Viele Informationen und Webseiten sind in Russland nicht zugänglich – die Menschen können sich nur schwer unabhängig über den Krieg gegen die Ukraine informieren. Und das Blockieren von Webseiten funktioniert, sagt Lev Gershenzon, ehemaliger Chef des russischen Nachrichtenportals Yandex News. Nach der Besetzung der Krim wanderte er nach Deutschland aus und beobachtet nun von hier aus über die Internetzensur in seinem Heimatland.
Viele westliche und unabhängige russische Seiten sind gesperrt
Nach Kriegsbeginn gründet Gershenzon sein eigenes Nachrichtensammlerportal, thetruestory.news, mit dem er eine vielfältige, unabhängige Berichterstattung zugänglich machen will. Das passt natürlich nicht in das Konzept der staatlich kontrollierten russischen Propaganda. Bereits nach drei Tagen wird die Seite gesperrt – ein Rekord, was die Geschwindigkeit einer Blockade angeht, sagt Gershenzon.
Gesperrt sind in Russland viele Seiten westlicher Medien, zum Beispiel die der Deutschen Welle oder der BBC. Aber auch unabhängige russische Medien sind gesperrt, zum Beispiel das vom ehemaligen Schachweltmeister Garry Kasparov betriebene Nachrichtenportal kasparov.ru. Selbst die Webseite des in der Ukraine entwickelten Computerspiels Stalker 2 ist von Russland aus nicht erreichbar.
Mit einem VPN-Tunnel kann die Blockade umgangen werden
Eigentlich ist das reine Blockieren von Webseiten ein relativ plumpes Werkzeug, um den Zugang zu einer Webseite zu unterbinden. Über ein sogenanntes VPN ("Virtual Private Network") kann eine solche Blockade in der Regel leicht umgangen werden – umgangssprachlich spricht man auch von einem VPN-Tunnel. Damit wird nicht direkt auf eine Webseite zugegriffen, sondern ein Umweg gegangen, meist über ein anderes Land. So erkennt der Internetanbieter nicht, welche Webseite aufgerufen wird und blockiert den Zugriff nicht.
Vielen Russinnen und Russen sei es auch egal, woher sie ihre Nachrichten bekämen, sagt Gershenzon. Über große Portale, die Nachrichten-Meldungen von anderen Medien sammeln und anbieten, werden in Russland täglich Millionen Klicks generiert.
Zwei große solcher Portale in Russland sind Yandex News und Google Discover. Während Yandex ausschließlich staatlich tolerierte Medien anbietet, findet sich in den Vorschlägen von Google auch unabhängige Berichterstattung – allerdings bietet auch Google zum Teil Inhalte von problematischen Webseiten an.
Google Discover will staatlich finanzierte russische Medien einschränken
Das Interview mit Lev Gershenzon stammt vom 19. Januar diesen Jahres. Auf eine schriftliche Anfrage, ob die von ihm genannten Seiten immer noch von Google Discover angeboten werden, antwortet ein Google-Sprecher am 22. Februar:
“Discover spiegelt Nachrichteninhalte wider, die im offenen Web verfügbar sind. Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine haben wir die Art und Weise, wie staatlich finanzierte russische Medien in den Google News- und Suchfunktionen und auf unseren Plattformen weltweit angezeigt werden, erheblich eingeschränkt. Wir arbeiten weiterhin daran, die Reichweite unzuverlässiger Informationen zu verringern und vertrauenswürdige Informationen leichter verfügbar zu machen.“
Laut Google wurden außerdem die meisten kommerziellen Tätigkeiten in Russland ausgesetzt, etwa das Schalten von Werbung russischer Unternehmen oder die Monetarisierung von Youtube-Videos.
Der Krieg gegen die Ukraine ist auch ein Informationskrieg
Zurzeit ist es unmöglich, die staatlichen russischen Tech-Unternehmen wie VK und Yandex zu beeinflussen, sagt Lev Gershenzon. Aber es sei möglich, bei Google Aufmerksamkeit auf das Problem zu lenken und im Hinblick auf die Algorithmen, die die Ergebnisse liefern, um Hilfe zu bitten oder Änderungen zu erzwingen.
Der Krieg gegen die Ukraine ist also auch ein Informationskrieg, den Russland zu einem großen Teil im Internet führt.