Janina Steinkrüger im Interview mit der SWR-Redaktion STUDIO MAINZ

Bilanz nach zwei Jahren im Amt

Verkehrsdezernentin Steinkrüger will in Mainz noch viel verändern

Stand
Autor/in
Sabine Steinbrecher
Sabine Steinbrecher ist Reporterin im SWR Studio Mainz
Olaf Lemcke
Olaf Lemcke

Seit zwei Jahren ist Janina Steinkrüger Mainzer Verkehrsdezernentin. Im Interview mit SWR Aktuell hat sie über ihre Ziele, Probleme bei Verkehrsplanungen und langwierige Prozesse in der Politik gesprochen.

SWR Aktuell: Frau Steinkrüger, Sie sind jetzt zwei Jahre im Amt. Haben Sie schon bereut, dass sie aus Frankfurt weggegangen sind oder denken Sie, super, dass ich das gemacht habe?

Janina Steinkrüger: Bereut habe ich das auf keinen Fall. Ich habe die Stadt lieben gelernt und sehe auch noch wie viele Aufgaben vor uns liegen, um 2035 klimaneutral zu werden. Da gilt es, an noch vielen Schrauben zu drehen. Insbesondere in den Bereichen Umwelt und Mobilität, und das motiviert mich.

SWR Aktuell: Man hat den Eindruck, als wäre das nicht immer ein dankbarer Posten, den Sie haben. Sie mussten auch schon viel Kritik einstecken. Wie geht es Ihnen damit?

Steinkrüger: Ich kenne aus meiner vorigen Tätigkeit nur den Umweltbereich. Da ist es schon anders als im Bereich Verkehr. Alle denken, sie können mitreden und auch planen. Es gibt niemanden, den es nicht interessiert, weil alle betroffen sind. Aber ich habe nicht umsonst eine Verkehrsplanungsabteilung in der Verwaltung, da arbeiten Menschen, die das studiert haben, die wissen, wie Verkehrsplanung geht. Das geht in der öffentlichen Diskussion manchmal unter.

Bei Verkehr wollen alle mitreden und planen

SWR Aktuell: Es gab starke Kritik an der vorübergehend eingerichteten Bus- und Fahrradspur in der Rheinstraße, einer Hauptverkehrsachse in der Innenstadt. Auch wegen der mangelnden Kommunikation von Seiten der Stadt. Würden Sie jetzt hinterher sagen, Sie haben da Fehler gemacht?

Steinkrüger: Was die Kommunikation betrifft, da würde ich auf alle Fälle sagen, das mache ich beim nächsten Mal anders. Man lernt ja auch aus eigenem Fehlverhalten. In der Sache bin ich aber davon überzeugt, das war eine richtige Maßnahme. Wir sind jetzt in der Auswertung, holen nochmal Meinungen ein von der Mainzer Verkehrsgesellschaft. Wir hatten auch Kameras aufgestellt und können sehen, wie viele Radfahrer das genutzt haben. Dann wird man ein Fazit ziehen können.

SWR Aktuell: Ist die Leitung des Verkehrsdezernats ein undankbares Amt?

Steinkrüger: Es scheint undankbar, wenn man wirklich was verändern möchte und auch an die Notwendigkeit der Mobilitätswende glaubt. Und das tue ich, aber dann bekommt man ja durchaus Dank zurück. Wenn man einfach sagt, am besten lassen wir alles so wie es ist, scheint es vielleicht weniger undankbar.

Janina Steinkrüger im Gspräch mit dem SWR in ihrem Büro in Mainz.
Die Mainzer Umwelt- und Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger im Gespräch mit dem SWR.

Verkehrspolitik: In Mainz ein Flickenteppich?

SWR Aktuell: Viele Bürger sagen, in Mainz ist Verkehrspolitik ein Flickenteppich. Auf der Großen Bleiche gibt es zum Beispiel auf der Straße eine Fahrrad-Markierung, gleichzeitig gibt es daneben auf dem Bürgersteig auch einen Radweg. Dieses "sowohl-als-auch" wird vielfach als "Flickenteppich" wahrgenommen. Streben Sie ein Konzept an, wo die Fahrradfahrer fahren sollen, auf der Straße oder auf dem Gehweg? Oder sagen Sie, das ist gar nicht möglich?

Steinkrüger: Ich muss jeden Straßenabschnitt, jeden Kreuzungsbereich anschauen. Ein Konzept, das in der Straße X funktioniert, muss nicht unbedingt in der Straße Y funktionieren. Das hängt vom Zuschnitt ab: Gibt es Ausfahrten? Ist es ein Industriegebiet? Ist es ein Wohngebiet? Da gibt es ganz viele unterschiedliche Voraussetzungen. Was wir natürlich haben, sind allgemeine Ziele, Hauptverbindungen, wo wir den Radverkehr stärken. Das haben wir jetzt zum Beispiel auch gemacht mit den Stadtteil-Routen: Hechtsheim – Oberstadt – Innenstadt.

"Der Flickenteppich ist auch dadurch bedingt: man fängt halt erst einmal mit dem an, was direkt am schnellsten und am unkompliziertesten geht."

Deswegen sieht es für einen Außenstehenden wie ein Stückwerk aus. Aber natürlich haben wir auch ein Ziel. Wir arbeiten am Radnetz Mainz. Dazu wird es Beteiligungsprozesse geben. Das ist das, was wir angehen in den nächsten Jahren, dann auch viel konkreter.

SWR Aktuell: Nehmen wir ein Beispiel: Wir hatten jetzt eine große Fahrrad-Demo auf der Alicenbrücke, wo es auch ganz konkret darum geht, eine Spur den Autos wegzunehmen und den Radfahrern zu geben. Wie würden Sie sich da positionieren?

Steinkrüger: Ich finde es gut, dass es die Aktion gegeben hat, weil sie zeigt, dass wir immer noch viel zu viel Platz für den Autoverkehr haben. Aber es ist nicht damit getan, einfach eine Spur wegzunehmen.

Einfach nur aus einer Autospur einen Fahrradweg zu machen, geht nicht

Spätestens, wenn Sie an den Knotenpunkt kommen, an dem fünf Straßen aufeinander treffen, dann haben sie das Problem: Was bedeutet das für mich als Radfahrer, links abbiegen, rechts abbiegen? Wie komme ich sicher über eine Kreuzung? Ich muss den ÖPNV berücksichtigen, auch für Straßenbahnen und Busse ist das ein ganz wichtiger Knotenpunkt. Ich finde es gut, dass der Druck da wächst, etwas zu machen. Ich wünsche mir auch, dass wir eine Lösung haben, wenn wir die Straßenbahn in der Binger Straße fertig haben, dass wir dann wissen, wie der Verkehr über die Alicenbrücke geführt wird. Aber manchmal ist es einfach nicht damit getan, irgendwo eine Spur wegzunehmen.

SWR Aktuell: Das Thema Umwelt gehört auch zu Ihrem Zuständigkeitsbereich. Sie hatten vor zwei Jahren gesagt, Sie wollen in Mainz mehr Grün und mehr Retentionsflächen für Regenwasser schaffen, mehr Schatten. Was konnten Sie davon umsetzen?

"Ich bin immer wieder überrascht, wie lange Planungsprozesse brauchen, also von der Idee bis zur Umsetzung."

Steinkrüger: Meine Erwartung vor zwei Jahren war, das sage ich auch ganz offen, dass ich da vielleicht schon mehr vorzuweisen habe. Tatsächlich habe ich hauptsächlich Projekte meiner Vorgängerin erst eröffnen dürfen. Was wir bald angehen werden, ist die Renaturierung des Aubachs im Stadtteil Finthen, das ist eine wichtige Retentionsfläche. Ja, ich habe es mir auch ein bisschen einfacher vorgestellt, Flächen einfach zu entsiegeln.

SWR Aktuell: Was ist Ihr Herzensprojekt? Was möchten Sie umsetzen und was denken Sie wie lange dauert es?

Herzensprojekt Straßenbahnausbau

Steinkrüger: Ein Herzensprojekt von mir ist der Ausbau der Straßenbahn. Bis 2029 bin ich gewählt. Ich bin optimistisch, dass ich bis dahin noch mit der Straßenbahn durch die Binger Straße zwischen Münsterplatz und Alicenplatz fahren werde - das ist ein wichtiger Lückenschluss. Bei den anderen Vorhaben weiß ich es nicht. Aber die Entscheidung, wie und wo eine neue Straßenbahntrasse Richtung Heiligkreuzviertel führt, das möchte ich auf alle Fälle noch in dem Zeitraum erleben. Auch welche Haltepunkte es geben wird. Das ist für mich ein sehr, sehr großer, wichtiger Baustein für die Mobilitätswende.

SWR Aktuell: Kommen wir noch mal auf Ihren Start zurück hier in Mainz vor zwei Jahren, da haben sie gesagt, sie wohnen in Frankfurt und wollen Mainz erst einmal kennenlernen. Sind Sie mittlerweile nach Mainz gezogen oder pendeln sie immer noch täglich?

Steinkrüger: Ich wohne auch in Mainz mittlerweile. Ich habe noch eine Eigentumswohnung in Frankfurt, aber unter der Woche pendele ich nicht.

Das Interview führten SWR-Reporterin Sabine Steinbrecher und Olaf Lemcke, Leiter SWR Studio Mainz.

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