Telegram und Fernsehen

Ukrainer und Russen in Trier: Beeinflussen russische Medien diese Wählergruppen?

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Daniel Novickij
Daniel Novickij

Russische Medien werben derzeit für die AfD. Ukrainer und Russen, die in Trier leben, könnte dies bei Ihrer Wahl beeinflussen. Das zeigen SWR-Recherchen.

Der Bundestagswahlkampf läuft auf Hochtouren. Politiker versuchen, die Menschen mit Plakaten, Flyern und Reden von ihrer Partei zu überzeugen. Der Wahlkampf in Deutschland stößt auch in Russland auf großes Interesse. Russische Medien berichten darüber mit Folgen für den Wahlkampf in Deutschland.

Die russischen Medien rechnen mit fast allen Parteien im Deutschen Bundestag ab, außer mit der AfD. Deren Inhalte werden nach einer SWR-Recherche verbreitet und befeuert. Beispielsweise auf dem russischen Messengerdienst Telegram oder im Fernsehen.

Der russische Kanal "Kanzlerdaddy" teilt etwa auf Telegram Inhalte der AfD. Hier wird eine russische Übersetzung eines offenen Briefs von AfD-Chefin Alice Weidel an CDU-Chef Friedrich Merz verlinkt.
Der russische Kanal "Kanzlerdaddy" teilt etwa auf Telegram Inhalte der AfD. Hier wird eine russische Übersetzung eines offenen Briefs von AfD-Chefin Alice Weidel an CDU-Chef Friedrich Merz verlinkt.

Unzufriedenheit mit Bundespolitik wächst

Unter den Usern und Zuschauern sind auch Ukrainer und Russen aus Trier, wie beispielsweise Irina aus Trier. Sie kam vor rund dreißig Jahren aus dem ukrainischen Donezk nach Deutschland.

Sie hat hier Rechtswissenschaften an einer Universität studiert und arbeitet inzwischen als Juristin beim Pflegedienst "Verrus" in Trier. Irina schaut unter anderem russische Medien, um sich über Politik und Wirtschaft zu informieren.

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Sie ist unzufrieden damit, wie es aktuell um ihre Wahlheimat Deutschland steht: "In der Fußgängerzone schließen die Geschäfte. Die Lebensmittel werden teurer und die Kriminalität nimmt zu", sagt Irina und ergänzt: "Das muss sich ändern".

Wer das ändern soll, weiß Irina nicht. Die Grünen will sie nicht wählen. Sie ist unglücklich darüber, wie die Partei bis zuletzt regiert hat.

Ukrainerin aus Trier überlegt, AfD zu wählen

Welcher Partei sie bei der anstehenden Bundestagswahl ihre Stimme geben wird, kann sie derzeit noch nicht sagen. Sie schwankt zwischen CDU und AfD.

Die AfD ist für sie aber definitiv eine Option an der Wahlurne. "Die AfD spricht viele Sachen an, die sich in vielen Herzen und Köpfen widerspiegeln", so Irina.

AfD offenbar bei Russlanddeutschen im Hunsrück beliebt

Auch ein Blick in den Hunsrück zeigt, wie sich russische Medien auf die Wahlen auswirken könnten. In Büchenbeuren (Rhein-Hunsrück-Kreis) haben bei der vergangenen Europawahl fast 40 Prozent an der Urne für die AfD gestimmt. Die Briefwahl wurde in dieser Statistik dabei nicht berücksichtigt.

Guido Scherer ist Ortsbürgermeister von Büchenbeuren. In seinem Ort war die AfD bei der EU-Wahl sehr erfolgreich, viele ihrer Wähler waren wohl Russlanddeutsche.
Guido Scherer ist Ortsbürgermeister von Büchenbeuren. In seinem Ort war die AfD bei der EU-Wahl sehr erfolgreich, viele ihrer Wähler waren wohl Russlanddeutsche.

In der 1.800-Einwohner-Gemeinde leben laut Bürgermeister Guido Scherer (parteilos), besonders viele Russlanddeutsche. Er vermutet, dass die AfD viele Stimmen von ihnen bekommen hat.

"Viele Russlanddeutsche nutzen russische Medien. Das höre ich aus den Gesprächen im Ort", sagt Scherer. Er habe ein "ungutes Gefühl", wenn so viele Menschen eine Partei wie die AfD wählen, die vom Verfassungsschutz teils als rechtsextrem eingestuft wird. "Das ist für mich ein Problem", betont Scherer.

In Sohren und Kirchberg (Rhein-Hunsrück-Kreis) leben Scherer zufolge ebenfalls viele Russlanddeutsche. Dort erreichte die AfD bei der vergangenen EU-Wahl mehr als 30 Prozent.

Russlanddeutsche aus Trier wählte lange AfD, nun SPD?

Auch die 75-jährige Russlanddeutsche Irma Kauz aus Trier fand die AfD gut und hat sie bislang immer gewählt. Sie ist in Sibirien geboren und 1997 nach Trier ausgewandert. Sie schaut russisches Fernsehen und verteidigt die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Sie ist sich sicher, dass russische Medien einen Einfluss darauf haben, welcher Partei russischsprachige Bürger in Deutschland ihre Stimme bei einer Wahl geben: "Meine Nachbarn und viele, die ich kenne, wollen die AfD wählen".

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Kauz ist selbst von der AfD inzwischen abgerückt. Die Partei sei ihr zu radikal geworden. Sie will zwar nicht sagen, wen sie wählen wird, aber lässt es zumindest durchblicken. "Ich halte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) derzeit für den besten Kandidaten", so Kauz.

Russin Olga Kuokonnen lebt in Trier. Sie schaut seit Jahren keine russischen Medien mehr, weil sie es für Propaganda hält.
Russin Olga Kuokonnen lebt in Trier. Sie schaut seit Jahren keine russischen Medien mehr, weil sie es für Propaganda der russischen Regierung hält.

Ein anderes Beispiel ist Olga Kuokkonnen. Sie stammt aus dem russischen St. Petersburg. Kuokkonnen wohnt seit 2013 in Deutschland und schaut anders als Irma Kauz und Irina seit Jahren aktiv kein russisches Fernsehen mehr, weil sie es für politische Propaganda Russlands hält.

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