Tag der gewaltfreien Erziehung

"Die Kinder haben Gedanken, dass Papa Mama vielleicht umbringt"

Stand
Autor/in
Clara Holzhauser

Kinder, die häusliche Gewalt erleben, leiden - der Tag der gewaltfreien Erziehung soll daran erinnern. Eine Erzieherin aus einem Frauenhaus erzählt, wie es diesen Kindern geht.

"Wenn Kinder sehen, wie die eigene Mutter vom Vater geschlagen wird, übernehmen sie eine Art Schutzfunktion" erzählt Vera Maurer (Name von der Redaktion geändert). Sie arbeitet als Erzieherin in einem Frauenhaus in Rheinland-Pfalz. "Sie gehen mit Angst in die Schule und in den Kindergarten und denken, dass sie ihre Mutter gerade nicht beschützen können. Die Kinder haben Gedanken, dass Papa Mama vielleicht umbringt."

Oft sei es so, dass diese Kinder Probleme in der Schule hätten. "Sie sind nicht konzentriert, sie sind müde, weil sie sich gar nicht trauen richtig zu schlafen, weil sie nicht wissen, was passiert, wenn sie nicht wach sind."

 

"Wir geben den Kindern Positives mit"

Vera Maurer und ihr Team sorgen mit ihrer Arbeit dafür, Müttern und ihren Kindern einen geschützten Raum auf Zeit zu geben. Die Erzieherin erzählt, dass sie manchmal ein schlechtes Gefühl hat, wenn die Frauen wieder zurück in die Familie gehen: "Wenn die Mütter, die bei uns sind, ihrem Partner dann noch eine Chance geben und mit ihren Kindern zu ihm zurückkehren, denke ich mir, oh je …"

Aber dann rufe sie sich immer wieder ins Gedächtnis, dass sie die Frauen gut betreut und den Kindern viel Positives mitgegeben habe.

Doch nicht immer suchen Frauen mit ihren Kindern Zuflucht in einem Frauenhaus. Auch die Jugendämter schreiten ein, wenn sie aus eigenen Erkenntnissen oder durch die Meldung Dritter den Verdacht haben, dass in einer Familie das Kindeswohl gefährdet ist. Das bedeutet unter anderem, dass das Kind psychisch oder körperlich misshandelt wird.

Seit 2010 sind die Zahlen der Gefährdungseinschätzungen und der Kindeswohlgefährdungen gestiegen.

Jugendämter prüfen mehr

Das rheinland-pfälzische Familienministerium teilt mit, dass im Jahr 2022 in Rheinland-Pfalz 8.617 Gefährdungseinschätzungen zu Kindern und Jugendlichen dokumentiert wurden. Damit hat sich die Zahl der Gefährdungseinschätzungen im Vergleich zu 2010 mehr als verdoppelt.

Klaus Peter Lohest ist Landesvorsitzender beim Kinderschutzbund in Rheinland-Pfalz. Eine Gefährdungseinschätzung erläutert er so: "Erhält ein Jugendamt aus eigenen Erkenntnissen oder durch die Meldung Dritter eine Verdachtsmeldung, kontaktiert es die Familie und prüft, ob das Kindeswohl dort gefährdet ist."

Mehr Sensibilität in der Bevölkerung

Den starken Anstieg bei den Gefährdungseinschätzungen erklärt das Land so: "Gründe hierfür sind eine gesteigerte Sensibilität der Gesellschaft und eine höhere Bereitschaft von Bürgerinnen und Bürgern, Hinweise im Bereich des Kinderschutzes und der Gewalt gegen junge Menschen an die Jugendämter zu melden."

Klaus Peter Lohest vom Kinderschutzbund in Rheinland-Pfalz beschreibt ebenfalls einen positiv zu bewertenden Mentalitätswechsel in der Gesellschaft: "Die Leute sind aufmerksamer geworden in der Nachbarschaft, in den Kitas, in den Schulen und bei der Polizei. Deswegen ist die Zahl der Gefährdungseinschätzungen höher als die der dann letztendlich festgestellten Kindeswohlgefährdungen."

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Was passiert nach Feststellung einer Kindeswohlgefährdung?

Bei der Gefährdungseinschätzung wird geprüft, ob das Kindeswohl gefährdet ist. Zur Kindeswohlgefährdung gehöre die Feststellung einer psychischen Misshandlung, körperlichen Misshandlung oder auch Vernachlässigung eines Kindes.

Auch die Zahl der Kindeswohlgefährdungen ist im Vergleich zu 2010 gestiegen. Damals wurden 1.776 Kindeswohlgefährdungen erfasst. Im Jahr 2022 stieg die Zahl auf 2.841 Kindeswohlgefährdungen.

Das heißt: In etwa einem Drittel der Verdachtsfälle liegt nach Prüfung des Jugendamts tatsächlich eine Kindeswohlgefährdung vor. Dann wird den betroffenen Familien geholfen. Im äußersten Fall können die betroffenen Kinder und Jugendlichen aus den Familien genommen und in eine Einrichtung oder Pflegefamilie gegeben werden.

Kinder haben Recht auf gewaltfreie Erziehung

Erzieherin Vera Maurer berichtet, dass sie immer wieder versuche, den Kindern zu erklären, dass sie Rechte haben. Das Recht auf gewaltfreie Erziehung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben. Hier heißt es unter anderem: "Das Kind hat ein Recht auf Pflege und Erziehung unter Ausschluss von Gewalt, körperlichen Bestrafungen, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Maßnahmen."

Sie betreut die Kinder, die mit ihren Müttern im Frauenhaus untergekommen sind, unter anderem bei den Hausaufgaben, macht Ausflüge mit ihnen und unterstützt bei der Suche nach einem Schulplatz oder Kindergartenplatz. 

Kinder können Kinder sein

Oft merke sie, dass Kinder ein großes Problem haben, sich "normal" Konflikten zu stellen: "Gerade wenn Jungs merken, der Papa hat die Mama geschlagen und die Mama wehrt sich nicht, macht das ein Junge oft nach. Aber es gibt auch andere Jungs, die dann die Mama beschützen."

Vera Maurer betont immer wieder, wie wichtig es für die Kinder sei, endlich Kind sein zu dürfen: "Hier im Frauenhaus können sie ohne Sorge spielen und müssen nicht immer dran denken: Was passiert jetzt, wann schreit der Papa wieder? Schlägt er wieder die Mama?"

Die Erzieherin wünscht sich, dass mehr Präventionsarbeit in den Schulen geleistet werde.

Wenn bei Kindern zu Hause immer nur geschrien wird, denken sie, dass das normal ist.

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Er wünscht sich eine Kindergrundsicherung, die dazu führen könne, dass Kinder aus der Armut genommen werden. Das geplante Gesetz zur Kindergrundsicherung  helfe Familien nicht wirklich, sondern stelle allenfalls eine Verwaltungsreform dar.

 

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