Auch die Heuschrecke "Warzenbeißer", die in Waldrach und somit in der Region Trier vorkommt, gilt als gefährdet.

Weltweit zwei Millionen Arten gefährdet

Trierer Forscher: Artensterben schlimmer als befürchtet

Stand

Forschende auch aus Trier haben alarmierende Zahlen vorgelegt: Vielen Arten bei Tieren und Pflanzen geht es demnach schlechter als angenommen.

Weltweit sind rund zwei Millionen Arten gefährdet - und damit doppelt so viele wie in der jüngsten globalen Bestandsaufnahme des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) 2019 angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die im Fachmagazin "PLOS One" veröffentlicht wurde. In Europa ist der Studie zufolge ein Fünftel aller daraufhin untersuchten Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben in den kommenden Jahrzehnten bedroht, Pflanzen und wirbellose Tiere sind besonders stark betroffen.

Der Warzenbeißer ist durch die Nutzungsintensivierung und Nutzungsaufgabe von Grenzertragsstandorten gefährdet. Er braucht eine extensive Grünlandnutzung.
Der Warzenbeißer ist durch die Nutzungsintensivierung und Nutzungsaufgabe von Grenzertragsstandorten gefährdet. Er braucht eine extensive Grünlandnutzung.

Zu diesem alarmierenden Ergebnis kommt ein Team aus Wissenschaftlern vom Nationalmuseum für Naturgeschichte Luxemburg und der Universität Trier, das fast 15.000 Arten untersucht hat. Das Team um Forscher Axel Hochkirch vom Nationalmuseum für Naturgeschichte Luxemburg und der Uni Trier analysierte alle bekannten Wirbeltierarten (Amphibien, Vögel, Fische, Reptilien und Säugetiere) Europas sowie wichtige wirbellose Tiergruppen wie Schmetterlinge und Bienen und verschiedene Pflanzenarten.

Demnach sind von den untersuchten Arten in Europa mehr als 2.830 vom Aussterben bedroht. Das entspricht insgesamt rund 19 Prozent. 125 Tier- und Pflanzenarten gelten schon jetzt als ausgestorben, regional ausgestorben oder möglicherweise ausgestorben.

Wirbellose wie Insekten, Schnecken oder Ringelwürmer besonders betroffen

Besonders gefährdet sind laut Studie die in Europa heimischen Pflanzen: rund 27 Prozent sind vom Aussterben bedroht. Auch bei den Tierarten sind die Zahlen hoch - 24 Prozent der Wirbellosen und 18 Prozent der Wirbeltiere sind betroffen. Das sei bemerkenswert, so das Forscherteam, wenn man bedenke, dass den Wirbeltieren wesentlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. "Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist, dass sich die Anzahl gefährdeter Arten über die verschiedenen Artengruppen nicht maßgeblich unterscheidet", sagt Hochkirch.

Genauere Infos, alarmierendes Ergebnis

Für Matthias Glaubrecht, Professor für Biodiversität an der Uni Hamburg sind die Ergebnisse erschreckend: "Die neue Studie zeigt erheblich schärfer und umfassender als zuvor, dass deutlich mehr Arten vom Aussterben bedroht sind. Europa ist eine jener Regionen, für die wir noch die besten Daten haben. Wenn sich hier die Situation schon derart dramatisch darstellt, bedeutet dies, dass sich die Biodiversitätskrise in anderen, weitaus artenreicheren Regionen sehr wahrscheinlich noch deutlich brisanter darstellt - insbesondere in den nach wie vor unzureichend erforschten Tropengebieten, etwa in Asien und Afrika."

Der Sumpfgrashüpfer kommt im Hunsrück vor, ist aber durch die Austrocknung von Feuchtgebieten gefährdet.
Der Sumpfgrashüpfer kommt im Hunsrück vor, ist aber durch die Austrocknung von Feuchtgebieten gefährdet.

Problem: Datenlage

Die Autoren der Studie schreiben: "Unsere Analyse zeigt einige große Wissenslücken und entsprechenden Forschungsbedarf auf." Viele Arten, vor allem unter den Wirbellosen, sind noch gar nicht beschrieben worden. Eine genaue Beurteilung des Zustandes ist oft schwierig: Gibt es in einer Region nur noch sehr wenige Exemplare, sind diese in Feldstudien kaum auffindbar. Das bekräftigt auch Glaubrecht: "Wir wissen zu wenig über alle diese Arten, um ihr Verschwinden lange überhaupt bemerkt zu haben. Es gibt Arten, die wir schneller vernichten, als wir sie erforschen können."

Ursachen für Artensterben vielfältig

Als größte Bedrohung sieht das Team die intensive wirtschaftliche Nutzung von Landflächen und Meeren, die zum Verlust von Lebensräumen führt. Auch die Übernutzung biologischer Ressourcen sowie durch den Klimawandel verursachte Extremwetterlagen gefährden die Artenvielfalt demnach massiv.

Landwirtschaft und Artenvielfalt

Die industrielle Landwirtschaft macht vielen Kleintieren das Leben schwer. Großflächige Monokulturen und der Einsatz von Düngemitteln und giftigen Chemikalien tragen mit zum Insektensterben bei. Mit den Insekten gehen auch die Bestände von Vögeln dramatisch zurück.
Dieser Film zeigt die Zusammenhänge zwischen Landnutzung und Artenvielfalt auf. Am Beispiel von Schmetterlingen wird der Artenschwund dokumentiert. Ein Experiment in einer Apfelplantage belegt die wichtige Rolle von Insekten als Bestäuber. Neue Wege in der Landwirtschaft könnten dem Artensterben entgegenwirken – zum Beispiel kleinräumige Felder mit permanenten Kulturen, der Verzicht auf Spritzmittel, das Anlegen von Hecken und Blühstreifen. Wir besuchen Bio-Landwirte, die sich für mehr Artenvielfalt engagieren, und sehen am Beispiel einer angelegten Teichlandschaft, wie Tiere und Pflanzen von Biotopvernetzung profitieren.

Landwirtschaft und Artenvielfalt SWR

Doch die Forscher sehen auch Grund zur Hoffnung: Neuansiedlungen von Tierarten und ein besonderer Schutz können helfen, die Artenvielfalt zu erhalten. "Wichtig ist es, Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Arten einzuleiten. Diese zeigten bei Wirbeltieren ja schon viel Erfolg, was die Ausbreitung früher gefährdeter Arten, wie Schwarzstorch, Seeadler, Wanderfalke, Uhu und Fischotter beweist", sagt Hochkirch. "Es ist wichtig, die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen rechtzeitig umzusetzen. Wir verfügen bereits über genügend Beweise, um zu handeln - was uns fehlt, sind Taten."

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SWR