf das der Name "Franz-Josef" geschrieben ist, es bringt den Musikern eine Geldstrafe wegen Verunglimpfung ein
Der Skandal mit dem Franz-Josef-Schwein Ende der 1970er-/Anfang der 1980er-Jahre kostet die Band viel Geld, bringt ihr aber auch eine enorme Presse und Aufmerksamkeit.

Mehr als 30 Jahre „Checkpoint Charlie“ 

Bis in die 1990er-Jahre ist Frontmann Uwe von Trotha mit der Politrockband „Checkpoint Charlie“ in wechselnden Besetzungen und längeren Schaffenspausen aktiv.

2003 reformiert sich die Band ein letztes Mal und spielt einen unvergessenen Auftritt auf dem Burg-Herzberg-Festival in der Nähe des osthessischen Alsfeld mit einer anschließenden kleinen Tour.  

„Checkpoint Charlie“: Lass mich deinen Dünnschiß gurgeln (1981):  

CHECKPOINT CHARLIE - Lass mich Deinen Dünnschiss gurgeln...

 

Mehr Punk

Zwischen Nostalgie und Aktualität „Millennial Punk“ in der ARD Mediathek: Die Chronik einer totgeglaubten Subkultur

Punk ist tot? Von wegen! Die vierteilige Serie „Millennial Punk“ in der ARD Mediathek beweist in einer kurzweiligen Reise durch ein Vierteljahrhundert Deutschpunk das Gegenteil.

Dokumentation „Auswärtsspiel: Die Toten Hosen in Ost-Berlin“: Eine nostalgische Reise in die Vergangenheit des Punk

Ein filmisches Geschenk zum 40. Bandgeburtstag: Mit Archivmaterial, emotionalen Interviews und animierten Cartoon-Sequenzen zeichnet die SWR-Dokumentation von Martin Groß eine nostalgische Gegenüberstellung der Punkszenen der 80er aus Ost und West. Im Mittelpunkt steht ein Guerilla-Kirchenkonzert der Toten Hosen, das einen der größten Coups ihrer Bandgeschichte ausmacht.

30 Jahre „Dookie“ Wie Green Day gleich zwei Generationen von Punk-Fans prägten

Vor 30 Jahren legten Green Day mit „Dookie“ das triste Grunge-Imperium in Schutt und Asche und läuteten das große Punk-Revival ein.

Leben No Future - jetzt erst recht! Wie man mit Punk alt wird

Terry und Joost sind Punks der ersten Stunde. Auch mit Anfang 60 und diversen Gesundheitsbeschwerden lieben sie laute Musik und Nietenketten. Und schlagen sich so durch.
(Produktion 2019)

SWR2 Leben SWR2